LKA-Chef Wünsch im Interview„Impfpassfälschung ist ganz einfach“

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Ingo Wünsch GRÖNERT

Ingo Wünsch

Düsseldorf – Herr Wünsch, Sie sind jetzt ein Jahr im Amt. Haben Sie schon bereut, den Posten übernommen zu haben? 

Ingo Wünsch: Nein, ich habe es nicht einen Tag bereut. Ich fahre immer noch mit großer Lust nach Düsseldorf und bin stolz darauf, dieses Haus als Direktor leiten zu dürfen.  

Angesichts der 2G-Regelungen kursieren immer mehr gefälschte Impfpässe. Haben Sie auch beim LKA deutlich mehr mit solchen Fälschungen zu tun? 

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Wer Impfpässe fälscht, verhält sich sozialschädlich und menschengefährdend. Das ist eine Straftat, meiner Ansicht nach eine moralisch ganz üble. Nebenbei ist sie total unnötig: Wozu einen gefälschten Impfpass? Lass dich impfen, dann brauchst du das Ding nicht. In der Sache hatten wir vermehrt Verfahren und haben auch schon Verfahren hier im Haus dazu geführt. Wir konnten aber noch keine strukturierte Impfpassfälschungszentrale feststellen, weil die Fälschung so einfach ist. Man braucht beim Impfpass nicht dieselbe Qualität wie bei einer Passfälschung oder einer Geldfälschung.  

Ist also eine bessere Verifizierung von Impfzertifikaten nötig? 

Der Weg muss dahingehen, auch wenn man einen europaweiten, fälschungssicheren Impfpass nicht von heute auf morgen erstellen kann. Die Pandemie wird uns schließlich noch länger erhalten bleiben. Ich bin überzeugt, dass künftig das Impfzertifikat bei einem Menschen gleichbedeutend ist mit der Wichtigkeit eines Personalausweises. Genau dort wird man auch die Sicherheitsstandards ansetzen müssen. Wir kommen an einem fälschungssicheren Impfzertifikat, mit vergleichbaren Sicherheitsmerkmalen wie bei Bargeld und Passpapieren, in Zukunft nicht vorbei.  

Die Kriminalpolizei leidet unter Personalmangel. Welche Aufgaben bleiben liegen? Wer Menschenhandel aufdecken will, muss sich ins Milieu begeben...  

Kontrollkriminalität wird nach wie vor ernst genommen und dort setzen wir noch immer Beamtinnen und Beamte ein. Gerade bei Missbrauchsabbildungen im Netz sind wir sehr aktiv, auch eine Drogenszene kann in einer Großstadt nicht geduldet werden. Aber: Mehr Personal, mehr Möglichkeiten.  

Bleiben sogenannte Bagatelldelikte wie Diebstahl und Betrug eher liegen? 

Wir dürfen diese Delikte nie aus den Augen verlieren und das tun wir auch nicht. Als mein Vater 80 Jahre alt war, wurde ihm sein Fahrrad gestohlen. Da sagte er: Hör mal, du bist doch bei der Polizei ein hohes Tier. Was tust du, damit mein Fahrrad zurückkommt?  

Und, ist es wieder aufgetaucht? 

Nein. Aber trotzdem trinken wir beide noch immer gerne ein Bier zusammen.  

Junge Leute, die von einer Karriere bei der Kripo träumen, müssen erst eine dreijährige Einheitsausbildung durchlaufen und meist zur Einsatzhundertschaft. Glauben Sie nicht, dass sich viele Anwerber durch diese Ochsentour abschrecken lassen? 

