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Pro und ContraBrauchen wir mehr Gesetze für einen besseren Klimaschutz?

Lesezeit 5 Minuten
Industrieanlage Symbol

Rauch steigt aus einer Industrieanlage in Brandenburg auf. (Symbolbild)

  • Jede Woche thematisiert die Redaktion des „Kölner Stadt-Anzeiger“ eine Streitfrage. Diesmal: Brauchen wir mehr Gesetze für einen besseren Klimaschutz?
  • Ja, sagt Kathrin Rothenberg-Elder: Regeln geben Sicherheit. Wir müssen die Verantwortung nicht allein schultern.
  • Nein, sagt Hubertus Pellengahr: Zu viel Reglementierung kann einer effizienten Optimierung im Wege stehen.

Pro – Kathrin Rothenberg-Elder: Regeln geben Sicherheit. Wir müssen die Verantwortung nicht allein schultern. Wie meine ideale Welt aussähe? Alle würden sich freiwillig entlang der Fakten klimaschützend verhalten, auch wo sie etwas verändern und auf etwas verzichten müssen. Der Fortbestand von Welt und Menschheit wäre auf diese Weise gesichert. Und niemand würde sich gegängelt fühlen.

Zahlreiche Untersuchungen zeigen allerdings, dass wir viele Entscheidungen – gerade die wichtigen – nicht durchdenken. Und einmal getroffene Entscheidungen revidieren wir nicht mehr, wenn das unseren bisherigen Lebensgewohnheiten widerspricht. Um einen Wandel auszulösen, brauchen wir sehr starke Reize. Das kann man gut am Umgang mit der Corona-Pandemie sehen. Das Thema begegnet uns ständig, wir können ihm nicht entfliehen. Es gab darüber hinaus gerade zu Beginn zahlreiche Verbote und Regeln, die teilweise durchaus engmaschig überwacht wurden. Das funktionierte, obwohl wir unseren Alltag oft drastisch einschränken mussten. Es motivierte zudem viele Menschen, einander in kollektiver Solidarität zu helfen.

Müssen bereit sein, uns von schädlichen Selbstverständlichkeiten zu verabschieden

Diese Akzeptanz für die Coronaregeln hat mir Hoffnung gemacht, dass wir unser Verhalten ändern können. Auch für den Klimaschutz müssen wir bereit sein, uns von schädlichen Selbstverständlichkeiten zu verabschieden – als Einzelpersonen, als Firmen, als Organisationen. Die aktuelle Normalität basiert oft auf falschen Anreizen.

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So ist gemeinschaftsschädigendes Verhalten oft billiger als verantwortliches Handeln, das eigene Auto beispielsweise oft günstiger als häufiges Zugfahren. Ohne ein Zurückschrauben dieser falschen Anreize wirken Reglementierungen willkürlich und so, als würden sie nur auf die Schwachen abzielen. Beides muss Hand in Hand gehen. Dazu brauchen wir Regeln, die uns – jetzt – eine neue Normalität vermitteln. Etwa im Verkehr, beim Wohnen, der Ernährung und beim Konsum.

Regeln geben uns Sicherheit: So müssen wir die Verantwortung nicht alleine schultern und die Entscheidung zwischen Bio- und Billigfleisch treffen. Die Politik setzte uns Grenzen, in denen wir uns dann frei und ohne schlechtes Gewissen bewegen könnten. Welche Regeln das sein könnten? Ein eigenes Auto dürfen in den Städten nur noch diejenigen benutzen, die andere beliefern oder pflegen oder mobilitätseingeschränkt sind.

Die Effektivität dieser Regulierungen muss allerdings transparent überwacht werden. Und es braucht Unterstützung. Vor allem für diejenigen, für die der Wandel besondere Härten bedeutet.

Motivieren könnten uns die Vorteile der Umstellung – jenseits des Klimaschutzes: erhöhte Lebensqualität durch grünere Städte, bessere Gesundheit durch mehr Bewegung, weniger Fleisch, sauberere Luft und weniger Lärm. Aber Menschen können sich künftige Vorteile nur sehr schlecht vorstellen.

Ohne gesetzliche Reglementierungen werden wir uns nicht schnell genug in eine klimaschonende neue Normalität einfinden. Wir werden die Schädlichkeit unseres Handelns weiter verdrängen. Wir brauchen die Veränderung jetzt. Der Gesetzgeber muss reagieren. Faktenbasiert, transparent, mit klaren Anreizen und Strafen und so gerecht wie möglich.

