Ost-KongoKampf gegen die Unterernährung mit Honigbienen und Gemüse

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Frauen im Dorf Mwenda im Ruwenzori-Gebirge schneiden Stoffbahnen für ihre Imker-Schutzkleidung zurecht.

Goma/Beni – Die drei Frauen mühen sich ab, die Schutzanzüge aus schwarzem Kunststoff über ihre Alltagskleidung zu ziehen. Auf dem kleinen Felsplateau am Fuß des Ruwenzori-Gebirges ist wenig Platz. Sie geben sich gegenseitig Tipps und lachen. Die Frauen haben noch nicht so viel Übung im Umgang mit dem Ganzkörperschutz wie in der Arbeit mit den Honigbienen.

Start in die Arbeit als Imkerinnen

Endlich ist das Umziehen erledigt. Vorsichtig nähern sie sich den Bienenstöcken in hölzernen Kästen. Sie haben noch nicht so viele Bienenvölker und wollen die Insekten auf keinen Fall in Aufregung versetzen.

Außerdem fällt die Bewegung auf dem unebenen Grund und mit der eingeschränkten Sicht, die das Sichtfenster in ihrer selbst geschneiderten schwarzen Kluft erlaubt, schwer. Die drei Imkerinnen wirken surreal unter dem grünen Blätterdach des Ruwenzori auf 2000 Metern Höhe.

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Insgesamt 30 Frauen aus dem Dorf Mwenda erlernen das Imker-Handwerk in diesen Monaten. Alle seien sie, heißt es bei ihrer Vorstellung im Dorf, „Opfer des Krieges“. Was das konkret bedeutet, bleibt offen.

Der Honig jedenfalls soll, wenn er denn in einiger Zeit mal reichlicher aus den Waben fließt, dazu beitragen, die Ernährung ihrer Familien zu verbessern und, wenn es genügend gibt, über den Verkauf auch ihr Einkommen zu erhöhen.

Ost-Kongo weiter Schauplatz von Gewalttaten

Die Sicherung ihrer Ernährung ist im Osten des Kongo für viele Menschen gerade auf dem Land ein großes Problem. Das verwundert, denn eigentlich ist das Klima hier für den Anbau aller möglichen Ackerfrüchte und Gemüse geeignet. Doch der Kongo ist von internen bewaffneten Konflikten zerrissen, von Misswirtschaft und Korruption gezeichnet.

Im Büro von Franck Iyemankey Kebumey, in der Region Beni für die Landwirtschaft zuständiger Regierungsinspektor, hängt ein altes Plakat. Es zeigt Staatspräsident Joseph Kabila nach seinem Wahlsieg 2006. Auf Französisch wirbt es mit dem Slogan: „Jetzt bauen wir das Land auf!“

Iyemankey Kebumey kennt die Gründe für die Notsituation seiner Leute: „Unsere Bevölkerung wächst stark. Zugleich haben aber viele Menschen keinen Zugang zu Land, weil sie in den andauernden Konflikten zwischen bewaffneten Gruppen aus ihren Dörfern fliehen mussten.“

Landwirtschaftliches Wissen verloren gegangen

Was der Regierungsbeamte nicht sagt, ist, dass es nach 20 Jahren Krieg und Bürgerkrieg, nach der Vertreibung und Entwurzelung von Millionen Kongolesen im Osten des Landes oft auch an landwirtschaftlichem Wissen für eine effektive Nutzung des Bodens fehlt. Die Welthungerhilfe unterstützt deshalb Projekte zur Ernährungssicherung in der Provinz Nord-Kivu. So wie die angehenden Imkerinnen in Mwenda.

Oder eine Gruppe von Frauen im Städtchen Mutwanga in der Nähe des Virunga-Nationalparks. Auf dem Gelände des Seifenherstellers Sicovir haben sie eine kleine Baumschule aufgezogen. „Wir ziehen hier Setzlinge für Kakao-Bäume, Papaya, Palmöl-Palmen oder Eukalyptusbäume an. Je nach Bedarf“, erläutert die 50-jährige Kanindo Martinete Mbosa.

Behördenwillkür gefährdet Entwicklung

Die Frauen verdienen über den Verkauf der Setzlinge. Wenn nicht zufällig mal ein korrupter Regierungsbeamter vorbeischaut und ihnen willkürlich Abgaben auferlegt, so dass ihre Einkünfte in seiner Tasche landen.

