Abo

Recht geht vor EmotionEin Verbot der AfD ist ohne Aussicht auf Erfolg

Lesezeit 4 Minuten
Björn Höcke

Björn Höcke, AfD-Fraktionsvorsitzender im Thüringer Landtag

  • Die AfD befeuert mit rassistischen Äußerungen vieler Vertreter und Stimmungsmache gegen Menschen mit Migrationshintergrund ein Klima der Ausgrenzung.
  • Nach den rassistischen Anschlägen von Hanau werden Rufe nach einem Verbot der Partei lauter.
  • Bei nüchterner Betrachtung entbehrt die Forderung jedoch jeglicher Aussicht auf Erfolg, erklärt Michael Bertrams. Ein neuer Beitrag der Kolume „Alles, was recht ist“

Schon vor dem Hanauer Terroranschlag hat es in Deutschland bekanntlich Todesopfer rechtsextremer Gewalt gegeben. Zu erinnern ist an die Brandanschläge von Mölln (1992) und Solingen (1993) mit insgesamt acht türkischstämmigen Opfern sowie an die Mordserie der rechtsextremistischen Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU), der zwischen 2000 und 2007 neun Menschen mit Migrationshintergrund zum Opfer gefallen sind. Nicht zu vergessen: Dem Hanauer Terror sind in kurzen zeitlichen Abständen der rechtsextrem motivierte Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke im Juni und der Anschlag auf die Synagoge in Halle im Oktober 2019 vorausgegangen.

Als Reaktion auf alle diese rassistischen Verbrechen gab es Mahnwachen und Lichterketten, zahllose Betroffenheitsbekundungen von Politikern sowie immer wieder eindringliche Appelle, dem Rechtsextremismus entschieden entgegenzutreten. Doch Hanau zeigt: Der Terror von Rechts wurde bislang nicht gestoppt.

Ausgrenzung gehört zum Profil der AfD

Alle Appelle an das zivilgesellschaftliche Engagement haben überdies nicht verhindern können, dass mit der „Alternative für Deutschland“ (AfD) am äußersten rechten Rand eine Partei gewachsen und 2017 als größte Oppositionspartei in den Deutschen Bundestag eingezogen ist, zu deren Profil es gehört, Ausländer und Flüchtlinge sowie Menschen mit Migrationshintergrund verächtlich zu machen und auszugrenzen.

Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass der Ruf immer lauter wird, die AfD nicht nur vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen, sondern sie in letzter Konsequenz auch zu verbieten. Ich habe für diese Forderung persönlich große Sympathie. Juristisch jedoch entbehrt die Verbotsforderung bei nüchterner Betrachtung jeglicher Aussicht auf Erfolg.

Geistige Brandstiftung ist keine hinreichende Voraussetzung

Mit ihrer Ausgrenzung und Verächtlichmachung von Ausländern, von Flüchtlingen sowie generell von Menschen mit Migrationshintergrund hat die AfD zwar zur Entstehung eines Klimas beigetragen, in dem terroristische Verbrechen wie das von Hanau möglich werden konnten. Doch dieser eher diffuse Zusammenhang rechtfertigt ein Parteiverbot ebenso wenig wie die zahllosen, konkreten rassistischen Äußerungen führender AfD-Vertreter. Sie werden dadurch zwar zu geistigen Brandstiftern und rufen im Einzelfall die Strafverfolgungsbehörden und den Verfassungsschutz auf den Plan. Ihr Verhalten erfüllt jedoch nicht die Voraussetzungen, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gegeben sein müssen, um eine politische Partei als verfassungswidrig zu verbieten.

In Artikel 21 des Grundgesetzes heißt es: „Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.“ In ihrem Urteil vom 17.  Januar 2017 haben die Karlsruher Richter dazu mit Blick auf die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) unter anderem ausgeführt, das „Politikkonzept der NPD“ sei zwar „auf die Ausgrenzung, Verächtlichmachung und weitgehende Rechtlosstellung von gesellschaftlichen Gruppen (Ausländern, Migranten, religiösen und sonstigen Minderheiten) gerichtet“. Die NPD weise von daher „eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus“ auf. Einem Verbot der NPD stehe aber gleichwohl entgegen, „dass das Tatbestandsmerkmal des »Darauf Ausgehens« im Sinne von Artikel 21 nicht erfüllt“ sei. Es fehle „an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht, die eine Durchsetzung der von ihr verfolgten verfassungsfeindlichen Ziele möglich erscheinen ließen“. „Im parlamentarischen Bereich“ verfüge die NPD „weder über die Aussicht, bei Wahlen eigene Mehrheiten zu gewinnen, noch über die Option, sich durch die Beteiligung an Koalitionen eigene Gestaltungsspielräume zu verschaffen“. Diese Ausführungen lassen sich wortgleich auf die AfD übertragen und machen deutlich: Ein Verbot der AfD liegt in weiter Ferne, auch wenn ihr Wählerpotenzial höher ist als das der NPD.

Kann Björn Höcke der Beamtenstatus entzogen werden?

Als problematisch erweist sich auch die – ebenfalls nachvollziehbare – Forderung von SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil, dem AfD-Politiker Björn Höcke den Beamtenstatus zu entziehen. Höcke ist beurlaubter Geschichtslehrer an einem hessischen Gymnasium. Als Abgeordneter des Thüringer Landtags unterliegt er jedoch nicht der politischen Neutralitäts- und Mäßigungspflicht eines Beamten. Überdies spricht vieles dafür, dass Höcke für die Dauer seines Abgeordnetenmandats vor einem Entzug seines Beamtenstatus geschützt ist.

Ein dennoch ausgesprochener Entzug hätte zwar erhebliche Strahlkraft. Sie würde jedoch bei einer gerichtlichen Aufhebung schnell erlöschen und Höcke einen willkommenen Triumph bescheren. Den sollte man ihm nicht gönnen und deshalb so lange warten, bis seine Zeit als Mandatsträger beendet ist. Den Privilegien des Beamtenstatus korrespondiert die Pflicht, als „Staatsdiener“ – um einmal diesen altmodischen Ausdruck zu verwenden – treu zur Verfassung zu stehen und demokratisch getroffene Entscheidungen des Gesetzgebers loyal umzusetzen. Dass Höcke weder zum einen noch zum anderen bereit und willens ist, hat er hinlänglich bewiesen. Ihm den Beamtenstatus möglichst bald zu entziehen, ist demnach gerechtfertigt und mehr als geboten.

KStA abonnieren