Kathrin Rothenberg-Elder ist Studiendekanin für Psychologie bei der Diploma-Hochschule und Sprecherin der Regionalgruppe Köln der „psychologists4future“.

Contra – Hubertus Pellengahr: Zu viel Reglementierung kann einer effizienten Optimierung im Wege stehen.

Wir brauchen nicht mehr, sondern sinnvollere Regeln. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und ein ganzer Strauß weiterer Verordnungen und Gesetze macht jeden Fortschritt unnötig kompliziert und teuer. Wer in Deutschland Strom produziert und dazu Öl, Gas, Kohle oder Holz verfeuern will, muss die dabei freigesetzte Menge Kohlendioxid mit einer entsprechenden Menge Zertifikate bezahlen. Das ist eine Regel. Wenn viele Zertifikate gebraucht werden, aber nur wenige zur Verfügung stehen, steigt der Preis. Das ist Marktwirtschaft.

Wer Strom produzieren und dabei Gewinne machen will, schaut ganz automatisch darauf, was ihn diese Produktion – inklusive der CO2-Zertifikate – kostet. Das Ergebnis der Regel: Seit 2005 ist die vom Energiesektor freigesetzte Menge CO2 um über 22 Prozent zurückgegangen.

Zum Vergleich: Im Verkehrssektor stieg der CO2-Ausstoß – trotz steigender Spritpreise – an. Wer also dafür sorgen will, dass auch auf den Straßen weniger Kohlendioxid freigesetzt wird, sollte einen ähnlichen CO2-Deckel verwenden. Einfach den Preis erhöhen garantiert nicht, dass das Ziel erreicht wird.

Und da es dem Weltklima ziemlich egal ist, ob eine zusätzliche Tonne CO2 aus einem Auspuff oder einem Schornstein stammt, sollte man nicht viele verschiedene Deckel konstruieren, sondern einen gemeinsamen anstreben. Das bedeutet im ersten Schritt neue Regeln. Viele andere Regeln könnten dafür aber entfallen. Warum wird im derzeit gültigen EEG die Produktion von einem Kilowatt Strom mithilfe von Solarenergie höher bezuschusst als ein mit Windenergie gewonnenes Kilowatt? Dem Klima ist das egal, einer Volkswirtschaft nicht.

Wir haben unser heutiges Wohlstandsniveau, unseren Sozialstaat und sogar unsere gestiegene Lebenserwartung einer stetigen Optimierung zu verdanken. Wer ein System optimieren will, sollte da anfangen, wo es die größten Fortschritte für den geringsten Aufwand gibt. Das gilt für den Klimawandel genauso wie für die Pandemiebekämpfung. In den vergangenen Monaten wurden wir alle daran erinnert, wie effizient ein einfaches, geöffnetes Fenster sein kann.

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Zu viel Reglementierung kann einer effizienten Optimierung im Weg stehen. Anreize werden verschoben, Kosten verdeckt. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz hat das eindrucksvoll gezeigt. Investiert wurde nicht dort, wo besonders viel grüner Strom für möglichst wenig Geld produziert werden kann, sondern da, wo viel Fördergeld winkte. Fast 25 Milliarden Euro an Subventionen verteilt das EEG allein dieses Jahr. Tendenz steigend. Kaum ein Markt ist so stark reglementiert wie der für Erneuerbare Energie.

Ja, die Kapazitäten an Wind-, Sonnen- und Biogas-Strom sind gewaltig gewachsen. Aber verglichen mit den hunderten Milliarden Euro, die uns das EEG in den vergangenen 20 Jahren gekostet hat und noch in Zukunft kosten wird, ist das Ergebnis geradezu kläglich. All die Reglementierung hat nicht zielgerichtet dazu beigetragen, dass bei uns schädliche Klimagase so effizient wie möglich vermieden werden. Im Gegenteil.

Es ist Zeit für einen Neuanfang mit wenigen, klaren, nachvollziehbaren und vor allem wirksamen Regeln.  

Hubertus Pellengahr ist Geschäftsführer der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Zuvor war er Sprecher des Hauptverbands des Deutschen Einzelhandels.

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