Kölner Chefarzt Manfred LützWie gehe ich mit den Verwirrten in Straßenbahnen um?

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KVB Stadtbahn

In einer KVB-Bahn erlebt man viele Menschen – bisweilen auch seltsame. 

  • Der Kölner Chefarzt und Bestseller-Autor Manfred Lütz ist für seine scharfzüngige Meinung deutschlandweit bekannt.
  • So wettert er unter anderem gegen den Fitness-Kult und Diät-Sadismus. Aber der Psychiater gibt in seinen Büchern auch bewegende Einblicke in die Welt von Süchtigen, Depressiven und Schizophrenen.
  • In seiner KStA-Kolumne „Wahn und Sinn – das ganze Leben” antwortet Lütz jeden Woche auf eine von Lesern gestellte (Sinn-)Frage.
  • Lesen Sie hier auch weitere Folgen.

Ich fahre oft in der KVB. Wie gehe ich mit den offensichtlich Verwirrten um, die in der Bahn herumpöbeln und wild gestikulieren? Und warum machen die das?

Um das kurz zu beantworten: Das weiß ich auch nicht. Die Leute gehen immer davon aus, dass wir Psycho-Experten den Menschen durchschauen können wie eine Maschine, deren Baupläne wir kennen. Aber Menschen sind niemals ganz durchschaubar, auch psychisch Kranke nicht. Wer herumpöbelt, muss nicht psychisch krank sein, und wer mit den Armen rudert, könnte ein Italiener beim Telefonieren sein. Ich erinnere mich gut, dass ich vor geraumer Zeit auf den Platz einer italienischen Stadt trat, auf dem ein Dutzend Menschen heftig gestikulierend auf die Hauswände einzureden schienen, bis ich bemerkte, dass sie alle über ein in Brusthöhe hängendes Mikrofon ganz normal auf ihrem Handy mit jemandem sprachen.

Zur Person Manfred Lütz

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Manfred Lütz, geb. 1954, ist Psychiater, Psychotherapeut und katholischer Theologe. Der frühere Chefarzt des Kölner Alexianer-Krankenhauses ist auch Mitglied im Päpstlichen Laienrat.

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Jedes auffällige Verhalten für „psychisch krank“ zu halten, verkennt die enorme Variationsbreite menschlicher Ausdrucksmöglichkeiten. Wenn sich zum Beispiel ganz normale, wohlerzogene Menschen betrinken, können auch sie sich sehr wohl dazu hinreißen lassen, herumzupöbeln und wild zu gestikulieren. Und was die Gefährlichkeit betrifft, muss man daran erinnern, dass psychisch Kranke weniger häufig straffällig werden als Normale. Man sollte sich also im Grunde vor Normalen hüten.

Dennoch kann es natürlich sein, dass solche Menschen, die Ihnen da in der KVB auffallen, psychisch krank sind. Es kann zum Beispiel sein, dass sie unter einer Psychose leiden und bedrohliche Stimmen hören, gegen die sie sich zur Wehr setzen. Sie können darüber hinaus auch unter Wahnvorstellungen leiden, können die Welt und die Menschen, denen sie begegnen, als feindselig erleben. 

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Es gibt kein Rezept, wie man mit diesen Situationen am besten umgeht. Das hängt nicht nur von der Eigenart des betreffenden auffälligen Menschen ab, sondern auch von Ihren eigenen kommunikativen Fähigkeiten. Und überhaupt muss man nicht immer eingreifen, wenn jemand sich auffällig verhält. Es gibt Stadtviertel auch in Köln, in denen auffällige Menschen einfach so mitleben, und das tut denen sehr gut.

Oft reichen zur Bewältigung solcher Situationen in der KVB auch gewisse kölsche Sprüche wie: „Jede Jeck es anders“ oder „Dröm Jeck loß Jeck elahns“.

Haben Sie auch eine Frage an Manfred Lütz?

Schreiben Sie bitte mit Angabe Ihres Namens an: 

luetz-kolumne@dumont.de

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