Kommentar zur PräsidentschaftswahlRussland ist angekommen am Ende der Politik

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Russland Wahl Präsidentschaft

Russische Soldaten wählen in der westrussischen Stadt Rostov.

Wladimir Putins Wahlkampf ist eigentlich in die Hose gegangen. Angefangen mit Putins erstem Paukenschlag Mitte Dezember. Da reiste der Präsident nach Syrien, um dort das siegreich Ende des Feldzuges und die Rückkehr seiner Krieger in die Heimat zu verkünden. Danach aber gerieten russische Söldner der Truppe „Wagner“ bei einem Vorstoß an technisch hoch überlegene US-Streitkräfte und wurden zusammengeschossen, es gab Dutzende Tote.

Kurz darauf folgte der nächste Propaganda-Gau, der Absturz einer Transportmaschine beim Landeanflug auf die Luftwaffenbasis Khmeimin, diesmal kamen 39 reguläre russische Militärs um, das Verteidigungsministerium beteuerte hinterher, das Flugzeug sei auf keinen Fall von Rebellen abgeschossen worden.

Bei den olympischen Winterspielen holte Russland nur zwei Goldmedaillen, peinlich für den Landessportvater. Zu allem Überfluss erkältete sich der athletischste Politiker der Welt auch noch, bei seiner Rede zur Lage der Nation, die man als zentrales Wahlkampfereignis inszeniert hatte, hustete er viel, für Hillary Clinton hatte ähnliches bei ihrem letzten Wahlkampf böse Folgen… Und im Moskauer Umland kam es zu Protesten gegen immer größerer und stinkendere Müllberge. Schließlich beschuldigte Großbritannien den Kreml, er stecke hinter dem Nervengiftanschlag auf einen russischen Exagenten in England.

Militärisch blutig geschlagen, im Ausland des Mordes verdächtigt, halbkrank, vor allen TV-Debatten mit der Konkurrenz kneifend, nach den Regeln westlicher Public Relations einen miserabler Wahlkampf.

Russland steht vor dem Ende der Politik

Aber in Russland gelten andere Regeln. Hier ist der Präsidentschaftswahlkampf seit Jahrzehnten ein Bestätigungsritual. Und Wladimir Putin übt schon längst nicht mehr den Beruf eines Politikers aus, sondern den des Nationalen Führers, verantwortlich für alles außer Misserfolge.

Und Wladimir Putin gerät laut ersten Exit Polls mit 73 bis 79 Prozent noch glatter als üblich. Und wie üblich wurde vielerorts manipuliert. Wie übliche wurden öffentliche Angestellte und Studenten an die Wahlurnen genötigt. Aber selbst Oppositonelle gestehen ein, dass die Netto-Mehrheit auch ohne Wahlfrisur hinter Putin steht.

Nach dem Fall der Sowjetunion rief der US-Politiloge Francis Fukuyama das „Ende der Geschichte“ aus: die Regeln der Demokratie würden nun weltweit und ewig regieren. Ein trauriger Irrtum. Nun aber könnte man in Russland das „Ende der Politik“ ausrufen: Wladimir Putin wird uneingeschränkt und ewig regieren.

Putins System wird immer perfekter

Putins Apparat betreibt ein Propaganda- und Repressionssystem, das alle, die dagegen opponieren, marginalisiert, auch kriminalisiert, etwa den liberalen Hoffnungsträger Alexej Nawalny. Oder zum Mitspielen zwingt. Die Gegenkandidaten mochten zwischendurch Kritik üben, aber sie taten das so, dass es Putin nutzte: So erstaunte der Großfarmer Pawel Grudinin als kommunistischer Präsidentschaftskandidat plötzlich mit penetranten Hymnen auf Stalin, die gemäßigte Linkspatrioten in Putins Arme trieben.

Dieses System wirkt immer perfekter, erlaubt inzwischen sogar mehrfache Stimmabgaben, nach Angaben der Wahlbehörden filtern die Computer dann die erste gültige heraus.

Aber je perfekter ein System funktioniert, umso weniger Begeisterung produziert es oft. Putins Propaganda lärmt schon jetzt am Limit, Feindschaft zum Westen und neue russische Atomraketen wurden zu Hauptthemen des Wahlkampfes, schon drohen russische Politologen, England „von der Landkarte zu radieren“. Dieses Rasseln mit Nuklearsprengköpfen und Wunderpanzerketten aber mag den Durchschnittsrussen, die in den „heroischen Jahren nach der Krim“ über ein Viertel ihres Einkommens eingebüßt haben, irgendwann auf die Nerven gehen. Auch Propaganda verschleißt sich.

Krieg als Mittel der Politik

Es ist offensichtlich, dass Putin Krieg als neues Lieblingsmittel seiner Politik entdeckt hat. Aber die Gesellschaft steht nur zum Wählengehen vom Sofa auf, die blutigen Verluste in Syrien sind auch deshalb kaum ein Thema, weil der Masse der Russen der Feldzug dort sehr gleichgültig ist. Sie hat sich an Putin als Garant von Stabilität und eines gewissen Wohlstandes gewöhnt, Krieg wollen auch die Russen nicht.

Statt der nationalen Aufbruchstimmung, die Putins PR seit Jahren beschwört und anheizt, herrscht in Russland Wirtschaftsstagnation, Apathie, Flucht auf die Datscha. Die Unterstützung für Putin ist inzwischen ziemlich passiv. Wenn die Russen irgendwann wieder aktiv werden, dann könnte diese Unterstützung in etwas ganz anderes kippen.

Auch das russische „Ende der Politik“ nicht ewig dauern. Und der Wahlsieger sollte irgendwann etwas gegen die stinkenden Müllgebirge rund um seine Hauptstadt unternehmen. Es wäre wirklich zu dumm, wenn so eine stinkende Nebensächlichkeit zum Anlass würde, dass die Moskauer wieder gegen Putin auf die Straße gehen. 

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