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Mallorca-AffäreDer Absturz der NRW-Umweltministerin Heinen-Esser

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Heinen-Esser 070422

Ursula Heinen-Esser 

Düsseldorf – Die Einladung kam überraschend. Am Donnerstag, um 16.45 Uhr, kündigt NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) ein kurzfristiges Statement vor dem Sitzungssaal der CDU-Fraktion an. „In dem Moment war allen klar, dass die Ministerin jetzt doch noch ihren Rücktritt erklären würde“, sagte ein Mitglied der CDU-Landtagsfraktion dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Schon am Vormittag hatte die Politikerin aus Köln die Journalisten zu einer Stellungnahme in den Landtag eingeladen. Da erklärte sie aber noch, weitermachen zu wollen.

Um 17.30 Uhr zieht Heinen-Esser dann den Schlussstrich. Zu groß war der Druck auf die Ministerin im Laufe des Tages geworden. Offenbar fehlte am Ende wohl auch die nötige Rückendeckung von NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), der sich am Mittwoch bei der Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin aufhielt. Seit 2018 war Heinen-Esser für die Umweltpolitik in NRW zuständig. 38 Tage vor der Landtagswahl ist sie jetzt zurückgetreten. Auch ihre Vorgängerin, Christina Schulze Föcking, hatte das Amt nach einer Affäre vorzeitig aufgegeben, um ihre Familie zu schützen.

„Kölner Stadt-Anzeiger“ berichtet über neue Erkenntnisse

Am Mittwochabend hatte der „Kölner Stadt-Anzeiger“ über einen bislang unbekannten Vorgang berichtet. Dabei geht es um die umstrittene Mallorca-Reise der Ministerin in der Hochphase der Flutkatastrophe vom vergangenen Sommer. Am 23. Juli kam es auf der Balearen-Insel zu einer Zusammenkunft von hochrangigen CDU-Politikern. NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach, Europaminister Stephan Holthoff-Pförtner und die damalige NRW-Integrationsstaatssekretärin Serap Güler trafen sich, um den Geburtstag des Ehemanns von Heinen-Esser zu feiern.

Die Umweltministerin hatte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ bestätigt, dass man sich in diesem „kleinen Kreis“ auf Mallorca getroffen habe. „Als die Nachricht sich kurz vor Mitternacht im Plenum verbreitete, ging ein Raunen durch den Saal“, berichtet ein Teilnehmer. „Auch der CDU war klar, was diese Meldung für eine Sprengkraft haben könnte. Da hat man ja sofort eine Vorstellung im Kopf, die einen fatalen Eindruck erzeugt“, so der Abgeordnete.

Auswirkungen „völlig verkannt“

Das Bild sieht so aus: Während zigtausend Menschen in NRW unter den Folgen der Flut leiden, findet zeitgleich eine entspannte Feier von Entscheidungsträgern auf Mallorca statt. Niemand könne Heinen-Esser übel nehmen, dass sie den Geburtstag ihres Mannes gefeiert habe, heißt es hinter vorgehaltener Hand in der CDU-Landtagsfraktion. Offenbar sei die Zusammenkunft mit den politischen Freunden schon länger geplant gewesen. Es sei aber falsch gewesen, an dem Treffen festzuhalten. „Die haben völlig verkannt, welche Außenwirkung so eine Feier hat, wenn das ans Licht kommt“, heißt es.

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Erst viel zu spät, als der Untersuchungsausschuss des Landtags, der die Pannen im Krisenmanagement zur Flut aufarbeiten soll, seine Arbeit aufnahm, sei den Teilnehmern an der Geburtstagsrunde die mögliche Brisanz ihres Treffens bewusst geworden, vermutet die Opposition. Deswegen soll Heinen-Esser den Ausschuss bei der Befragung zu dem Mallorca-Aufenthalt getäuscht haben. Ein „echter Skandal sollte unter der Decke gehalten werden“, sagte Thomas Kutschaty, Chef der SPD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag, und sprach von einem „Mallorca-Gate“. Eine Darstellung, der Heinen-Esser energisch widerspricht.

