NRW-WappenPleitegeier wird zum Shitstorm

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Das verballhornte Wappen mit Pleitegeier und Tempolimit...

Das verballhornte Wappen mit Pleitegeier und Tempolimit...

Köln –  Ein Pleitegeier anstelle des springenden Pferdes auf rotem Grund. Der Rhein zur Autobahn mit Tempo-120-Schild verwandelt. Und das Ganze noch mit den Partei-Logos von SPD und Grünen garniert: Fertig ist die Satire auf das nordrhein-westfälische Landeswappen – vielleicht als Warnung vor Rot-Grün an die Wähler in NRW gedacht, als die Darstellung zwei Tage vor der Landtagswahl am 11. Mai auf der Facebook-Seite „FDP-Liberté“ gepostet wurde.

Die Warnung hat beim Wähler nicht gefruchtet, aber dafür sorgt die Verballhornung des Wappens seit Monaten für Aufregung im Internet, unter anderem auf der libertären Facebook-Seite. Und für Arbeit in den Bonner Strafverfolgungsbehörden. Dort reichte noch im Mai der Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Königswinter, Björn Seelbach, das verhohnepipelte Wappen ein. „Jemand hat mich darauf aufmerksam gemacht, und ich hab’ das dann an die Staatsanwaltschaft gegeben. Dann hab’ ich lange nichts mehr davon gehört und zwischenzeitlich gedacht, dass die Sache eingestellt ist“, sagte Seelbach im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Doch der Staatsschutz bei der Bonner Polizei ermittelt weiterhin im Auftrag der Bonner Staatsanwaltschaft, wie Oberstaatsanwalt Fred Apostel dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ bestätigte. „Wir prüfen das.“ Konkret sei derzeit weiter nichts zu dem Verfahren zu sagen.

Der Urheber der Satire, der Landes-Vize der Jungen Liberalen in Rheinland-Pfalz Tobias Huch, sagte im Gespräch, er sei „nicht verwundert, dass wir angezeigt werden. Ich fand das aber lächerlich und dachte, das wird ohne Vorermittlung eingestellt.“ Huch, ein Mainzer Software-Unternehmer, ist weiterhin überzeugt: „Das Wappen wurde ja nicht herabgesetzt. Das ist Satire.“ Deshalb ist er auch entsetzt über das Vorgehen Seelbachs. „Ich finde das grob unanständig, politische Auseinandersetzungen über Anzeigen und die Staatsanwaltschaft zu führen.“ Das wiederum sieht Seelbach, von Beruf Rechtsanwalt, völlig anders. „Das hat mit der SPD überhaupt nichts zu tun“, betont er und fügt später hinzu: „Ich bin der Meinung der Bundeskanzlerin, dass Satire nicht immer lustig ist und staatliche Symbole rechtlich geschützt werden müssen. Ich bin ein Freund der Vorstellung, dass ein Staat Symbole braucht. Das würden bürgerliche Parteien wahrscheinlich auch so sehen, wenn die Verunglimpfung von der anderen politischen Seite käme.“

Paragraf 90a des Strafgesetzbuches regelt die Verunglimpfung hoheitlicher Symbole. Darin heißt es:

(1) Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3)

1. die Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder oder ihre verfassungsmäßige Ordnung beschimpft oder böswillig verächtlich macht oder

2. die Farben, die Flagge, das Wappen oder die Hymne der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder verunglimpft, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft; (...). (ksta)

In Bonn musste der Gastronom Guntram Fischer vor einigen Jahren zwar keine Strafe zahlen, weil er ein Hoheitssymbol lächerlich gemacht hatte. Doch der Bundesadler, der über dem Eingang seines Restaurants „Bonner Republik“ in der Adenauerallee vis-á-vis vom früheren Außenministerium hing, war eben ein Hoheitssymbol, dessen Verwendung Fischer nicht zustand, wie ihm ein Kölner Verwaltungsamt beschied und ihn aufforderte, das Schild abzuhängen. Bei Zuwiderhandlung Bußgeld. Fischer platzierte stattdessen eine fette Henne auf gelbem Grund über dem Eingang zur "Bonner Republik".

Also doch ein bisschen Parteipolitik, von FDP-Liberté wie von Seelbach. Der sieht sich im Internet jetzt einem „Shitstorm“ ausgesetzt, also jede Menge hämische Kommentare ob seiner Geisteshaltung in Sachen Meinungsfreiheit und seiner vermuteten Humorlosigkeit.

Seelbach nimmt das ebenso gelassen wie Huch das mögliche Strafverfahren. „Wir wollen die Satire nicht löschen. Falls es zu einer Anklage kommt, sehe ich dem gelassen entgegen“, sagt der Mainzer, der im Internet die SPD in Nordrhein-Westfalen auffordert, sich von Seelbach zu distanzieren. Doch von dort ist bislang nichts zu dem Thema zu hören. Vielleicht möchte die Landes-SPD dem Jungliberalen aus Rheinland-Pfalz einfach nicht den Gefallen tun, die Aufmerksamkeit, die er mit seinem satirischen Versuch erhalten hat, noch weiter zu vergrößern.

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