Kommentar zu Lambrechts FlugEin frauenfeindlicher Sturm im Wasserglas

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Christine Lambrecht (SPD) 

Wer in diesen Tagen den Namen „Lambrecht“ bei Google eingibt, bekommt viele Treffer. Neben sachlichen Headlines tauchen da allerdings auch viele andersartige Zeilen auf. „Die Helikopter-Mutter der Nation“, lautete eine Überschrift. „Causa Lambrecht: Wenn eine Verteidigungsministerin am ersten Tag des Kriegs sich die Nägel machen lässt“, wurde ein Podcast betitelt. Und auch die politische Konkurrenz, in Person von CDU-Politiker Paul Ziemiak, konnte nicht vom Flachwitz lassen. „Helikopter-Mutter bekommt jetzt eine ganz neue Bedeutung“, twitterte er. Ein Brüller. Vor ziemlich genau einem Monat geisterten außerdem bereits Titel wie „Soldaten sauer auf Stöckelschuh-Ministerin“ durch die Zeitungen.

Die Bundesverteidigungsministerin steht diesmal in der Kritik, seit bekannt geworden ist, dass ihr Sohn einen Helikopter der Flugbereitschaft nutzte, um mit seiner Mutter in den Osterurlaub nach Sylt zu fliegen. Rechtlich gibt es dagegen keine Einwände – der Mitflug des Sprösslings wurde von der Ministerin ordnungsgemäß bezahlt und ist grundsätzlich nicht verboten. Das Verhalten der Familie Lambrecht, somit auch die Veröffentlichung entsprechender Fotos durch den Sohn auf Instagram, war angesichts der aktuellen Lage daher zwar ungeschickt – mehr aber auch nicht.

Auch Unionsminister nahmen Familienmitglieder im Flieger mit

Die Möglichkeit, Familienangehörige mit auf Dienstreisen zu nehmen wurde in der Vergangenheit zudem auch von anderen Ministern ausgiebig genutzt – so zum Beispiel vom ehemaligen Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU), der wie das „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ berichtet, seine Frau gleich 13 Mal zu Auslandsreisen mitnahm.

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An einen derartigen Sturm der Entrüstung erinnert man sich im Fall des CSU-Politikers allerdings nicht. Das, was nun für viele die Geschichte der Woche war, hat während der Amtszeit des CSU-Manns offenbar keinen hinterm Berg hervorgelockt.

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Keine Frage: Man kann an der bisherigen Arbeit von Christine Lambrecht einiges kritisieren. Seit Kriegsbeginn in der Ukraine gibt die SPD-Politikern selten ein gutes Bild ab. Langsame Waffenlieferungen für Kiew und zumindest gefühlt zu wenig Engagement lassen sich Lambrecht prima vorwerfen. Und natürlich ist auch die Frage erlaubt, ob eine Verteidigungsministerin in Kriegszeiten überhaupt in Urlaub fahren sollte, während Kanzler Olaf Scholz darauf verzichtet hat.

Es geht niemanden etwas an, wie oft Lambrecht ihren Sohn sieht

Dass die Ministerin, wenn sie den Urlaub aber antritt, ihren Sohn sehen will, ist jedoch alles – nur kein Skandal. Vor allen Dingen geht es aber wirklich niemanden etwas an.

In Zeiten, in denen wir uns als Gesellschaft erhoffen, dass auch Eltern wichtige Jobs ausfüllen können, darf man dafür zurecht Verständnis einfordern. Dass in Nordrhein-Westfalen am Sonntag die Landtagswahlen anstehen und sich die CDU ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der SPD liefert, kann die Vehemenz der Empörung in dieser Woche erklären – rechtfertigen kann sie sie aber nicht.

Was wir in diesen Tagen erlebt haben, ist vor allem ein Rückfall in die dunklen Zeiten, in denen es für Presse und politische Konkurrenz noch normal war, weibliche Politikerinnen nicht inhaltlich zu kritisieren, sondern sich mit ihrem Äußeren oder ihrem Privatleben zu beschäftigen – fragen Sie dazu doch mal Ricarda Lang.

Dass diese Zeiten leider noch nicht vorüber sind, hat der frauenfeindliche Sturm im Wasserglas leider mal wieder eindrucksvoll gezeigt.    

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