Lockdown-Debatte im LandtagCDU und SPD überbieten sich mit haltlosen Vorwürfen

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Armin Laschet bei der Sondersitzung des Landtages an diesem Dienstag. 

Düsseldorf – Björn Kufahl ist der Geschäftsführer des „SPD-Reiseservice“, der neben dem Willy-Brandt-Haus in Berlin ansässig ist. Das Unternehmen bietet SPD-Mitgliedern preiswerte Urlaubsfahrten an, bei denen es neben der Erholung auch um politische Bildung geht. Kufahl hatte am Dienstag mit einem ruhigen Arbeitstag gerechnet. Doch ab 11.30 Uhr stand sein Telefon nicht mehr still.

Auslöser dafür war die Debatte im Landtag über den Lockdown. Dort erhob CDU-Fraktionschef Bodo Löttgen schwere Vorwürfe gegen die SPD-Touristik. Die würde im Internet Rhein-Kreuzfahrten zu Weihnachten „zum Knüllerpreis“ anbieten: „Die Genossen schippern an den Krankenhäusern vorbei, in denen Menschen um ihr Leben ringen“, empörte sich Löttgen.

Pannen bei SPD und CDU

Mit dem „Burgfrieden“ zwischen Regierung und Opposition, der noch beim ersten Lockdown im Frühjahr eingehalten wurde, ist es lange vorbei. In der Sondersitzung des Landtags schlugen die Wellen hoch. Kaum hatte der CDU-Fraktionschef den SPD-Reiseservice an den Pranger gestellt, holte SPD-Oppositionsführer Thomas Kutschaty zum Gegenschlag aus. Löttgens Auftritt sei „schäbig und völlig daneben“ gewesen. „Wie können Sie in einer solchen Phase der Pandemie unterstellen, die SPD würde Spaßkreuzfahrten auf dem Rhein machen? Das ist eine Unverschämtheit.“

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Die CDU hätte durch einen Anruf herausfinden können, dass die Reisen längst abgesagt seien. Dass die Angebote immer noch im Internet auftauchten, sei eine „bedauerliche Panne“, erklärte Geschäftsführer Kufahl. Dem Foul der CDU folge die Revanche der Genossen. Ein „Reiseteam der Union“ biete ebenfalls Veranstaltungen an, erklärte Kutschaty. Auch für diese Empörung gab es aber keinen Grund. Das „Union-Reiseteam“ hat mit der CDU nichts zu tun.

Van Laack Auftrag riss Graben zwischen die Parteien

Ursache für das vergiftete Klima zwischen Regierung und Opposition sind die harten Angriffe der vergangenen Wochen. Die SPD hatte Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) unterstellt, er habe die Modefirma Van Laack bei der Vergabe eines Auftrags zur Herstellung von zehn Million Schutzkitteln begünstigt. Laschet-Sohn Johannes, der gelegentlich für das Unternehmen gegen Honorar als Influencer tätig ist, hatte den Kontakt hergestellt. Neben den Kitteln hatte die Textilfirma auch zwei Aufträge der NRW-Polizei über je 1,25 Millionen Alltagsmasken aus Stoff bekommen.

Die Uni-Klinik Essen hat rund 40 000 Schutzkittel von Van Laack aussortiert, weil sie den Qualitätsanforderungen nicht entsprächen. Sie würde beim „Anziehen zu schnell reißen“, teilte die Klinik mit. Die Auftragsvergabe beschäftigt inzwischen die Vergabekammer Rheinland, teilte die Bezirksregierung Köln am Dienstag mit. Die soll prüfen, ob Laschet sich falsch verhalten hat.

Laschet und Stamp stehen hinter Gebauer

Für Verärgerung hatten auch die Rücktrittsforderungen von SPD und Grünen an NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer gesorgt. Kutschaty warf der FDP-Politikerin vor, die Schulen durch kurzfristige Informationen ins Chaos gestürzt zu haben. Mit ihrer Kritik an dem Vorschlag der „Leopoldina“, die Schulen sofort zu schließen, habe Gebauer „die älteste Akademie der Welt in den Schmutz gezogen“, so der SPD-Fraktionschef.

Laschet stellte sich demonstrativ vor die Politikerin aus Köln und dankte Gebauer „von ganzem Herzen“. Die Schulministerin sei bundesweit die Stimme dafür gewesen, Schulen so lange wie möglich offen zu halten, um Bildungsgerechtigkeit für alle zu wahren. „Wenn die Infektionszahlen es zulassen, werden die Schulen die ersten sein, die wieder vollständig öffnen“, versprach der Ministerpräsident.

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Auch Familienminister Joachim Stamp (FDP) verteidigte seine Parteifreundin. Fernunterricht benachteilige vor allem Schüler, denen die Eltern nicht gut helfen könnten. Ihnen Zugang zu Bildung zu ermöglichen, sei früher ein Anliegen der SPD gewesen.

SPD verlangt Erstattung der Kita-Gebühren

Die schwarz-gelbe Landesregierung hat für die Erstattung von Elternbeiträgen in der Zeit des ersten Lockdowns im Frühjahr, auf den ein eingeschränkter Regelbetrieb folgte, insgesamt 91,1 Millionen Euro ausgegeben. Das geht aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage der SPD im Landtag hervor, die dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt.

Die Erstattungen seien für die viele Eltern eine große Entlastung gewesen, sagte SPD-Familienexperte Dennis Maelzer unserer Zeitung. „Leider kommt die Landesregierung ihrer Verantwortung in dieser zweiten Welle nicht in vergleichbarer Form nach“, kritisierte der Landtagsabgeordnete. Über 1800 Kitas in NRW seien zeitweise coronabedingt entweder ganz oder in Teilen geschlossen gewesen. „Von der sogenannten Bildungsgarantie, die Herr Stamp den Familien gegeben hat, kann also keine Rede sein“, sagte Maelzer.

Tatsächlich stünden Tausende Eltern regelmäßig vor verschlossenen Kita-Türen und müssten weiter dafür zahlen. „Kita-Beiträge stellen für viele Familien in NRW ohnehin eine große Belastung für das Familieneinkommen dar“, sagte der SPD-Politiker. „Wir erwarten, dass die Landesregierung die Beiträge für die entfallenden Leistungen erstattet.“ Ein entsprechender Antrag wurde jedoch von CDU und FDP abgelehnt. 

Auch die Eltern, die ihre Kinder an einer Offenen Ganztagsschule (OGS) betreuen lassen, hatten Gebühren von der Landesregierung zurückerhalten. Wie aus der Antwort auf die Kleinen Anfrage der SPD hervorgeht, wurden dafür aus dem NRW-Haushalt zwischen April und Juli 35,4 Millionen Euro bereit gestellt.   

Stamp räumte in der Debatte auch Kommunikationsfehler der Landesregierung in der Corona-Krise ein. Die Notwendigkeit, innerhalb weniger Stunden Entscheidungen treffen zu müssen, mache anfällig für Fehler. Die schwarz-gelbe Regierung habe „nicht in der Souveränität kommuniziert, wie es unser eigener Anspruch ist“. (mit dpa)

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