Fettabsaugung bei Lipödem wird Kassenleistung: Was sich für Millionen Lipödem-Patientinnen jetzt ändert.
Meilenstein für BetroffeneLiposuktion bei Lipödem wird Kassenleistung

Dr. Marc André Quambusch, Chefarzt vom Contilia Lipödemzentrum im St. Josef-Krankenhaus in Essen-Kupferdreh, bespricht Behandlungsmöglichkeiten mit einer Lipödem-Patientin. (Archivbild)
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Frauen, die an einem Lipödem leiden, können künftig auf eine bezahlbare Behandlung hoffen: Die operative Fettabsaugung (Liposuktion) wird zur regulären Leistung der gesetzlichen Krankenkassen. Das beschloss der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) am 17. Juli in Berlin. Bislang war die Methode nur in schweren Fällen (Stadium III) und im Rahmen einer befristeten Ausnahmeregelung erstattungsfähig.
Das Lipödem ist eine chronische, schmerzhafte Fettverteilungsstörung, die fast ausschließlich Frauen betrifft. Sie geht mit disproportionaler Fettansammlung vor allem an Beinen, Armen und Hüften einher – häufig verbunden mit starken Schmerzen, Bewegungseinschränkungen und Schwellungen. Laut Kassenärztliche Bundesvereinigung ist etwa jede zehnte Frau in Deutschland betroffen.
Fettabsaugung bei Lipödem zeigt Vorteile gegenüber konservativer Therapie
Die Liposuktion war bislang in den meisten Fällen eine Privatleistung, deren Kosten sich auf mehrere Tausend Euro pro Sitzung belaufen können. Nun wird es laut Bundesausschuss ab dem kommenden Jahr möglich sein, die Fettabsaugung von der Kasse finanzieren zu lassen.
Die Entscheidung des G-BA basiert auf den Ergebnissen der sogenannten LIPLEG-Studie, einer Erprobungsstudie, die die Wirksamkeit der Liposuktion belegt.

Schönheitschirurg Dr. Slobodan Reba operiert eine Patientin mit Lipödem an den Armen. (Archivbild)
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„Die Ergebnisse zeigen, dass die Liposuktion gegenüber der nichtoperativen Behandlung deutliche Vorteile bringt“, erklärte Dr. Bernhard van Treeck, unparteiisches Mitglied des G-BA. Die betroffenen Frauen berichteten von reduzierten Schmerzen und verbesserter Beweglichkeit und damit von einem deutlichen Gewinn an Lebensqualität.
Klare Voraussetzungen für Kostenübernahme
Die Kassenleistung wird allerdings an eine Reihe klarer Kriterien geknüpft. Voraussetzung ist unter anderem:
- Bei starkem Übergewicht müsse zunächst dieses behandelt werden.
- Eine fachärztliche Diagnose im sogenannten Vier-Augen-Prinzip.
- Keine Gewichtszunahme in den sechs Monaten vor der Indikationsstellung zur Liposuktion.
- Vorangegangene konservative Therapieversuche, etwa mit Kompressions- oder Bewegungstherapie.
- Fachärztinnen oder Fachärzte müssen nachweisen, dass sie vor Inkrafttreten der Regelung mindestens 50 oder unter Anleitung mindestens 20 solcher Eingriffe durchgeführt haben.
Die Entscheidung, dass die Krankenkassen künftig die Behandlungskosten übernehmen, dürfte viele Betroffene spürbar entlasten. Denn das Lipödem beeinträchtigt sowohl den Alltag als auch die Lebensqualität der Patientinnen erheblich.
„Heute ist ein großer Tag für uns alle“, sagte Mojtaba Ghods, Chefarzt der Klinik für Plastische Chirurgie am Klinikum Ernst von Bergmann in Potsdam, der an der Studie maßgeblich beteiligt war. „Ich bin froh, dass sich der jahrelange Einsatz gelohnt hat und die betroffenen Patientinnen nun endlich die Anerkennung und Unterstützung erhalten, die sie verdienen.“
Politischer und gesellschaftlicher Rückenwind
Auch aus der Politik kam Zustimmung: „Dass Liposuktion bei #Lipödem jetzt für alle Stadien Kassenleistung sein kann, ist ein gutes Ergebnis der evidenzbasierten Medizin“, erklärte der frühere Gesundheitsminister Karl Lauterbach auf X. „Darauf haben viele Patientinnen gewartet.“
Heidi Reichinnek, Fraktionsvorsitzende der Linken, betont auf Instagram: „Die Liposuktion ist die wirkungsvollste Therapie bei Lipödem. Und sie wird endlich Regelleistung bei Krankenkassen werden!“
Gemeinsam mit Julia-Christina Stange, Sprecherin für Frauengesundheit, fordert Reichinnek weitere Schritte: „Krankheiten, die vorrangig oder ausschließlich Frauen betreffen, müssen besser und schneller erforscht werden.“
Der Beschluss tritt nach der Prüfung durch das Bundesgesundheitsministerium in Kraft. Bis spätestens Januar 2026 sollen die entsprechenden Abrechnungsziffern im einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) vorliegen. Dann können Patientinnen bundesweit mit einer standardisierten, qualitätsgesicherten Versorgung rechnen – auf Kassenkosten. (lkr)