Von dieser „Sorge“ berichtet Martinete Mbosa. Ihre diplomatische Umschreibung weist darauf hin, dass es sich um eine sehr reale Gefahr für die mühsam erwirtschafteten Zusatzeinkünfte handelt.

Schulung in Gemüseanbau

20 Kilometer nördlich der Distrikthauptstadt Beni, in der Nähe der Stadt Oicha: Frauen und Männer werden auf einem Feld etwas abseits ihres Dorfes von örtlichen Mitarbeitern der Bonner Hilfsorganisation im Gemüseanbau geschult. Kohl und Amaranth bauen sie in den Beeten des Schulungsfeldes an.

„Es geht dabei zunächst mal um den Abbau von Fehlernährung. Die ist hier ein ernstes Problem“, erläutert Georg Dörken von der Welthungerhilfe.

Rebellen stehlen Vieh

Kaum ist die kleine Besuchergruppe am Versuchsfeld angelangt, trägt die Kanindo Ramla, die Sprecherin der Bauern eine dringende Bitte vor. Sie wünschen sich, dass die Welthungerhilfe sie mit dem Kauf von Vieh unterstützt.

Denn Rinder oder Ziegen produzieren Dung, mit dem wiederum die Fruchtbarkeit des Bodens erhöht werden kann. Dörken erklärt ihr, warum seine Organisation kein Geld in Vieh für die Bauern investiert.

„Vieh ist das Erste, das bewaffnete Gruppen mitnehmen. Wenn wir Ihnen Vieh kaufen, würden wir bei einem Überfall das Geld verlieren. Sie verlieren das Vieh, und Dung ist immer noch keiner auf dem Feld.“ Der Bäuerin ist die Enttäuschung anzumerken.

Ständige Gefahr von Überfällen durch Rebellen

Die Gefahr von Rebellenüberfällen ist real. Erst Anfang März hatte die ADF-Nalu, eine ursprünglich aus Uganda stammende, inzwischen fest im Ost-Kongo verankerte Rebellengruppe, Dörfer nordöstlich der Distrikt-Hauptstadt Beni angegriffen. 2000 bis 3000 Menschen flohen. Es muss also ohne Vieh gehen.

Stattdessen soll Kompost den Boden für den Gemüseanbau fruchtbarer machen. Die Familien in dem Dorf bei Oicha möchten einfach nur ihre Kinder vernünftig ernähren.

Und vielleicht einmal so viel Gemüse produzieren, dass sie es auf dem Markt verkaufen und von dem Erlös das Schulgeld für ihre Kinder bezahlen können.

Der andauernde interne Konflikt mit bewaffneten Gruppen, deren genaue Zahl niemand mehr kennt, und die schlechte öffentliche Verwaltung setzen allerdings hinter jedes größere Entwicklungsprojekt noch größere Fragezeichen.

Mehr asphaltierte Straßen in Goma

Sicher: In Goma, der Millionenstadt an der Grenze zu Ruanda, sind inzwischen deutlich mehr Straßen geteert als noch vor drei Jahren, als der damalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier in die Stadt am Kivu-See kam, um den von der Welthungerhilfe wiederhergestellten Flughafen einzuweihen.

Der wird inzwischen von Ethiopian und demnächst auch Kenia Airways angeflogen. Und wer die Stadt in Richtung Westen verlässt, fährt bis Sake 20 Kilometer lang gleichfalls auf einer asphaltierten Straße.

Route Nationale 4 ist eine Schlammpiste

Ab da verwandelt sich die einst von den belgischen Kolonialherren gebaute Nationalstraße 4 immer mehr in eine unglaubliche Schlamm- und Buckelpiste. Dabei hatten die Kongolesen unter Leitung der Welthungerhilfe die Route Nationale, die Goma über 670 Kilometer mit Kisangani verbindet, erst vor einigen Jahren mit Geld aus den USA, von der EU und der deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau saniert.

Die Hälfte der Kinder ist unterernährt

Die Demokratische Republik Kongo, der zweitgrößte Staat Afrikas, gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Die Mehrheit der 80 Millionen Einwohner lebt in größter Armut. Etwa die Hälfte der Kinder ist unterernährt.

