Mona Neubaur im Interview„Die Idee hatten wir übrigens schon vor Robert Habeck“

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Mona Neubaur ist Spitzenkandidatin der Grünen für die NRW-Landtagswahl im Mai.

  • Grünen-Spitzenkandidatin Mona Neubaur reklamiert bei einer Regierungsbeteiligung das Ministerium für Klima und Wirtschaft für ihre Partei.
  • Marode Brücken in NRW will Neubaur durch Tempolimits retten.
  • Der Landesregierung wirft sie vor allem in der Pandemie-Politik für Familien „Irrlichtern“ vor.

Düsseldorf – Die Ampel verliert in aktuellen Umfragen an Zustimmung: Wieso ruckelt es beim Start der Regierung? Die neue Regierung musste zunächst erstmal den Mehltau aus 16 Jahren CDU-Führung abschütteln. Und ja, zu Beginn gab es kommunikative Fehler, zum Beispiel bei der Förderung für energieeffiziente Neubauten. Dass dafür die Vorgängerregierung verantwortlich war, hätte man besser erklären können. Ich schätze den neuen Regierungsstil der Grünen Minister aber insgesamt als sehr wohltuend. Annalena Baerbock ist eine starke und präsente Außenministerin. Robert Habeck bringt mit seinem Osterpaket wichtige Sofortmaßnahmen für den Klimaschutz auf den Weg. Ich erhoffe mir, dass wir Rückenwind für den NRW-Wahlkampf aus Berlin bekommen.

2017 wurden die Grünen wegen der Schulpolitik abgewählt. Droht das Schicksal jetzt der FDP?

Fest steht, dass Yvonne Gebauer und Joachim Stamp an ihrem Anspruch, Chancenminister zu sein, gescheitert sind. Als Krisenmanager hat weder der eine noch die andere überzeugt. Viele Eltern sind zu Recht entsetzt über das Corona-Chaos an Schulen und Kitas. Für dieses Organisationsversagen tragen die beiden, aber auch die Landesregierung unter Hendrik Wüst die Verantwortung. Familien und Kinder müssen weiterhin ausbaden, dass sich im dritten Jahr der Pandemie bei den verantwortlichen Ministern noch immer kein Lerneffekt eingestellt hat.

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Was hätten die Grünen denn besser gemacht? Sichere Testverfahren sind ein zentraler Schlüssel dafür, die Pandemie an den Schulen beherrschbar zu halten. Weil es versäumt wurde, ausreichende PCR-Testkapazitäten aufzubauen, mussten die Schulen vor der Omikron-Variante kapitulieren. Auch das organisatorische und kommunikative Irrlichtern von Ministerin Gebauer, beispielsweise bei der Maskenpflicht im Unterricht, hat für massive Verunsicherung gesorgt. Mir ist zudem unklar, warum das Land nicht mehr unternommen hat, um die Klassenräume mit Luftfiltern auszustatten. Es ist falsch, Schülerinnen und Schüler so zu behandeln, als wären sie nicht systemrelevant.

Lässt sich die Impfpflicht noch durchsetzen, wenn der Problemdruck im Frühling wieder abnimmt? Eine Impfpflicht ab 18 halte ich nach wie vor für richtig. So wäre eine hohe Impfquote sichergestellt, die uns dann auch vor neuen Virus-Varianten schützen kann.

 In Düsseldorf haben Corona-Gegner bei ihren Spaziergängen einen Davidstern getragen. Wie soll der Staat damit umgehen? Das ist widerlich und absolut inakzeptabel. Wer meint, die Corona-Politik in Deutschland mit der Judenverfolgung im Nationalsozialismus zu vergleichen, verhöhnt die Opfer der Shoa. Aus meiner Sicht ist das nicht nur einfach geschichtsvergessen, sondern erfüllt den Straftatbestand der Holocaustverharmlosung, der mit empfindlichen Geld- oder Bewährungsstrafen geahndet werden muss.

Für die Grünen ist die Energiepolitik ein zentrales Wahlkampfthema. Sehen sie eine Chance, vor 2038 aus der Braunkohle auszusteigen?

Im Koalitionsvertrag der Ampel ist auf Druck der Grünen der politische Grundkonsens dafür vereinbart worden. Ich halte das auch für NRW für notwendig und möglich. Dafür braucht es eine neue Leitentscheidung der Landesregierung, die auch den Bestand der Dörfer am Tagebau Garzweiler rechtssicher macht. Und die Fesseln beim Ausbau von Sonne und Wind müssen endlich weg. Wer aus der einen Technologie aussteigt, muss auch gleichzeitig in eine andere einsteigen. Hier verpassen CDU und FDP die Chance, Wertschöpfung in NRW aufzubauen und zu halten.