In der CDU-Fraktion weckten die Enthüllungen vom Mittwochabend unangenehme Erinnerungen. Zum Beispiel an die „Laschet-lacht-Affäre“, bei der der Eindruck entstanden war, dem damaligen Kanzlerkandidaten der Union sei das Leid der Flut-Opfer gleichgültig. Ein Landtagsabgeordneter sagte unserer Zeitung, man könne nur hoffen, dass es diesmal glimpflicher verlaufe. Ein anderer CDU-Mann zog Parallelen zur Endphase der rot-grünen Landesregierung. „Damals wurde NRW-Innenminister Ralf Jäger wegen der Enthüllungen zur Kölner Silvesternacht zur Belastung. Ministerpräsidentin Kraft hielt an ihm fest, bei der Landtagswahl ging sie mit ihm unter.“

Noch am Donnerstagvormittag gab es Rückendeckung für die  Ministerin. Er begrüße, dass Heinen-Esser „volle Transparenz hergestellt habe – auch wenn es um rein private Belange geht“, sagte Fraktionschef Bodo Löttgen. Da war die FDP schon auf Distanz gegangen. „Da, wo Menschen zusammenarbeiten, sind Wahrnehmungen von Menschen höchst unterschiedlich“, sagte Ralf Witzel, Chef des Untersuchungsausschusses Flut, in der Debatte um den Zwischenbericht des Gremiums im Landtag. Er werde bei seiner  „Ausschussleitung alles dafür tun“, die Arbeit sachgerecht zu erledigen und damit „die Wahrheit ans Tageslicht zu befördern.“

Heinen-Esser sagt, sie würde sich heute anders verhalten

Für Heinen-Esser musste sich das wie eine Drohung anhören. Die Umweltministerin steht seit Wochen in der Kritik. Nach dem verheerenden Hochwasser am 15. Juli hatte sie ihren Mallorca-Urlaub zwar kurz unterbrochen, am 16. Juli aber fortgesetzt. Dies hatte sie im Untersuchungsausschuss damit begründet, sie habe ihre minderjährige Tochter und deren Freunde zurückholen müssen, die auf der Insel zurückgeblieben waren. Als Heinen-Esser dem Ausschuss schließlich ihre Flugdaten übersandte, wurde klar, dass sie am 25. Juli samt Mann und Tochter ihren bereits im Februar gebuchten Rückflug angetreten hatte. Heinen-Esser sagte, sie habe ihre Amtsgeschäfte auch auf Mallorca „vollumfänglich“ wahrgenommen. „Ich verstehe, dass es als unsensibel empfunden wird, dass ich nach der  Flut eine gute Woche nicht in Nordrhein-Westfalen gewesen bin“, sagte die Ministerin am Mittwochvormittag. „Ich bedauere, dass darüber ein falsches Bild entstanden ist.“ Sie würde sich heute anders verhalten.

Heinen-Esser sollte  dem Untersuchungsausschuss am 22. April erneut Rede und Antwort stehen. Unklar ist, ob nun auch Bauministerin Scharrenbach erneut vernommen wird. Sie hatte bei ihrer ersten Vernehmung vor dem Ausschuss angegeben, sie sei in ihrer Abwesenheit wandern gewesen.  Auch Europaminister Holthoff-Pförtner erklärte, er sei am Freitag, den 23. Juli  auf die Insel geflogen und am Sonntag zurückgekehrt. „Das Leid der von der Unwetterkatastrophe betroffenen Menschen hat mich tief getroffen. Das gilt ganz unabhängig vom Ort, an dem ich mich gerade aufhalte. Sollte ich einen anderen Eindruck erweckt haben, so bedauere ich dies sehr“, sagte der CDU-Politiker dem „Kölner Stadt-Anzeiger“

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