In den drei Jahren lernen sie drei Bereiche der Polizei kennen: Kriminalistik, Verkehr sowie Gefahrenabwehr und Einsatz. Es ist keine Ochsentour, breitere Teile der Polizei kennenzulernen, ich halte das für wichtig. Nach der Ausbildung kann sich jeder in seinen Bereich mit Fortbildungen einarbeiten. Ein Kriminalbeamter muss nicht Zeit seines Lebens Kriminalbeamter bleiben, der kann ja wechseln. Die Spezialisten die bei uns arbeiten, zum Beispiel IT-Forensiker, sind ja nicht alle Polizisten, sondern in ihrem Bereich Experten. Die Kriminalpolizei ist Teil der Polizei NRW – ich bin ein absoluter Gegner davon, sie als gesonderte Polizei zu betrachten.  

Die Aufklärungsquote sank, als die Einheitsausbildung eingeführt wurde. Sehen Sie da einen Zusammenhang? 

Nein. Momentan geht die Aufklärungsquote hoch, weil die Zahl der schwer aufklärbaren Delikte zurückgeht. Daran sieht man: Eine Aufklärungsquote ist kein absoluter Gradmesser dafür, ob wir eine gute oder schlechte Kripo haben.  

In Köln wird gegen sechs Polizisten disziplinarrechtlich ermittelt, weil sie sich in Chats über Gewalttaten, die sie im Dienst begangen haben, austauschten. Wie kann es sein, dass Menschen mit so einer offensichtlichen Gewaltaffinität im Staatsdienst tätig sind? Und wie kann das erst auffallen, wenn sie ihre Taten in Chats schreiben? 

Ich kenne die Chatinhalte nicht. Aber ich sage sehr deutlich: Gewaltaffinität hat in der Polizei nichts zu suchen. Die Polizei ist nicht gewaltaffin, sondern versucht, Gewalt zu verhindern. Die stärkste Waffe, die wir haben, ist unsere Kommunikationsfähigkeit, unser Mundwerk. Wenn es Menschen in der Polizei gibt, die diese Grundauffassung nicht teilen, dann sollten sie sich überlegen, ob sie im richtigen Beruf sind und für mich gehören sie auch nicht zu uns.

Wie kann man verhindern, dass solche Menschen in den Polizeidienst kommen? 

Sie können keinem Menschen in den Kopf gucken. Aber gerade nach den Chatgruppen in Essen und Mülheim müssen wir junge Kolleginnen und Kollegen intensiver an die Hand nehmen und begleiten. Es darf nicht sein, dass nach der Ausbildung der Austausch abbricht. Wir brauchen eine fortlaufende Kommunikation darüber, was die Grundwerte der Polizei sind, um etwaige Entwicklungen schon im Keim zu ersticken. Aber ich bin absolut überzeugt: Der größte Anteil der Polizei ist rechtschaffend und professionell, solche Sachverhalte sind schlimme Einzelfälle  

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Nochmal zum Personalmangel: In Essen musste die Bereitschaftspolizei Kinderpornografie auswerten. Das muss aber schon die Ausnahme bleiben, oder? 

Das ist nicht der Standard. Aber auch Bereitschaftspolizisten sind vollausgebildete Polizeivollzugsbeamte und wenn man bei einem Missbrauchsskandal eine Gefahr für andere Personen vermutet, dann müssen wir sehr, sehr schnell große Datenmengen auswerten. Jeder Polizist kann einen Missbrauch auf einer Abbildung oder in einem Chatverlauf erkennen. Wenn es irgendwo brennt, dann werden Ressourcen verschoben – so funktioniert Polizei und das macht sie aus. 

Wie viel mehr Ressourcen, wie viel mehr Personal brauchen Sie denn? 

Letzten Endes entscheidet das der Haushalt der Landesregierung. In den vergangenen viereinhalb Jahren hatten wir eine Einstellungsoffensive bei der Polizei und fünfhundert Tarifbeschäftigte jedes Jahr – das ist ein Riesenschluck aus der Personalpulle. An diesem Zuwachs müssen wir festhalten.  

Ihre Vorgänger waren nicht so lange im Amt. Wie lange wollen Sie den Job behalten? 

Ich beabsichtige, das Landeskriminalamt zu führen bis ich mit 62 Jahren in Rente gehe. Das ist in fünfeinhalb Jahren

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