KommentarDer Impfstoff wird unseren Alltag noch lange nicht zurückbringen

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Maskenpflicht in der Schildergasse, auch am Tag des Veedels. 

  • In NRW werden 53 Impfzentren geplant. Hat der Corona-Spuk also bald ein Ende?
  • Das Problem: Das Land steht vor einer immensen logistischen Herausforderung, die Zeit benötigt.
  • Zudem wirft die Impfung neue Fragen auf. Ein Kommentar.

In der Hoffnung darauf, dass in Kürze ein Covid-19-Impfstoff in ausreichender Menge zur Verfügung stehen wird, um uns von der Corona-Geißel zu befreien, greifen wir jede noch so kleine positive Nachricht begierig auf.

Jetzt, da NRW schon ganz konkret 53 Impfzentren plant und Freiwillige aus Medizin- und Pflegeberufen sucht, muss der Spuk doch bald ein Ende haben. Zwei Impfdosen, zwei kleine Pikser in zeitlichem Abstand – und schon ist alles wieder gut. Sommerurlaub ohne Maskenpflicht, unbeschwerte Restaurantbesuche, das Ende des Homeoffice. Alles zum Greifen nah? Kehrt der Alltag zurück?

Der Aufbau von 53 Impfzentren für 18 Millionen Menschen im bevölkerungsreichsten Bundesland ist eine immense logistische Herausforderung, die alles im bisherigen Pandemie-Verlauf Dagewesene übertrifft, weil der Rest ja weiterläuft: das Bereitstellen von Intensivbetten und Beatmungsplätzen, die Nachverfolgung der Infektionsketten und die Testungen, die durch das Bereitstellen von Schnelltests für Schulen und Kitas erst richtig Fahrt aufnehmen werden. Das alles trifft auf ein Gesundheitswesen, das an der Belastungsgrenze arbeitet.

Und jetzt die Massenimpfung. Immerhin scheint sicher, dass es keine Impfpflicht geben muss. Die Bereitschaft, sich freiwillig impfen zu lassen, ist so hoch, dass man getrost auf alle verzichten kann, die damit ein Problem haben.

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Die Impfung wirft jedoch neue Fragen auf. Die nach der Priorisierung zum Beispiel. Wer wird bevorzugt? Wer muss warten? Und warum? Das Positionspapier, das die Arbeitsgruppe aus Mitgliedern der Ständigen Impfkommission, des Ethikrates und der Wissenschaftsakademie Leopoldina verfasst hat, hält Priorisierungen nach der Dringlichkeit des vorbeugenden Gesundheitsschutzes für gerecht.

Danach gibt es vier Impfziele: 1. schwere Covid-19-Verläufe verhindern, 2. Menschen schützen, die einem hohen Ansteckungsrisiko ausgesetzt sind, 3. vulnerable Personen bevorzugen, 4. Menschen impfen, die in staatlichen Funktionen arbeiten und das öffentliche Leben aufrechterhalten.

Ist das gerecht? Wer ist systemrelevanter? Der Lehrer, der Polizist oder doch der Müllwerker? Die Priorisierung müsse medizinischen, ethischen und rechtlichen Prinzipien folgen und verständlich dargelegt werden, so die Arbeitsgruppe. Eine ähnliche Debatte gab es beim ersten Lockdown. Schützen wir die Alten auf Kosten der Jungen? Noch eine Frage ist ungeklärt. Wie wird der Impfstoff in Europa verteilt? Die EU will garantieren, dass es gerecht zugeht. Aber nach welchen Kriterien? Reicht der bloße Einwohnerschlüssel? Muss die Schwere des Ausbruchs berücksichtigt werden?

Der Impfstoff wird uns bestenfalls ein Stück Normalität ermöglichen. Wie sehr die Pandemie unser Leben verändert, werden wir erst in ein paar Jahren wissen. Er ist Grund zur Hoffnung. Aber nicht zur Euphorie.

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