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Kölner Chefarzt LützWer Trump narzisstisch nennt, beleidigt die wirklich Kranken

Lesezeit 3 Minuten
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Ist Donald Trump ein Narzisst?

  • Der Kölner Chefarzt und Bestseller-Autor Manfred Lütz ist für seine scharfzüngige Meinung deutschlandweit bekannt.
  • So wettert er unter anderem gegen den Fitness-Kult und Diät-Sadismus, aber der Psychiater gibt auch bewegende Einblicke in die Welt von Süchtigen, Depressiven und Schizophrenen.
  • In seiner KStA-PLUS-Kolumne „Wahn und Sinn – das ganze Leben” antwortet Lütz jede Woche auf eine von Lesern gestellte Sinnfrage. Diesmal widmet er sich Narzissten – Menschen, die nie zufrieden und nie entspannt sind.

Es heißt immer, Narzissten seien am schwersten therapierbar. Stimmt das? Woran liegt das? Und ist Donald Trump jetzt ein pathologischer Narzisst oder nicht?

Tatsächlich ist Narzissmus eine schwere psychische Störung, die einer langwierigen Therapie bedarf. Narzissten sind Menschen, die zur Bestätigung des eigenen prekären und unsicheren Selbst auf ständige Zuwendung von außen angewiesen sind.

Zur Person Manfred Lütz

Manfred Lütz, geb. 1954, ist Psychiater, Psychotherapeut und katholischer Theologe. Der frühere Chefarzt des Kölner Alexianer-Krankenhauses ist auch Mitglied im Päpstlichen Laienrat.

Sie suchen unermüdlich nach Beifall. Nie ist es genug, nie sind sie zufrieden, immer muss es noch mehr sein. Manche verlieren so auf die Dauer ihre Freunde, weil diese es einfach nicht ertragen, immer nur dem Narzissten zuzujubeln, ohne dass der sich für sie wirklich interessiert.

Es dauert, die Krankheit zu erkennen

Bei schwerem Narzissmus kann er das auch gar nicht, weil der unstillbare Bedarf nach Bestätigung des eigenen grandiosen Selbst den Patienten vollauf beschäftigt. So vereinsamen solche Menschen mitunter, und am Ende brauchen sie Therapie, damit sich ihr Sozialverhalten im besten Falle so ändert, dass sie im engeren Sinne beziehungsfähig werden.

Oft dauert es aber sehr lange, bis sie so weit sind, zu erkennen, dass es so nicht weitergeht und dass sie Hilfe brauchen, denn hilfsbedürftig zu sein, ist ja für solche Menschen besonders kränkend. Lernt man solche Menschen in der Therapie kennen, kann man echtes Mitgefühl mit ihnen entwickeln, denn sie können nie mit sich und der Welt zufrieden sein, sie sind nie wirklich entspannt. 

Oft merken sie gar nicht, wie sie sich immer wieder mit ihrer nervenden Selbstbezüglichkeit Beziehungen zu anderen kaputt machen. Krankhafter Narzissmus ist schweres Leid.

Unmoral ist keine Krankheit

Bei Donald Trump aber liegen die Dinge völlig anders. Von Leiden kann bei diesem selbstverliebten Menschen überhaupt keine Rede sein. „Großartig“ findet er sich, und er ist so egozentrisch, dass er sich auch gerne eine Freude damit macht, andere mit dem Ausdruck „großartig“ zeitweilig zu adeln, was aber schon am nächsten Tag ganz anders aussehen kann.

Rücksichtslos setzt er seine persönlichen Interessen durch und es gelingt ihm dabei, dennoch sehr viele Freunde, „Follower“ und Wähler für sich zu begeistern. Irgendein Leidensdruck ist ihm völlig fremd. Es wäre übergriffig, diesen Menschen für krank zu erklären, und die meisten, die ihn für narzisstisch erklären, meinen das ja auch nicht mitfühlend, sondern eher als Beschimpfung. 

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Trump ist nicht narzisstisch. Das zu behaupten, wäre beleidigend für die wirklich kranken Narzissten. Er ist zutiefst unmoralisch – und das ist viel schlimmer, vor allem beim machtvollen Präsidenten der westlichen Führungsmacht.

Keine medizinische, sondern eine politische Herausforderung

Trump hat von seinem Vater gelernt, das Wichtige im Leben seien Geld, Erfolg und Der-Größte-Sein – und dafür könne man sozusagen jede moralische Grenze überschreiten. Genau das tut er völlig schamlos, und je schamloser er das tut, desto mehr gewöhnt sich die Welt an ein Verhalten, das Grundregeln menschlichen Anstands demonstrativ missachtet.

Das Problem Donald Trump ist kein Problem für uns Psychiater, sondern eine Aufgabe für Politiker, Soziologen und Historiker. Denn die Katastrophe ist ja nicht, dass es so einen hemmungslosen Egoisten gibt, solche Leute gab es auch früher, sondern dass so jemand die Mehrheit oder jedenfalls einen Großteil der Wähler der wichtigsten Demokratie der Welt für sich hat einnehmen können.

Haben Sie auch eine Frage an Manfred Lütz?

Schreiben Sie bitte mit Angabe Ihres Namens an: 

luetz-kolumne@dumont.de

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