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Neues BGH-UrteilUnterhaltschancen vieler Scheidungskinder werden verbessert

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Scheidungskinder von Großverdienern haben künftig deutlich bessere Chancen auf höheren Unterhalt.

In einem Grundsatzurteil verpflichtete der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe einen Manager, seine Einkommensverhältnisse gegenüber seiner heute neun Jahre alten Tochter offenzulegen. Aus diesen Einkommensangaben ist der Kindesunterhalt zu berechnen, der nach dem Urteil des Gerichts dann auch höher ausfallen kann, als der in der „Düsseldorfer Tabelle“ angegebene Höchstsatz.

Die Düsseldorfer Tabelle dient den Familiengerichten als Richtlinie für die Berechnung des Kindesunterhalts. Sie ist gestaffelt nach dem Alter der Kinder und dem Einkommen der Eltern. Stufe 1 mit dem Mindestunterhalt setzt bei einem monatlichen Nettoverdienst von 1900 Euro an. In Stufe 10 mit einem Nettoverdienst von 5000 bis 5500 Euro liegt der Unterhalt bei 160 Prozent des Mindestunterhalts. Oberhalb von 5500 Euro gibt die Düsseldorfer Tabelle keine festen Bedarfssätze mehr an. Stattdessen ist eine Bemessung nach den individuellen Umständen vorgesehen.

Im konkreten Fall sind die Eltern der Neunjährigen seit 2014 geschieden. Das Mädchen lebt bei seiner Mutter. Der Vater ist Geschäftsführer mehrerer Firmen. Für den Unterhalt ihres Kindes hatten die Eltern bei der Scheidung zunächst eine individuelle Unterhaltsvereinbarung bis zum achten Lebensjahr der Tochter getroffen. Danach verschloss sich der Vater einer neuen individuellen Unterhaltsregelung, bezog sich auf den Höchstsatz der Düsseldorfer Tabelle und erklärte sich hierfür als „unbegrenzt leistungsfähig“. Faktisch aber stellte der Betrag, den er damit zu zahlen hatte, nur einen Bruchteil des vorherigen Kindesunterhalts dar.

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Der Kölner Rechtsanwalt Thomas Wider führte für die Tochter einen Rechtsstreit, dessen Erfolg nun vom BGH bestätigt wurde. Es ging dabei um die Frage, ob der Vater trotzdem zur Auskunft über sein tatsächliches Einkommen verpflichtet werden kann. Der BGH bejahte diese Verpflichtung. „Für den Auskunftsanspruch genügt die Möglichkeit, dass die Auskunft Einfluss auf den Unterhalt haben kann“, urteilte der Zwölfte Zivilsenat. Die Richter folgten damit der Auffassung der Vorinstanzen, dass die Düsseldorfer Tabelle oberhalb der Endstufe von 5500 Euro Netto-Einkommen zwar nicht einfach fortgeschrieben werde, es aber dennoch einen erheblichen Unterschied mache, ob das monatliche Netto-Einkommen bei 6000 Euro oder aber bei 30.000 liegt.

Für die Ermittlung des Kindesunterhalts kommt es nach den Ausführungen des Gerichts auf die „Lebensstellung“ der Eltern an. Kinder nehmen am Lebensstandard ihrer Eltern teil und sollen auch nach einer Scheidung „in einer ihrem Alter entsprechenden Weise an einer Lebensführung teilhaben, die der besonders günstigen wirtschaftlichen Situation ihrer Eltern entspricht“, erläutern die Richter.

„Es geht um viele Fälle, in denen der eine Partner Karriere gemacht hat, während der andere beruflich zurückgesteckt und sich um Haushalt und Kinder gekümmert hat“, erklärt Rechtsanwalt Thomas Wider. Wenn die Kinder nach der Scheidung bei dem Elternteil mit dem geringeren Vermögen bleiben, kann der Kindesunterhalt bei Anwendung der Düsseldorfer Tabelle erheblich unter dem Lebensstandard liegen, den der vermögende Elternteil sich erarbeitet hat. „Die Kinder sollen daran angemessen teilhaben. Das ist ein Stück ausgleichende Gerechtigkeit“, sagt Wider.

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Dass der Vater pauschal seine unbegrenzte Leistungsfähigkeit erklärt hatte, bedeutet nach Auffassung des BGH nur, dass er auf einen entsprechenden Einwand gegen seine Unterhaltsverpflichtung von vornherein verzichtet. Doch damit stehe, so das Gericht, „noch nicht fest, dass auch der Unterhaltsbedarf ohne Rücksicht auf die Höhe des Einkommens oder des Vermögens ermittelt werden kann“.

Der BGH änderte in seinem Urteil sogar in Teilen seine bisherige Rechtsprechung und sieht nunmehr auch oberhalb der Endstufe in der Düsseldorfer Tabelle neben der konkreten Bedarfsermittlung im Einzelfall auch die Möglichkeit einer höheren pauschalen Unterhaltsbemessung. Auch deshalb ist die Auskunft über das tatsächliche Nettoeinkommen eines vermögenden Elternteils für die Berechnung des konkreten Kindesunterhalts von besonderer Bedeutung.

Beschluss vom 16. 9. 2020, Az. XII ZB 499/19

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