Nach Alarmierungs-PannenReul will Sirenenwarnung zur Pflicht machen

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Reul

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) besichtigt die Unwetter-Schäden

Düsseldorf – Welche Konsequenzen zieht NRW aus der Flut-Katastrophe nach dem Starkregen? NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) äußert dazu im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger" klare Vorstellungen.

Muss man das Sirenensystem landesweit neu installieren?

Ja. Mein Ziel ist es, dass sich alle 396 Kommunen mit Sirenen ausrüsten. Wir haben in der aktuellen Lage wieder die Erfahrung gemacht, dass viele Menschen nicht über Warn-Apps zu erreichen sind. Eine Verpflichtung mittels Sirene zu warnen, gibt es allerdings nicht. Wir haben den Kommunen seit 2018 schon 20 Millionen Euro für den Ausbau zur Verfügung gestellt. Mittlerweile sind landesweit 5200 Sirenen einsatzbereit.

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Sind die Kommunen verpflichtet, Sirenen auszulösen?

Bislang reicht eine Alarmierung per App. Ich werde mich aber dafür einsetzen, dass die Sirenen, die vorhanden sind, im Ernstfall auch benutzt werden müssen. Wir werden damit leben müssen, dass uns in Zukunft häufiger gefährliche Unwetter drohen. Eine Sirenenwarnung wirkt vielleicht nicht modern, bewirkt aber die notwendige Aufmerksamkeit, die wir brauchen.

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Braucht es ein spezielles Warnsignal für Hochwasser?

Das glaube ich nicht. Wichtig ist, dass die Menschen das Signal für Katastrophen ernst nehmen. Wer den Heulton hört, muss sich im Radio, Fernsehen oder in den digitalen Medien über die Situation informieren. Wenn Evakuierungen angeordnet werden, müssen Polizei und Feuerwehr auch mit Lautsprechern warnen. Zur Not auch von Haus zu Haus gehen und die Leute wachklingeln.

Sollten die Kinder die Signale in der Schule lernen?

Zu einem effektiven Katastrophenschutz gehört, dass jeder die Signale kennt, auch Kinder und Jugendliche.

Der DWD warnt oft vor Unwetter, aber es trifft selten ein. Müssen die Vorhersagen besser werden?

Natürlich kommt es immer wieder vor, dass Vorhersagen nicht punktgenau zutreffen. Auch, wenn man die Nina-App so regionalisieren kann, dass man tatsächlich nur die Warnungen bekommt, die einen betreffen. Das darf aber nicht dazu führen, dass wir gleichgültig werden.

Das Innenministerium hatte die Kommunen am Montag vor dem Unwetter gewarnt. Aber viele Menschen wurden vom Hochwasser überrascht. Wurden die Warnungen nicht weitergeleitet?

Eins vorab: Der Deutsche Wetterdienst ist der Herausgeber amtlicher Wetterwarnungen. Die Landesregierung hat nicht die Befugnis diese amtlichen Warnungen herauszugeben. Wenn es Fehler gab, werden wir diese aufarbeiten. Die Warnung allein hält das Hochwasser nicht auf. Meine Heimatstadt Leichlingen wurde zum Beispiel überflutet, weil die Wuppertalsperre vollgelaufen ist. Da war zu wenig Platz drin, um den Starkregen aufzufangen.

Der Wupperverband behauptet, er habe alles richtig gemacht….

Viele Talsperren waren über Jahre wegen Trockenheit zu leer. Da waren die Wasserverbände vielleicht ganz froh über die hohen Wasserstände und wollten für den Sommer Reserven bilden. Künftig müssen die Talsperren auch Starkregen auffangen können, um Hochwasser zu verhindern.

Hätte der WDR seine Hörer und Zuschauer warnen müssen?

Schuldzuweisungen helfen nicht weiter. Alle Akteure müssen in der Nachbetrachtung klären, wo sie besser werden können.

Brauchen wir neben der Feuerwehr eine spezielle Wasserwehr?

Die Feuerwehren NRW sind gut ausrüstet. Wenn jetzt festgestellt wurde, dass noch spezielle Geräte fehlen, werden die jetzt natürlich angeschafft. Mir bereitet beim Hochwasserschutz nicht das Gerät, sondern das Personal Sorgen.

Wie meinen Sie das?

Es gibt es zu wenig Nachwuchs. Wir tun bereits sehr viel, aber müssen auch weiter viel tun, um junge Leute für den freiwilligen Dienst bei den Hilfsorganisationen zu begeistern. Aber es gibt ein weiteres Problem. Früher haben die Handwerker im Dorf alles stehen und liegen lassen, wenn es galt, einen Brand zu bekämpfen. Heute machen es manche Arbeitgeber ihren Angestellten schwer, sich bei den Einsatzkräften zu engagieren, weil man ihnen nicht erlaubt, kurzfristig das Büro zu verlassen. Deshalb fehlen in plötzlichen Notsituationen oft die erfahrenen Kräfte. Wir brauchen ein neues Bewusstsein bei den Arbeitgebern, wenn es um Freistellungen für den Katastrophenschutz geht.

Würden Sie in ein zerstörtes Haus an der Ahr zurückziehen oder lieber woanders neu bauen?

Ich persönlich würde das wohl tun. Der Hochwasserschutz am Rhein hat sich in den vergangenen Jahrzehnten erheblich verbessert. Ich setze darauf, dass uns das jetzt auch an den kleinen Flüssen gelingt. Da haben wir viel zu tun. Aber es ist doch keine Option, dass es an den Flussläufen keine Wohnbebauung mehr geben darf.

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