Präsident Josef Kabila hätte nach Ende seiner zweiten Amtszeit Ende 2016 abtreten müssen. Doch weder hat er diesen Schritt vollzogen noch hat es Wahlen gegeben.

Auf einer Geberkonferenz sagte die internationale Gemeinschaft am vergangenen Freitag umgerechnet rund 428 Millionen Euro für humanitäre Hilfe zu. Die kongolesische Regierung hatte das Treffen als Verletzung ihrer Souveränität bezeichnet und es offiziell boykottiert. (ps) 

Für die Nutzung der Straße wird Maut kassiert. Alle paar Dutzend Kilometer steht ein mehr oder minder improvisierter Schlagbaum.

An einem dieser Schlagbäume gibt es sogar ein Regierungs-„Büro für gute Regierungsführung und für den Kampf gegen Korruption“, wie es in französischer Sprache auf der Wand der Holzhütte heißt. Zu sehen ist niemand.

Geld für den Unterhalt verschwand 

Nach Fertigstellung der Straße habe die Welthungerhilfe die Maut eine Zeit lang verwaltet und damit Kongolesen bezahlt, die entlang der Strecke leben und sich um deren Unterhalt kümmerten. „Dann hat der kongolesische Staat die Verwaltung des Geldes übernommen“, sagt Dörken, der bis 2014 Landesdirektor im Kongo war und jetzt als Sicherheitsbeauftragter der Welthungerhilfe zentralafrikanische Länder bereist.

Stromleitung zu Kabilas Farm

Heute ist das Einzige, was an dieser Straße funktioniert, eine Stromleitung von Sake hoch in die Masisi-Berge. Die Leitung hat nur einen einzigen Abnehmer: Die „ferme l'espoir“, die Farm mit dem Namen „Die Hoffnung“. Der Eigentümer des riesigen Anwesens, das sich über etwa 20 Kilometer an der Straße erstreckt, ist Joseph Kabila.

Dörkens Konsequenz aus solchen gescheiterten Großprojekten war die Konzentration der Arbeit auf humanitäre Hilfe. Auch auf Straßenbau, aber im kleinen Maßstab. Es geht um die Ertüchtigung von Feldwegen, damit die Landbevölkerung einen besseren Zugang zu Märkten hat, um ihre Produkte verkaufen zu können.

Drei US-Dollar Mindestlohn

An einem dieser Feldwege in der Nähe der Stadt Kitshanga wird gerade gearbeitet. Männer und Frauen schaufeln die lehmige Erde am Wegesrand beiseite, damit dort Regenwassergräben entstehen.

Entlang der 33 Kilometer langen Strecke, die gebaut werden soll, arbeiten immer zehn Teams zu je 25 Bauarbeiter für je 20 Tage, mindestens 30 Prozent davon Frauen.

Dann wechseln die Teams, damit möglichst viele Menschen entlang des Feldwegs in den Genuss dieses Projektes kommt, das die Welthungerhilfe „cash for work“ nennt. Sie zahlt jedem drei US-Dollar pro Tag, den kongolesischen Mindestlohn, aber erst am Ende der 20 Tage.

Auf dem Rückweg nach Kitshanga kommt uns ein einsamer Kindersoldat entgegen. Die Kalaschnikow unter dem Arm, den Patronengurt über der Schulter, blickt er ins Leere. Er ist vielleicht zwölf, 13 Jahre alt.

Der Junge ist genauso Opfer des schwelenden bewaffneten Konfliktes wie die vielen Tausend Menschen, die allein in der Provinz Nord-Kivu von bewaffneten Banden aus ihren Dörfern verjagt wurden. Vertreterinnen einer Gruppe von 200 Vertriebenen, die sich selbst organisiert haben, treffen wir in Kitshanga.

Sie haben zwei Morgen Land außerhalb der Stadt gepachtet, die sie gemeinsam bewirtschaften. Kartoffeln, Mais und Kohl bauen sie an. Die Erträge werden unter allen aufgeteilt.

Gemeinsam hätten sie seit 2012 für ihre Leute 120 Holzhütten gebaut, erzählt Huguette Furana Batundi. Wie die Idee entstanden sei, sich so zu organisieren? „Wenn wir den Frieden aufbauen wollen, müssen wir das selbst machen“, sagt sie. „Wir müssen Frieden in uns selbst finden.“

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