Nach dem Aus für die Steinkohle kümmert sich die RAG-Stiftung um die Ewigkeitslasten. Wie sollen die Folgekosten des Braunkohleabbaus in NRW abgefangen werden?

Zuallererst braucht es die Einsicht, dass der Braunkohleabbau Ewigkeitslasten mit sich bringt. Die gibt es noch nicht, weder politisch noch vonseiten RWEs. Anschließend muss ein unabhängiges Gutachten die Maßnahmen beschreiben und die Kostendimension beziffern. Es muss sichergestellt werden, dass die Ewigkeitslasten nicht auf die Steuerzahler abgewälzt werden. Das könnte mit einem Stiftungsmodell, das maßgeblich von RWE finanziert wäre, erreicht werden. Der Konzern hat über Jahrzehnte große Gewinne mit der Kohleförderung eingestrichen. Er steht in der Verantwortung, sich angemessen an den Ewigkeitslasten zu beteiligen.

 Die Brückensperrung an der A 45 bei Lüdenscheid wirft erneut ein Schlaglicht auf den schlechten Zustand der Brücken in NRW. Welchen Anteil hat Rot-Grün daran, dass die Infrastruktur verkommen ist?

Der schlechte Zustand der Brücken in NRW ist keine breaking news. Viele Schäden wurden bereits 2012 durch unseren damaligen Verkehrsstaatsekretär angemahnt. Alle Vorgängerregierungen haben aber die Belastung der Infrastruktur durch den zunehmenden Schwerlastverkehr unterschätzt. Ein Schwarze-Peter-Spiel bringt uns deshalb nicht weiter. Konkrete Unterstützung für die Region Südwestfalen, darum geht es. Wir müssen alles tun, damit sich etwas wie in Lüdenscheid nicht andernorts wiederholt.

Was schlagen Sie vor?

Wir müssen gefährdete Brücken sofort konsequent ablasten. Das kann geschehen, in dem man Fahrverbote für Fahrzeuge ab einem bestimmten Gewicht verhängt. Auch Tempolimits auf beschädigten Brücken sind ein wirksames Mittel. Es ist doch immer noch besser, wenn der Schwerlastverkehrs auf den Brücken nur mit deutlich verringertem Tempo rollt, als gar nicht. Außerdem müssen die Prüfungsintervalle verkürzt werden. Es kann nicht sein, dass die Ingenieure bei der Überprüfung einen Totalschaden feststellen, der sich bei der vorherigen Abnahme noch nicht abgezeichnet hat.

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Würden Sie in NRW die Bildung eines Ministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz anstreben?  Sicher. (lacht) Die Idee diese wichtigen Bereiche wirklich zu versöhnen, passt doch sehr gut zu unserem NRW. Wir hatten die Idee übrigens schon vor Robert Habeck. Dann wäre aber Ärger mit der FDP programmiert. Die wird Wirtschaftsminister Pinkwart nur ungern in Rente schicken? Bei aller Wertschätzung für Herrn Pinkwart: Wie seine berufliche Perspektive nach dem 15. Mai aussieht, gehört nicht zu den Dingen, über die ich mir aktuell Gedanken mache. Und wer sagt Ihnen überhaupt, dass es nicht am Ende für ein Zweierbündnis reicht?

Ex-Ministerpräsident Armin Laschet gilt als Freund der Grünen. Wäre sein Nachfolger Hendrik Wüst auch anschlussfähig? Am Ende entscheidet der Wähler, welche Bündnisse rechnerisch möglich ist. Die demokratischen Parteien sollten immer in der Lage sein, miteinander zu koalieren. Hendrik Wüst mag vielleicht einen menschlich angenehmen Eindruck vermitteln, politisch stehen wir aber vor einer echten Richtungsentscheidung. Und da machen wir den Unterschied.  

Wenn es für die Grünen nicht zur Regierungsbeteiligung reicht: Streben Sie dann den Fraktionsvorsitz an? Unser Wahlkampfprogramm ist ein Regierungsprogramm. Wir werden im Wahlkampf alles dafür geben, dass nur unter Beteiligung der Grünen eine Regierung gebildet werden kann. Also stellt sich diese Frage nicht.

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