NRW-Koalition2022 als Schicksalsjahr – Wüst und Stamp im politischen Formcheck

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NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU)

Düsseldorf – Die Pressekonferenzen der Ministerpräsidenten von NRW und ihrer Stellvertreter zum Jahresauftakt werden von den Journalisten traditionell für einen politischen „Formcheck“ genutzt.  Diesmal war das Interesse an dem Schaulaufen besonders groß. Der neue Regierungschef, Hendrik Wüst (CDU) und sein Vize Joachim Stamp (FDP) standen den landespolitischen Beobachtern erstmals im neuen Jahr  gemeinsam Rede und Antwort. Für die Frontmänner ist 2022 ein Schicksalsjahr. Können CDU und FDP ihre Koalition nach der Landtagswahl am 15. Mai fortsetzen? Mit welchen Themen wollen sie punkten? Wer hat die besseren Karten? Eine Analyse.

Die Ausgangslage für Wüst nach der Amtsübernahme von Laschet

Hendrik Wüst hat das Amt des Ministerpräsidenten im Oktober vergangenen Jahres von seinem Vorgänger Armin Laschet übernommen, der sich als Kanzlerkandidat der Union auf einen Wechsel nach Berlin festgelegt hatte. Da NRW derzeit den Vorsitz in der Ministerpräsidentenkonferenz innehat, ist der Münsterländer bei den Corona-Konferenzen jetzt häufig in den Hauptnachrichten an der Seite von Bundeskanzler Olaf Scholz zu sehen.

Das „neue Gesicht“ der CDU steht vor der Herkulesaufgabe, die NRW-CDU nach dem Desaster bei der Bundestagswahl wieder auf die Erfolgsspur zu bringen. Anders als Laschet wirkt Wüst dabei westfälisch gelassen, versucht einen klaren und besonnenen Eindruck zu erwecken.

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Stamp kann der Wahl deutlich gelassener ins Auge blicken. Während der CDU eine Abwahl droht, ist eine Regierungsbeteiligung der Liberalen nach dem 15. Mai sehr wahrscheinlich. In der Pressekonferenz betont Stamp, dass FDP-Projekte im Land bei der Bildung der Ampel-Koalition im Bund Pate gestanden hätten, zum Beispiel bei der Einführung von Talentschulen, den Entfesselungspaketen für die Wirtschaft oder bei der Einwanderungspolitik.  „Wir verstehen uns als Fortschrittspartei und wünschen uns in NRW weiter eine Fortschritts-Regierung“, sagt Stamp unverbindlich.

Der freundschaftliche Umgang innerhalb der Koalition sei aber ein hohes Gut und ein „Wert an sich“, mit dem man „sehr pfleglich umgehen“ müsse. Auch mit Armin Laschet habe es „das ein oder andere Mal richtig gerappelt“.  Wüst blättert derweil in seinen Unterlagen. „Ich würde sehr gerne weiter mit der FDP zusammenarbeiten“, stellt er nüchtern fest. Er habe eine „kurzen Draht“ zu den Liberalen. „Wenn es irgendwo zwickt oder wenn man meint, den anderen könne etwas zwicken, dann spricht man miteinander“, sagt der Regierungschef. Der Umgang zwischen Wüst und Stamp wirkt professionell und freundlich. Aber beide wissen, dass es in der Politik keinen Sinn macht, Treueschwüre abzugeben.

Bis zur Landtagswahl sind es noch 121 Tage. Die Koalition von CDU und FDP steht vor großen Herausforderungen.

Kampf gegen Corona: Wüst und Stamp ziehen an einem Strang

In der Pandemiebekämpfung ziehen Wüst und Stamp an einem Strang. Beide sprechen sich für die Einführung einer allgemeinen Corona-Impfpflicht aus, möglichst noch im März. „Mir ist es wichtig, dass wir genug Zeit haben, die Menschen noch zu erreichen und zu überzeugen, ohne dass wir über Bußgelder sprechen müssen“, sagt Wüst. Ziel müsse sein, dass das Land im kommenden Herbst besser vorbereitet sei auf mögliche neue Corona-Wellen als in den vergangenen zwei Wintern.

„Zu einer vorausschauenden Pandemie-Politik gehört die Vorbereitung einer Impfpflicht“, betont Wüst. „Ich will, dass wir dauerhaft aus dieser Spirale von Lockdown und Lockerung aussteigen.“

Klimapolitik

Nach Ansicht von Wüst  leistet NRW mit zahlreichen Stilllegungen von Kohlekraftwerken einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz.  Zum Jahreswechsel 2021/2022 seien Braunkohle-Kraftwerksblöcke in NRW stillgelegt worden. Bis zum Jahresende 2022 würden weitere vier folgen. Innerhalb von nur zwölf Monaten werde damit eine Gesamtleistung von zweieinhalb Gigawatt Braunkohle vom Netz genommen. Sein Ziel sei es, den Klimaschutz mit den sozialen und energiewirtschaftlichen Erfordernissen zu versöhnen.

Innere Sicherheit

Die CDU sieht die Innenpolitik als ihr Gewinnerthema. Wüst bekräftigt, NRW werde die Bekämpfung der internationalen Kriminalität verstärken. Im Kampf gegen Banden, die Geldautomaten sprengen, soll die Zusammenarbeit mit den Niederlanden intensiviert werden. Wüst weist darauf hin, die Polizei müsse in der Pandemie unter erschwerten Bedingungen arbeiten. Corona-Skeptiker forderte er auf, sich  bei Demonstrationen nicht „vor den Karren“ von Verschwörungstheoretikern, Verfassungsfeinden und Rassisten spannen zu lassen: „Passen Sie auf, mit wem Sie spazieren gehen.“

In NRW habe es in den vergangenen vier Wochen rund 700 solcher Versammlungen mit rund 100.00 Teilnehmern gegeben. „Man kann die Spannung im Land förmlich spüren“, so Wüst.   

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Kita- und Schulpolitik. Jugendminister Stamp bekräftigt, dass  Schulen und Kindertagesstätten im weiteren Pandemieverlauf so lange wie möglich geöffnet bleiben. Der Präsenzunterricht habe in der NRW-Koalition höchste Priorität, sagt der FDP-Politiker. Die Kinder hätten unter Corona besonders gelitten - nicht nur durch Unterrichtsausfall, sondern auch durch reduzierte soziale Kontakte.

Schwere Patzer unterlaufen beiden nicht, Wüst und Stamp haben sich offenbar gut vorbereitet. Sie wollen den Fehler der früheren Ministerpräsidentin Hannelore Kraft vom April 2016 nicht wiederholen, die auf die Frage eines Journalisten, welche Vorhaben sie noch bis zum Ende der Legislaturperiode verfolge, keine souveräne Antwort geben konnte. Der Lapsus wurde als Amtsmüdigkeit ausgelegt - die Wahl 2017 ging für Kraft verloren.   

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