KommentarWarum die Weihnachtsgeschichte modern ist – und was Greta damit zu tun hat

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Greta Thunberg

Greta Thunberg – Klimaaktivistin oder etwa die große Retterin?

  • Die Weihnachtsgeschichte ist eine feste Tradition zum Fest.
  • Sie stillt unsere Sehnsucht nach einer Person, die als Retter auftritt
  • Ist das heutzutage etwa Greta Thunberg? Unser Leitartikel zu Weihnachten 2019.

Denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.“ In Martin Luthers Übersetzung und Johann Sebastian Bachs Vertonung klingen die Worte der Weihnachtsgeschichte vertraut – und doch fern. Neuere Übersetzungen machen es dem heutigen Hörer leichter und sprechen von einem Retter. Über das Grundproblem der Weihnachtsgeschichte kann aber auch das nicht hinwegtäuschen: Dieser Retter, auf den alle Welt ihre Hoffnung setzen soll, erscheint als Unterschichten-Kind. Die Geschichte seiner Geburt spielt im Prekariat der damaligen Zeit.

Trotz dieser Störung auf der Erzähl-Ebene fasziniert die Weihnachtsgeschichte bis heute. Ungebrochen ist die Sehnsucht, es könnte jemand kommen, der Licht ins Dunkel brächte; der Lösungen hätte für die Probleme unserer Zeit. Dabei wissen wir, dass es auf komplexe Fragen keine einfachen Antworten gibt. Und aus der Geschichte kennen wir die Katastrophen, die selbst ernannte Retter verursacht haben.

Mit dem „Schulstreik“-Schild vor das Parlament

Dass sich die Erwartungen an jemand scheinbar Schwachen binden, ist nichts, was die Christen mit ihrer Geschichte vom Jesuskind für sich alleine hätten. Ein gutes Jahr erst ist es her, dass ein Teenager mit Asperberg-Syndrom sich mit einem Pappschild vors Parlament seines Landes setzte und einen „Schulstreik für das Klima“ ausrief.

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Wenige Monate später ist das Mädchen aus Schweden zur Symbolfigur einer weltweiten Bewegung geworden. Sie spricht auf UN-Konferenzen, löst mit einem einzigen Tweet über eine Zugfahrt mit der Deutschen Bahn emotionalere Debatten aus als offizielle Verspätungsstatistiken. Sie begeistert, und sie nervt.

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Natürlich ist Greta Thunberg keine Retterin. Sie kann nichts und niemanden retten – nicht das Klima, noch weniger die Welt und am wenigstens uns alle vor uns selbst. Aber sie hat es geschafft, dass viele sich fragen: Sind wir denn noch zu retten? Eine wie Thunberg legt unseren Egoismus bloß, den rücksichtslosen Umgang mit den natürlichen Ressourcen, die Bodenlosigkeit unseres Lebensstils. Für manche ist schon das kaum auszuhalten. Aber erinnert die aggressive Abwehr dann nicht doch an die Reaktionen auf den Wanderprediger aus Nazareth mit seinen spinnerten Reden? „Was er sagt, ist unerträglich.“

Sind wir noch zu retten?

Sind wir noch zu retten? Wer diese drängende Frage erst gar nicht an sich heranlassen will, sagt eilends „Ja“ und sucht die Rettung bei den Trumps, den Putins, den Erdogans, Bolsonaros und wie sie alle heißen. Sie spielen mit dem Wunsch der Menschen, dass alles gut wird. Darum genau geht es auch in der Weihnachtsgeschichte. Aber sie hat nichts im Sinn mit denen, die den starken Mann markieren.

Die Rettung, so verkünden es die Engel, kommt von einem Kind in der Krippe. In ihm kommt Gott zur Welt. Man muss diese Botschaft nicht glauben und könnte ihr dennoch etwas abgewinnen: Rettung beginnt im Kleinen. Und wir sind nur zu retten, wenn wir unsere Rettung nicht den Kraftprotzen überlassen.

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