Lehrer-Kritik„Regelunterricht ist Wunschdenken, eine Maske pädagogisch unsinnig“

Lesezeit 3 Minuten
Neuer Inhalt

Die Lehrergewerkschaft GEW kritisiert die Maskenpflicht als „pädagogisch unsinnig“ und fordert alternative Maßnahmen von der NRW-Landesregierung. 

  • Die Lehrer-Gewerkschaft GEW hält die Maskenpflicht in NRW-Schulen für „pädagogisch unsinnig“ und die Annahme von Regelunterricht ab Mittwoch für eine „Illusion“ der Landesregierung.
  • Die Gewerkschaft geht von einem eklatanten Lehrermangel aus. Die Gewerkschaft drängt zudem auf eine Diskussion über den versäumten Schulstoff, der im neuen Schuljahr keineswegs aufzuholen sei.
  • Von NRW-Familienminister Joachim Stamp fordert die GEW eine Entschuldigung nach seinen Äußerungen über „monatelang abgetauchte“ Lehrer.
  • Lesen Sie hier alle Kritikpunkte der Gewerkschaft an den Plänen der Landesregierung – und deren Alternativvorschläge.

Düsseldorf – Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat „große Bedenken“ angesichts des bevorstehenden Schulstarts in NRW. Viele Lehrer und Schulen klagten über unzureichende Ausstattung und Vorbereitung, kritisierte die Landesvorsitzende Maike Finnern auf einer Pressekonferenz in Düsseldorf und im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Die GEW vertritt rund 280 000 Mitglieder, die in pädagogischen und wissenschaftlichen Berufen arbeiten.

Maskenpflicht in Schulen

Die GEW lehnt die Maskenpflicht im Unterricht ab. Diese sei „pädagogisch unsinnig“ und stelle eine große Belastung für die Schüler dar. „Schule ist Kommunikation und nicht vergleichbar mit einer Maskenpflicht in Supermärkten oder öffentlichen Verkehrsmitteln“, so Finnern. NRW gehe diesbezüglich einen „Sonderweg“, kein anderes Bundesland sehe die Maskenpflicht auch in Klassenzimmern in dieser Form vor.

Finnern räumt allerdings ein, dass die Maskenpflicht in normal besetzten Klassen alternativlos sei. „Hätte die Landesregierung rechtzeitig andere Maßnahmen erwogen, wäre die Maskenpflicht aber nicht nötig gewesen“, so ihre Kritik. Man hätte sich deutlich mehr um die Anmietung externer Räume bemühen müssen. Die GEW plädiere für Unterricht auf Abstand, eine Entzerrung der Schüler, um den Präsenzunterricht an Schulen so lange wie möglich aufrecht erhalten zu können. Die favorisierte Lösung: „Hybrid-Unterricht“, eine Aufteilung der Klassen, die im Wochenwechsel Präsenz- und digitalen Unterricht haben. Außerdem sprach sie sich für Co2-Ampeln in den Klassen aus, Ampeln, die anzeigen, wenn die Aerosol-Konzentration steigt. Unterricht im Freien bis in den Herbst hält Finnern für eine gute Lösung – weil dann auf die Maskenpflicht verzichtet werden könne. Realistischerweise werde dies aber nicht an allen Schulen möglich sein.

Das könnte Sie auch interessieren:

Fehlende Lehrkräfte

Die Gewerkschaft geht davon aus, dass ein Fünftel der Lehrkräfte zum Schulstart nicht zur Verfügung stehen wird. Schon vor den Corona-bedingten Ausfällen der Risikogruppen seien zahlreiche Lehrkräfte erkrankt und viele Stellen unbesetzt gewesen. An manchen Schulen sei für das kommende Schuljahr sogar davon auszugehen, dass bis zu 30 Prozent der Lehrer fehlten. Es sei schon deshalb reines „Wunschdenken“ der Landesregierung, Unterricht nach Stundenplan vorzugeben, die Annahme von Regelunterricht eine „Fiktion“.

Corona-Test fürs Lehrer

Als „ministerielles Wunschdenken“ bezeichnet Finnern auch die Ankündigung von Corona-Tests, denen sich Lehrer künftig freiwillig unterziehen können. „Es ist absehbar, dass die Kapazitäten nicht reichen werden, wenn auch nur ein Teil der beispielsweise 5000 Lehrer in Dortmund die Tests nachfragt.“

Kritik am Familienminister

Die GEW fordert eine Entschuldigung von NRW-Familienminister Joachim Stamp. Dies hielt sie für „angemessen“, so Finnern, zumal der Minister seine Kritik an Lehrern, die vor den Ferien monatelang abgetaucht seien, erneut bekräftigt habe. Sie kritisierte die „pauschale Verunglimpfung einer Berufsgruppe. Lehrkräfte haben in ihrem Alltag das Beste daraus gemacht. Wenn jemand seinen Dienst nicht gemacht haben sollte, muss das vor Ort geklärt werden.“ „Lehrer-Bashing“ sei nicht hilfreich. „Diese Form des Umgangs und der mangelnden Wertschätzung ist äußerst fragwürdig.“

Notfallpläne für Schulen

Noch immer hätten die Schulen in NRW im Gegensatz zu anderen Bundesländern keine Richtschnur für einen Stufenplan, obwohl dies vor den Ferien eingefordert worden sei. „Was passiert, wenn der Regelunterricht wegen Infektionen unter Schülern wieder ausgesetzt werden muss? Was ist dann Plan B?“ Angesichts der hohen Durchmischung der Klassen vor allem in höheren Stufen mit Wahlkursen reiche wohl ein infizierter Schüler aus, um sämtliche Schüler testen lassen zu müssen.

Ausgefallener Lernstoff

Es werde im neuen Schuljahr nicht gelingen, den versäumten Unterrichtsstoff nachzuholen, so Finnern. Im Gegenteil müsse man davon ausgehen, dass auch der Stoff des neuen Schuljahrs unter den erschwerten Bedingungen nicht eingelernt werden könne. „Was also machen wir mit dem Lehrplan im nächsten Jahr?“ Darüber müssen man offen sprechen. Auch dürfe der Druck auf die Schüler nicht zu groß werden, dass alles aufgeholt werden müsse – unter anderem durch weitere angepasste Prüfungen. Falls die Pandemie noch lange andauern sollte, dürften auch Überlegungen bezüglich eines zusätzliches Schuljahrs nicht tabu sein.

KStA abonnieren