Abo

Kolumne „Alles, was Recht ist“Söder hält sich nicht an rechtskräftige Verpflichtung

Lesezeit 4 Minuten
Markus Söder

Markus Söder im Plenarsaal des Bayerischen Landtags

  • Michael Bertrams war Präsident des Verfassungsgerichtshofs NRW. In der Koliumne „Alles, was Recht ist“ schreibt er über aktuelle Streitfälle sowie rechtspolitische und gesellschaftliche Entwicklungen.
  • In dieser Folge geht es um den Freistaat Bayern und die Frage, ob der Ministerpräsident Markus Söder in Zwangshaft genommen werden kann.
  • Ausgangspunkt ist dessen Weigerung, der rechtskräftigen Verpflichtung des Freistaates, für die Landeshauptstadt München Dieselfahrverbote vorzubereiten sowie in einem Luftreinhalteplan zu veröffentlichen, Folge zu leisten.

Die Christlich-Soziale Union in Bayern hat immer wieder Persönlichkeiten hervorgebracht, die sich durch eine besondere Hartnäckigkeit in der Verfolgung ihrer politischen Ziele ausgezeichnet haben. Zu erinnern ist etwa an den früheren bayerischen Ministerpräsidenten und jetzigen Bundesinnenminister Horst Seehofer mit seiner Forderung nach einer Obergrenze für Flüchtlinge. Oder an Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer und seinen Amtsvorgänger Alexander Dobrindt mit ihrer – im Juni vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) gescheiterten – Pkw-Maut für Ausländer.

In dieser Tradition steht seit dem vorigen Jahr auch Markus Söder, Seehofers Nachfolger im CSU-Vorsitz und an der Spitze der bayerischen Staatsregierung. Seine Hartnäckigkeit manifestiert sich allerdings nicht in einer politischen Forderung. Im Gegenteil: Söder weigert sich vielmehr beharrlich, der von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) vor dem Verwaltungsgericht München rechtskräftig erstrittenen Verpflichtung des Freistaats Bayern Folge zu leisten und für die Landeshauptstadt München Dieselfahrverbote vorzubereiten sowie in einem Luftreinhalteplan zu veröffentlichen. In einer Regierungserklärung vor dem Landtag rechtfertigte Söder diese Weigerung mit den Worten: „Bayern ist Autoland. Wir sind deshalb gegen Fahrverbote.“

EuGH eingeschaltet

Da wiederholte Festsetzungen von Zwangsgeld gegen den Freistaat in Höhe von mehreren Tausend Euro die von Söder geführte Regierung nicht zum Einlenken bewegen konnten, hat die DUH beim Verwaltungsgericht München beantragt, den Freistaat zur Erfüllung seiner Verpflichtung durch die Festsetzung von Zwangshaft zu veranlassen und diese am bayerischen Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) oder am Ministerpräsidenten höchstselbst zu vollstrecken. Das Verwaltungsgericht wies diesen Antrag zurück.

Das hiergegen von der DUH eingeleitete Beschwerdeverfahren hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) ausgesetzt und sich im November 2018 mit einem „Vorabentscheidungsersuchen“ an den EuGH gewandt: Dieser möge klären, ob ein deutsches Gericht nach EU-Recht berechtigt ist, gegenüber Amtsträgern Zwangshaft anzuordnen, wenn der Staat als Dienstherr der Amtsträger zur Fortschreibung eines Luftqualitätsplans rechtskräftig verurteilt worden ist und andere Zwangsmittel zur Durchsetzung dieser Verpflichtung keinen Erfolg erwarten lassen.

Zwanghaft für Maerkus Söder als Druckmittel

Wie wird der EuGH entscheiden? Ich gehe davon aus, dass er dem Ersuchen des VGH entsprechen und die Berechtigung deutscher Gerichte zur Anordnung von Zwangshaft bestätigen wird. Dafür sprechen folgende Gesichtspunkte: Die Missachtung einer rechtskräftigen Gerichtsentscheidung durch den Freistaat Bayern bedeutet eine Erosion von Rechtsstaatlichkeit, die nicht hingenommen werden kann. Das gilt aus Sicht des EuGH umso mehr, als der Freistaat mit seiner Weigerung, Dieselfahrverbote vorzubereiten und in einem Luftreinhalteplan zu veröffentlichen, geltendes europäisches Recht zur Luftqualität und zur Maßgeblichkeit von Grenzwerten bei Luftschadstoffen missachtet.

Das könnte Sie auch interessieren:

Um dagegen wirksam vorzugehen, sind Androhungen und Festsetzungen von Zwangsgeld erkennbar nicht geeignet. Davon ist schon deshalb auszugehen, weil der Freistaat das zu zahlende Zwangsgeld an die eigene Justizkasse zu entrichten hat. Das Geld wandert mit anderen Worten von einer Tasche des Freistaats in die andere. Um in einem Konflikt wie dem vorliegenden dem Recht zum Durchbruch zu verhelfen, bedarf es deshalb eines anderen Vollstreckungsmittels. Als solches kommt allein die an staatlichen Amtsträgern zu vollstreckende Zwangshaft in Betracht.

Androhung von Zwangshaft hätte heilsame Wirkung

Die Möglichkeit zur Anordnung und Festsetzung einer solchen Zwangshaft nach erfolgloser Zwangsgeldfestsetzung bietet der in der verwaltungsgerichtlichen Vollstreckung zur Anwendung kommende Paragraf 888 der Zivilprozessordnung. Als der Gesetzgeber diese Vorschrift schuf, dachte er zwar nicht daran, dass sie auch für staatliche Amtsträger infrage kommen könnte. Nach der Rechtsprechung des EuGH müssen die Mitgliedstaaten der Europäischen Union jedoch für eine effektive Durchsetzung des Unionsrechts sorgen, und die nationalen Gerichte haben eine entsprechend europafreundliche Auslegung nationaler Vorschriften vorzunehmen. Somit spricht alles dafür, die genannte Vorschrift – wie im streitigen Fall – auch auf eine mögliche Zwangshaft für Mitglieder einer Landesregierung anzuwenden.

Ob diese dann am zuständigen Fachminister oder an dem die Richtlinien der Politik bestimmenden Ministerpräsidenten zu vollstrecken wäre, müsste im Vollstreckungsverfahren geklärt werden. Doch wen auch immer es trifft: Schon die bloße Androhung einer Zwangshaft hat mit hoher Wahrscheinlichkeit die heilsame Wirkung, dass das rechtskräftige Urteil dann doch umgesetzt wird.

KStA abonnieren