Kommentar zur KircheVatikan-Fragen zeigen Fallhöhe zwischen Anspruch und Wirklichkeit

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Bischof Schatten

Wie stellt der Vatikan sich einen idealen Bischof vor?

Köln – Ein Fragebogen, von dessen Existenz niemand wissen soll. Fragen, über die man nicht reden darf – schon gar nicht mit denen, um die es in dem Papier geht. So verfährt der Vatikan bei der Kandidatenfindung für das Bischofsamt in der katholischen Kirche. Der jetzt vom „Kölner Stadt-Anzeiger“ öffentlich gemachte Fragebogen der Apostolischen Nuntiatur, der diplomatischen Vertretung des Papstes in Berlin, mit seinen insgesamt 63 Fragen ist ein Ausbund jenes höfischen Selbstverständnisses, das die römische Kirche nicht nur von der Moderne trennt, sondern auch von der Botschaft und vom Auftrag Jesu.

Vor der Weihe von Diakonen und Priestern gibt es im Gottesdienst einen kurzen Dialog zwischen dem Bischof und dem Leiter der Priesterausbildung. „Weißt du, ob sie würdig sind?“, fragt der Bischof seinen Regens. Der antwortet: „Das Volk und die Verantwortlichen wurden befragt. Ich bezeuge, dass sie für würdig gehalten werden.“ Eine Mitwirkung der Gläubigen an der Auswahl der künftigen Amtsträger in der Kirche wird hier zumindest rituell behauptet.

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Vor der Bischofsweihe findet sie sogar real statt. Doch mit der Fragebogen-Aktion als solcher hat es sich dann auch schon mit Beteiligung und Transparenz. „Sub secreto pontificio“, steht auf dem Briefumschlag, der die zwei Blätter mit den 63 Fragen des päpstlichen Nuntius enthält. Was der Vatikan über sein künftiges Führungspersonal wissen will, unterliegt dem strafbewehrten „päpstlichen Geheimnis“.

Grotest übersteigertes Erwartungsprofil

Inhaltlich wirft der Fragebogen ein grelles Schlaglicht auf ein unbalanciertes, dysfunktionales und letztlich inhumanes Amtsverständnis. Einerseits entsteht aus den gestellten Fragen ein grotesk übersteigertes Erwartungsprofil – gipfelnd in der Frage, ob der Kandidat „ein lebendiges Abbild Christi“ sei. Andererseits lauert unter der spirituellen Verbrämung der Eignungskriterien eine beklemmende Angst vor „Kuckuckseiern“ im Nest des Bischofskollegiums. Das wird nicht nur aus den Fragen zur (Sexual-)Moral deutlich, sondern vor allem aus denen nach doktrinärer Linientreue. Abweichende Positionen zu Ehe, Scheidung und Wiederheirat oder zur Priesterweihe für Frauen dürften im Duktus des Fragenkatalogs Killerkriterien sein.

Enorm ist insgesamt die Fallhöhe zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Wie bestimmte Bischöfe nach Durchlaufen dieser Checkliste ins Amt kommen konnten, ist ein großes Rätsel – wenn nicht ein päpstliches Geheimnis.

Was denkt das Volk über den Kandiaten?

Und nicht die Bohne interessiert den Vatikan die eingangs erwähnte Frage aus der Weiheliturgie: Was denkt das Volk über den Kandidaten? Halten ihn die Gläubigen für würdig, ihr Bischof zu werden?

Dass solche Fragen gestellt und in einem geregelten Verfahren beantwortet werden, ist ein Ziel des „Synodalen Wegs“, des laufenden Reformprozesses der katholischen Kirche in Deutschland. In einem ersten Schritt sollte der Apostolische Nuntius, Erzbischof Nikola Eterovic, als ständiger Gast seinen geheimnisumwitterten Fragebogen in der nächsten Synodalversammlung austeilen und die Synodalen um eine revidierte Fassung samt einer Adressliste für künftige Befragungen bitten.  

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