Kommt der „Mega-Lockdown“?Wo noch Verschärfungen der Corona-Maßnahmen möglich sind

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Lockdown

Neben Lokalen haben seit Beginn des harten Lockdowns auch Geschäfte geschlossen. 

Berlin – Bislang ist es mit dem Lockdown in Deutschland nicht gelungen, die Neuansteckungen mit dem Coronavirus auf die angestrebten unter 50 Fälle pro 100 000 Einwohner und Woche (7-Tage-Inzidenz) zu drücken. Zwar ist der Wert auf 146 gesunken, von knapp 200 in der Vorweihnachtszeit. Das Robert Koch-Institut weist aber darauf hin, dass die Daten wegen des Jahreswechsels erst in einigen Tagen wieder belastbar sind. Gleichzeitig gibt es Sorgen vor ansteckenderen Virus-Mutationen, die die Zahlen wieder in die Höhe treiben könnten.

Vor diesem Hintergrund ziehen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder ihre eigentlich erst für den 25. Januar geplanten nächsten Beratungen auf kommenden Dienstag vor. Es ist die mittlerweile 16. Corona-Krisenrunde dieser Art. Kommt nun der „Mega-Lockdown“? Und an welchen Stellschrauben könnte die Politik theoretisch noch drehen?

Hier sind Verschärfungen noch möglich

Bewegungsfreiheit: In Deutschland ist diese momentan noch nicht so stark eingeschränkt. Es gibt teilweise nächtliche Ausgangsbeschränkungen. In Frankreich dagegen dürfen die Menschen in den kommenden beiden Wochen zwischen 18.00 Uhr und 6.00 Uhr nicht mehr das Haus verlassen. Auch Geschäfte müssen schon um 18.00 Uhr schließen. Es gibt nur wenige Ausnahmen. In Italien dürfen die Menschen in Hotspots grundsätzlich nur noch einmal am Tag das Haus verlassen - und das maximal zu zweit. Auch in Deutschland könnten die Vorgaben verschärft werden. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte kürzlich „drastische Ausgangssperren“ ins Gespräch gebracht, für den Fall dass die Lage „richtig aus dem Ruder läuft“.

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„Ein-fester-Freund-Regel“? Bei der letzten Videoschalte vereinbarten Merkel und die Länderchefs, dass man sich nur noch mit einer Person eines anderen Haushalts treffen darf. Nun prüft das Kanzleramt angeblich eine weitere Verschärfung. Der „Business Insider“ berichtet, dass die eine haushaltsfremde Person, die man noch treffen darf, nun nicht mehr wechseln soll. Aus der „Ein-Freund-Regel“ könnte eine „Ein-Fester-Freund-Regel“ werden, schreibt das Magazin. Auch hier würde aber wie immer gelten: Wie es dann wirklich ist, wird in der jeweiligen Corona-Verordnung der Länder festgeschrieben, die selbst zuständig für die Regelungen sind. Und da gibt es immer wieder Unterschiede.

FFP2-Maskenpflicht: Eine Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in Bussen, Bahnen und Geschäften gilt schon seit Monaten - aber egal, ob es Alltagsmasken aus Stoff sind, Profimasken für Mediziner, Schals oder Tücher. Bayern ist jetzt vorgeprescht, FFP2-Masken zum Standard zu machen. Vielleicht ziehen andere Länder nach. FFP2-Masken filtern Partikel wirksamer aus ein- und ausgeatmeter Atemluft, bieten aber auch keinen 100-prozentigen Schutz. Anders als zu Beginn der Pandemie sind Masken nicht mehr knapp. Aber kann sie sich jeder leisten, auch ohne sie zu lange zu tragen? Für rund 27 Millionen Menschen aus Corona-Risikogruppen finanziert der Bund schon bis zu 15 FFP-2Masken für den Winter - Kosten: 2,5 Milliarden Euro.

ÖPNV: In vielen Bussen, Bahnen und Straßenbahnen ist es inzwischen leerer. Die Politik dringt darauf, dass noch mehr Menschen von zu Hause aus arbeiten, alle können es aber nicht. Die Krankenschwester, Altenpfleger oder die Verkäuferin müssten zur Arbeit kommen, heißt es beim Bahn-Lobbyverband Allianz pro Schiene. Stellschrauben könnten etwa noch entzerrte Stoßzeiten sein. Zusätzliche Fahrzeuge - zumal für wenige Kunden - ließen sich kaum auf die Schnelle organisieren. Um ein Einstellen des Nahverkehrs gehe es aber nicht, stellte die Bundesregierung klar. In Fernzügen sollen Reservierungen gezielter möglich sein, eine Reservierungspflicht gibt es aber weiterhin nicht.

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Kitas, Schulen, Abschlussklassen: Bisher gilt nicht überall, dass Schulen und Kitas komplett geschlossen sind. In mehreren Bundesländern sind die Einrichtungen grundsätzlich auf, aber die Anwesenheitspflicht ist aufgehoben, und Eltern werden gebeten, ihre Kinder zu Hause zu lassen. Wem das nicht möglich ist, der kann zumindest kleine Kinder zur Betreuung in Grundschule und Kita schicken. Vielleicht werden die Regeln hier noch einmal verschärft. „Kindergärten komplett runterfahren, Schulen abschließen“, schlug Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) in der ZDF-Sendung „maybrit illner“ vor.

Pflegeheime: In Pflegeheimen gibt es besonders viele Todesopfer. Die Einrichtungen müssten besser geschützt werden, fordert der Präsident des Robert Koch-Instituts, Lothar Wieler. Auch hier schlägt Sachsens Ministerpräsident Kretschmer härtere Regeln vor: „Betretungsverbote in den Pflegeheimen, wenn kein negativer Schnelltest vorliegt - solche Dinge müssen wir besprechen.“ Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, wirft Bund, Ländern, Gemeinden und auch Einrichtungen vor Ort ein Versagen beim Schutz der Bewohner vor.

Homeoffice-Anteil war im Frühjahr höher

Arbeiten im Homeoffice: Für viele Beschäftigte ist das seit Monaten Realität. Doch nach übereinstimmender Auffassung steckt hier aber noch viel Potenzial. Die Bundesregierung betont, dass beim ersten Lockdown im Frühjahr der Homeoffice-Anteil höher als jetzt gewesen sei. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier appellierte am Freitag an Unternehmen, Personalverantwortliche und Führungskräfte: „Ermöglichen Sie das Arbeiten von zu Hause aus.“ Sein Rat an die Beschäftigten: „Gehen Sie nicht ins Büro, wenn Sie nicht zwingend müssen.“ Zuletzt waren auch Rufe nach einer Homeoffice-Pflicht laut geworden. Dazu sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag aber, derzeit stehe „keine zwingende Regelung auf der Tagesordnung“.

Grenzkontrollen: Theoretisch wären auch wieder Grenzkontrollen möglich. Damit ließe sich auch besser überprüfen, ob sich Einreisende aus Corona-Risikogebieten an die Testpflicht halten. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte Kontrollen im März 2020 vorübergehend angeordnet. Wegen langer LKW-Staus und praktischer Probleme im kleinen Grenzverkehr gab es aber immer wieder Beschwerden von Ministerpräsidenten und Abgeordneten aus den betroffenen Bundesländern. Im Juni wurden die Kontrollen an den deutschen Grenzen beendet. „Die Wiedereinführung von Grenzkontrollen ist derzeit nicht geplant“, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums auf Anfrage. (dpa)

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