Kliniken unter BetrugsverdachtWurde die Intensivbelegung aus Kalkül übertrieben?

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Jens Spahn (CDU)

Köln – Nach einem Bericht des Bundesrechnungshofs haben Kliniken in der Hochphase der Pandemie weniger freie Intensivbetten gemeldet, als tatsächlich verfügbar waren. Motiv der Krankenhäuser soll gewesen sein, Ausgleichszahlungen für den Ausbau der Intensivbetten zu bekommen. Ist die Pandemie schlimmer gerechnet worden, als sie eigentlich war?

Krankenhäuser, die vorgaben, an die Grenzen ihre Intensivkapazitäten zu kommen, hatten die Zahlungen für den Ausbau der Intensivbetten vom Bund erhalten. Nun steht der Verdacht im Raum, das die Kliniken eine Bettenknappheit vorgespiegelt haben, um die Gelder kassieren zu können. Bund und Länder hatten die Verhängung des scharfen Lockdowns mit der angespannten Lage in den Kliniken begründet. So forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Einführung der  Bundesnotbremse im April, weil die Intensivmediziner „einen Hilferuf nach dem anderen" absenden würden.   Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte eingeräumt, ihm fehle eine Übersicht über die tatsächliche Verwendung der Mittel.

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Jochen Brink, Präsident der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW), weist die Kritik an den Kliniken scharf zurück: „Die jetzt erhobenen Vorwürfe bedienen die bekannten Aluhut-Theorien von einer angeblich absichtlich überzogenen Corona-Dramatik, die allerdings der Realität nicht einmal ansatzweise gerecht werden. Sie blenden wichtige Aspekte aus und vermischen Dinge, die nicht zusammenpassen“, sagte Brink dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Sachliche Manöverkritik sei immer gerechtfertigt, aber „Verschwörungsszenarien“ würden nicht weiterhelfen.

Alles zum Thema Karl-Josef Laumann

Kliniken fehlte die Erfahrung mit einer Pandemie

Es sei eine wichtige Aufgabe des Bundesrechnungshofes, die Entscheidungen der Politik und die Verwendung von Steuergeldern kritisch zu hinterfragen, hieß es. Bei diesem Blick auf alle getroffenen Maßnahmen in den bisher drei Wellen der Corona-Pandemie müsse man aber die jeweilige Situation berücksichtigen. „Mit dem Wissen von heute die vor einem Jahr getroffenen Entscheidungen zu bewerten, lässt außer Acht, dass damals jede Erfahrung mit einer solchen Pandemie fehlte“, erklärte Brink.

Die zusätzlichen Intensivbetten hätte eine ausreichende Notversorgung sicherstellen sollen. So lange es irgendwie unter Corona-Bedingungen gegangen sei, hätten die Kliniken die stationäre Behandlung von Patientinnen und Patienten fortgesetzt und alle notwendigen und planbaren Operationen durchgeführt. „Allein dafür wurden die mit hohem Personalaufwand verbundenen intensivmedizinischen Kapazitäten massiv beansprucht. In diesen Alltag kehren die Häuser übrigens inzwischen wieder zurück“, so der Chef der Krankenhausgesellschaft NRW.

Grüne: Betrug muss strafrechtlich verfolgt werden

Die Grünen im Düsseldorfer Landtag verlangen eine transparente Aufklärung der Vorwürfe. „Wenn staatliche Mittel zur Verfügung gestellt werden, muss natürlich auch nachgehalten werden, wohin und wofür die Mittel fließen“, sagte Gesundheitsexperte Mehrdad Mostofizadeh dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Sollten Krankenhäuser die Kapazitätsangaben wissentlich falsch übermittelt und damit Politik und Öffentlichkeit während einer derartigen Notlage getäuscht haben, sprechen wir ganz klar von Betrug, der strafrechtlich verfolgt werden muss.“

Die Covid-19-Pandemie habe gezeigt, wie schnell das deutsche Gesundheitswesen in einer bundesweiten Krise an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit geraten könne. „Daher ist es wichtig, jetzt die Erkenntnisse der vergangenen Monate zur Pandemie aufzubereiten. Das heißt ausreichend Schutzmaterial, medizinische Geräte wie in diesem Fall Beatmungsgeräte oder abtrennbare Raumkapazitäten vorzuhalten, um zukünftig besser auf langanhaltende oder außergewöhnliche Lagen vorbereitet zu sein“, sagte der Grünen-Politiker aus Essen.

SPD spricht von „Goldgräberstimmung"

Josef Neumann, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD im Landtag, verlangte schärfere Kontrollen bei der Verwendung der Ausgleichszahlungen: „Früher haben die Abenteurer El Dorado in Südamerika vermutet, heute scheint El Dorado da zu sein, wo Jens Spahn unkontrolliert Finanzmittel zu Verfügung stellt!“, sagte der Politiker aus Solingen. „All die Vorwürfe und Hinweise müssen jetzt politisch und, sollten sie zutreffend sein, auch rechtlich aufgearbeitet werden. Das sind wir den Steuerzahlern und den ehrlich Handelnden schuldig!“

Laumann rechtfertigt Ausgleichszahlungen

Ein Sprecher von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) erklärte, die Auslastung der Intensivstationen sei  insbesondere im April und Mai 2021 so hoch gewesen, dass eine Verschiebung planbarer Eingriffe und teils auch überregionale Verlegungen von Patienten erforderlich wurden, um die Versorgung aller akut behandlungsbedürftigen Patienten zu gewährleisten. In vielen  Fällen sei das das wirtschaftliche Überleben von Krankenhäusern nur durch die Ausgleichzahlungen ermöglicht worden.

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