Nach scharfer KritikKardinal Marx verzichtet auf das Bundesverdienstkreuz

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Kardinal Reinhard Marx bei der Einweihung eines Altars im bayrischen Eurasburg.

Köln – Der Münchner Kardinal Marx verzichtet auf das ihm zugedachte Bundesverdienstkreuz. Kurz nach einem entsprechenden Bericht des „Kölner Stadt-Anzeiger“ teilte das Erzbistum München mit, Marx habe Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gebeten, die für Freitag angesetzte Auszeichnung mit dem Großen Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland nicht vorzunehmen. In einem Brief an Steinmeier habe Marx dies mit Rücksicht auf Missbrauchsopfer begründet.

Verschiedene Opferverbände hatten gegen die Ehrung protestiert. Unter anderen hatte sich der Betroffenenbeirat des Erzbistums Köln an Steinmeier gewandt und gefordert, die Ehrung vorerst nicht vorzunehmen. Der Vorwurf der Vertuschung sei bei Marx „noch längst nicht ausgeräumt“, verschiedene Untersuchungen dazu seien noch nicht abgeschlossen, so der Beirat, der von Kardinal Rainer Woelki berufen wurde und im Erzbistum die Opfer sexuellen Missbrauchs vertritt. Für Betroffene sei die Ehrung kaum zu ertragen. Andere Opfervertreter erinnerten daran, dass Steinmeier vor kurzem erst den Betroffenen Matthias Katsch sowie den Jesuitenpater Klaus Mertes für ihr Bemühen um die Aufklärung des Missbrauchsskandals mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt hatte. 

Steinmeier telefoniert mit dem Kardinal

Eine Sprecherin Steinmeiers sagte, der Bundespräsident respektiere Marx' Entscheidung. In einem Telefonat mit dem Kardinal habe der Bundespräsident dessen „große Verdienste um Solidarität und Gerechtigkeit“ bekräftigt, wie sie nicht zuletzt im Werben um die Aufnahme von Geflüchteten, aber auch im beständigen Dialog von Kirche und Gesellschaft zum Ausdruck gekommen seien.

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Beide seien sich einig, „dass die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche von überragend wichtiger Bedeutung ist und fortgesetzt werden muss“. Rücksicht auf Betroffene zu nehmen, die an der Ordensverleihung Anstoß genommen haben, verdiene Anerkennung, sagte der Bundespräsident nach Angaben der Sprecherin.

 „Amt des Bundespräsidenten nicht beschädigen“

Marx erklärte nach Bistumsangaben, er wolle mit seiner Entscheidung auch negative Interpretationen verhindern im Blick auf andere Menschen, denen die Auszeichnung zuteil geworden sei. „Selbstverständlich möchte ich auch dem Amt des Bundespräsidenten keinen Schaden zufügen.“

Ihm sei bewusst gewesen, dass die Auszeichnung auch Anlass zur selbstkritischen Betrachtung seines Wirkens und der Arbeit der katholischen Kirche insgesamt sei. „Die Kritik, die nun von Menschen geäußert wird, die von sexuellem Missbrauch im Raum der Kirche betroffen sind, nehme ich sehr ernst, unabhängig von der Richtigkeit der einzelnen Aussagen in Offenen Briefen und in der medialen Öffentlichkeit“, so Marx. Im Sinne der Aufarbeitung, der er sich persönlich und als Amtsträger der Kirche verpflichtet habe, „blende ich diese Kritik selbstverständlich nicht aus“.  

Vorwürfe aus der Zeit als Bischof in Trier

Die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an Kardinal Marx dürfe nur erfolgen, "wenn eindeutig nachgewiesen ist, dass er sich keiner Vertuschung schuldig gemacht und keine Aufklärung ver- oder behindert hat“, hatte zuvor das Kölner Beiratsmitglied Peter Bringmann-Henselder erklärt.

Aus Marx‘ Zeit als Bischof von Trier in den Jahren von 2001 bis 2007 stehen verschiedene Vorwürfe zum Umgang des Bischofs mit Fällen sexuellen Missbrauchs in seinem Bistum im Raum. Umstritten ist auch der Umgang des Kardinals, der seit 2007 Erzbischof von München ist, mit einem Missbrauchsgutachten aus dem Jahr 2010.

Rolle des späteren Papstes Benedikt XVI. im Fokus

Die damals erste und einzige derartige Studie ist bis heute unter Verschluss. Sie beleuchtet auch die Zeit von Marx‘ Vorvorgänger, des späteren Kurienkardinals Joseph Ratzinger und Papstes Benedikt XVI. Marx hat bei derselben Kanzlei ein zweites Gutachten in Auftrag gegeben, dessen Veröffentlichung für den Sommer geplant ist.

Dem Vernehmen nach stehen noch in dieser Woche weitere Medienberichte an, die zu kritischen Fragen an Marx‘ Wirken in Trier beim Umgang mit Missbrauchsfällen und deren Aufklärung Anlass geben.

Das Präsidialamt hatte auf die Forderungen der Betroffenen hin erklärt, an der Ehrung für Marx. festzuhalten. Der Kardinal sei in seiner Zeit als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz in besonderer Weise für Gerechtigkeit und Solidarität eingetreten, sagte am Montag ein Sprecher des Bundespräsidialamtes.

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Marx habe sich für die Aufnahme von Geflüchteten eingesetzt, habe gegen Populismus und Hetze Stellung bezogen. Für diese Verdienste werde Marx, ebenso wie seine Vorgänger, ausgezeichnet. Gleichzeitig sei völlig klar, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die rückhaltlose Aufklärung des massenhaften sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen in der katholischen Kirche erwarte.

Marx äußerte nun die Hoffnung, dass er mit seinem Schritt vielleicht auch ein Zeichen setzen könne, „dass mir die weitere Aufarbeitung und nach Möglichkeit Heilung im Bereich von sexuellem Missbrauch in Kirche und Gesellschaft ein wichtiges Anliegen bleibt“. 

Im Streit die Aufklärung des Erzbistums Köln hatte Marx seinen Kölner Mitbruder Woelki scharf kritisiert, weil dieser ein erstes Gutachten wegen rechtlicher Bedenken unter Verschluss nehmen ließ und ein Ersatzgutachten in Auftrag gab.

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