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Proteste am JahreswechselHunderttausende marschieren in Hongkong

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 Ein Demonstrant steht während eines großen pro-demokratischen Protestmarsches erhöht zu einer Straße, auf der zahlreiche Menschen entlanggehen, und hält eine Hand in die Höhe, um die fünf Forderungen der Demonstranten an die Regierung zu symbolisieren.

Peking – Bei Protesten am Jahreswechsel ist es in Hongkong zu neuen Zwischenfällen gekommen. Nach Schätzungen beteiligten sich Hunderttausende am Neujahrstag an einer Demonstration gegen die Regierung. Nach nur drei Stunden forderte die Polizei allerdings die Organisatoren auf, den Marsch aufzulösen. Zuvor hatten radikale Aktivisten eine Bankfiliale attackiert. Die Polizei der chinesischen Sonderverwaltungsregion ging mit Tränengas und Pfefferspray vor.

Es gab Festnahmen. Bei ihrem Rückzug errichteten Demonstranten Straßensperren. Auch wurden Brandsätze geworfen. In der Silvesternacht war es schon zu ähnlichen Zwischenfällen gekommen. Die Civil Human Rights Front, die den Marsch als Zeichen der Solidarität organisiert hatte, folgte der Anweisung der Polizei und forderte die Teilnehmer auf, nach Hause zu gehen.

Mehr als eine Million Teilnehmer an Demonstration

Wegen der großen Menschenmenge waren zu dem Zeitpunkt aber am Ausgangspunkt im Victoria Park noch viele Menschen versammelt, die noch nicht einmal losmarschiert waren. Viele waren frustriert. Organisator Jimmy Sham forderte die Teilnehmer auf, besonders auf junge und ältere Teilnehmer aufzupassen, während sich die Demonstration in den überfüllten Straßen der Innenstadt auflöste. Die Gruppe warf der Polizei vor, mit dem Einsatz von Tränengas die Lage eskaliert zu haben. Nach ihren Schätzungen sollen mehr als eine Million Menschen an der Demonstration teilgenommen haben, wie die Zeitung „South China Morning Post“ berichtete. Die Polizei, die in Hongkong immer extrem niedrig schätzt, sprach von 60 000.

Auf Fahnen oder Bannern war „Kämpft“, „Befreit Hongkong“ oder der Ruf nach „Hongkongs Unabhängigkeit“ zu lesen, der besonders in Peking für Aufregung sorgt. In seiner Neujahrsansprache ging Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping in Peking zwar auf Hongkong ein, machte aber keinerlei Zugeständnisse. „Ohne ein harmonisches und friedvolles Umfeld, wie kann es ein Zuhause geben, in dem die Menschen in Frieden und Zufriedenheit leben und arbeiten?“

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Seit der Rückgabe 1997 an China wird die ehemalige britische Kronkolonie nach dem Grundsatz „ein Land, zwei Systeme“ autonom unter Chinas Souveränität regiert. Seit einem halben Jahr demonstrieren die Hongkonger gegen die Regierung, den wachsenden Einfluss Pekings und unverhältnismäßig hartes Vorgehen der Polizei. Sie fordern echte Demokratie und mehr Selbstbestimmung.

Die sieben Millionen Hongkonger genießen - anders als die Menschen in der Volksrepublik - viele Rechte wie Versammlungs- und Meinungsfreiheit. Sie fürchten aber zunehmend um ihre Freiheiten. Auch fordern sie echte Demokratie, wie es ihnen beim Souveränitätswechsel in Aussicht gestellt worden war.

Aus Deutschland kam der Ruf, auf die Forderungen einzugehen. Die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses des Bundestages, Gyde Jensen (FDP), sagte: „Dass die chinesische Regierung die legitimen Forderungen der Demonstranten in Hongkong seit rund sechs Monaten quasi ignoriert, muss Deutschland und die EU dazu bringen, für die Demokratiebewegung stärker Partei zu ergreifen.“ Die Spirale der Eskalation müsse beendet werden. „Sollten Appelle weiter folgenlos verhallen, muss über Sanktionen gegen China diskutiert werden“, forderte Jensen. Die Bundesregierung müsse die deutsche EU-Ratspräsidentschaft und den EU-China-Gipfel in diesem Jahr dazu nutzen, dies mit Nachdruck auf die Tagesordnung zu setzen.

Aus Sicherheitsgründen wegen der Proteste war das städtische Feuerwerksspektakel zum Jahreswechsel um Mitternacht abgesagt worden. Stattdessen gab es eine Lichtshow, auch wurden von einigen Hochhäusern kleinere Feuerwerksdisplays abgeschossen. Touristen zeigten sich enttäuscht über die reduzierten Feierlichkeiten, die jedes Jahr viele Reisende in die asiatische Hafenmetropole locken. „Ich habe auf dem Weg nach Malaysia haltgemacht“, sagte der 40-jährige Rene Naglev. „Wir haben uns hier mit Freunden getroffen und hatten erwartet, Feuerwerk zu sehen, und ich bin enttäuscht, sehe auch den Grund nicht, warum es abgesagt wurde.“ Die Proteste haben ohnehin schon zu einem starken Rückgang der Zahl an Touristen geführt. (dpa)

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