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Schulministerin zum Gymnasium„Mehr Qualität am Vormittag, Entlastung am Nachmittag“

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Yvonne Gebauer

NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer

  • NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer spricht über die Rückkehr zu G9 und die Ausstattung von Schulen.

Frau Gebauer, Experten sagen, G8 war gar nicht so schlecht, wie es immer dargestellt wurde, G9 ist nicht so leicht, wie man denkt. Wird das Lernen jetzt stressfreier?

Yvonne Gebauer: Das Abitur ist der höchste Schulabschluss, den wir zu vergeben haben. Wer das Gymnasium besucht, absolviert einen anspruchsvollen Bildungsgang. Das wird auch so bleiben. Es geht darum, am Vormittag mehr Qualität in den Unterricht zu bringen und am Nachmittag für Entlastung zu sorgen. Das ist unser Ziel.

Die große Sorge von Eltern und Lehrern ist ja, ob die Schüler tatsächlich entlastet werden?

Die Schülerinnen und Schüler haben ein Jahr länger Zeit, das wird Druck aus den Schulen nehmen. Und das ist auch richtig so. Es erfolgt aber kein einfaches Zurück zu den alten Zeiten, sondern der G9-Bildungsgang soll qualitativ gestärkt werden. Wir wollen das Lernen mit digitalen Medien in allen Fächern verankern, wir wollen die ökonomischen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler verbessern und wir wollen die Naturwissenschaften stärken, um nur einige Beispiele zu nennen. Unsere Welt verändert sich, unsere Schulen müssen das auch.

Ein Kuriosum ist die fehlende Eingangsstufe. Was kommt auf die Sitzenbleiber zu? Eine Überlegung ist es ja, sie mit Überholern, also besonders schnellen Schülern, zusammenzubringen.

Das stimmt, im Schuljahr 2023/24 werden wir an den G9-Gymnasien keine Einführungsphase in der Oberstufe haben. Bis es soweit ist, haben wir aber ausreichend Zeit, um diese und weitere Fragen sorgfältig zu klären. Denkbar sind unter anderem Kooperationen mit Gesamtschulen, Berufskollegs und Gymnasien, die bei G8 bleiben. Im Übrigen zeigt diese Frage, dass es richtig war, die Umstellung auf G9 nicht übers Knie zu brechen, sondern sorgfältig vorzubereiten. Aber genau um diese Problemanalyse geht es derzeit. Wir erarbeiten eine Liste mit allen möglichen Fragen, die noch zu klären sind.

Der Zeitplan ist recht ambitioniert. Was passiert, wenn der Gesetzentwurf nicht vor der Sommerpause verabschiedet wird, droht dann ein ungeordneter Übergang?

Nein. In keiner Weise. Der Zeitplan ist eng, aber zu schaffen. Wichtig ist, dass die Gymnasien im Herbst dieses Jahres wissen, auf welcher Grundlage sie in ihren Gremien über die Umstellung auf G9 oder den Verbleib bei G8 diskutieren können.

Die Kosten des Rückgangs sollen um die 500 Millionen liegen?

Bei der Umstellung auf G9 greift das Konnexitätsprinzip der Landesverfassung, nach der das Land den Kommunen die Belastungen ausgleicht, die als Folge landesgesetzlicher Neuerungen entstehen. Das Land und die Kommunen haben sich gemeinsam auf unabhängige Gutachter verständigt, die nun eine Prognose der zu erwartenden Belastungen ermitteln. Auf der Grundlage dieser Prognose wird das Land den Belastungsausgleich gesetzlich regeln. Ich habe immer betont, dass das Land ein fairer Partner der Kommunen ist. Daran wird sich nichts ändern.

Es soll für Bildung insgesamt viel Geld im Topf sein. Doch zahlreiche Kommunen wie Duisburg oder Dortmund rufen die Mittel für das Projekt „Gute Schule 2020“ nicht ab. Sind Sie unzufrieden mit den Kommunen?

Die Kommunen haben im vergangenen Jahr von 500 Millionen leider nur 223 Millionen Euro abgerufen. Der Rest der Gelder ist auf das Jahr 2018 übertragen worden. Ich werbe eindringlich dafür, dass diese Gelder auch zeitnah abgerufen werden. Das Geld muss in die Schulen fließen. Wir haben einen großen Sanierungsstau sowie die große Aufgabe, die Schulen im Zeitalter der Digitalisierung modern auszustatten.

Stehen so viele finanzielle Mittel für Schulen in NRW zur Verfügung wie noch nie?

Es ist viel Geld im System, das ist richtig. In der laufenden Legislaturperiode stehen den Kommunen insgesamt rund sechs Milliarden Euro zur Finanzierung der Schulinfrastruktur aus verschiedenen Landes- und Bundesmitteln zur Verfügung, die Mittel für „Gute Schule 2020“ inbegriffen. Aber dieses Geld muss von den Kommunen abgerufen werden, damit es in den Schulen ankommt. Dafür werbe ich auch als Ministerin, dass dies geschieht. Mir sind die Probleme vor Ort in manchen Kommunen sehr wohl bewusst, so dass zum Beispiel Personal in den Verwaltungen abgebaut worden ist. Aber ich hoffe sehr, dass jetzt, wie angekündigt, die Anträge aus den einzelnen Kommunen in großer Zahl gestellt werden.

Müsste man nicht ohnehin sagen, dass es sich lohnt, soviel Geld wie möglich in das Bildungssystem zu investieren, weil es mehrfach zurückgezahlt wird?

Ein ganz deutliches Ja. Jeder Cent, jeder Euro, den wir in die Bildung investieren, ist es wert, weil wir in unsere Zukunft investieren. Diesen Schwerpunkt haben wir als Landesregierung auch im Haushalt gesetzt: Mit dem diesjährigen Haushalt 2018 haben wir den Schuletat auf über 18 Milliarden Euro gesteigert. Das ist der größte Einzeletat des Landes.

Was fordert NRW konkret in Bezug auf den Digitalpakt? Einige Länder haben ja bereits Forderungen an den Bund formuliert.

Wir brauchen in Deutschland hervorragend ausgestattete Schulen. Eine der ersten Amtshandlungen der neuen Bundesbildungsministerin muss deshalb sein, den Digitalpakt Schule jetzt unverzüglich auf die Spur zu setzen. Anja Karliczek muss Entschlossenheit zeigen und den Bundesfinanzminister auffordern, die für diese Legislaturperiode im Koalitionsvertrag der Bundesregierung versprochenen 3,5 Milliarden Euro schnellstmöglich im Bundeshaushalt zu verankern, damit die Mittel schnell zur Verfügung gestellt werden können.

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