Rechte Szene in NRWGrüne: Rechtsextremisten dürfen keine Waffenerlaubnis haben

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Dutzende Reichsbürger und andere Rechtsextremisten in Nordrhein-Westfalen haben Zugang zu Schusswaffen. 

  • Eine Schulungsbroschüre der Essener Polizei wirft wegen ihres klischeebeladenen Inhaltes neue Fragen bezüglich der offenbar ausgeprägt rechten Gesinnung einiger Polizisten in dem Präsidium auf.
  • Die Grünen kritisieren auch, dass1 eine erhebliche Zahl selbst ernannter „Reichsbürger“, Rechtsextremisten, die die Bundesrepublik als Staat ablehnen, legalen Zugang zu Schusswaffen haben.
  • Am Donnerstag wird Innenminister Herbert Reul (CDU) den Parlamentariern Rede und Antwort stehen.

Düsseldorf – Eine Schulungsbroschüre der Polizei Essen über kriminelle Großfamilien steht in dem Verdacht, rechte Gesinnungen im Polizeiapparat befördert zu haben. „Es ist die Frage, ob solche Schriften zu einem Klima beigetragen haben, in dem rassistische Chats geteilt wurden“, sagte Verena Schäffer, innenpolitische Sprecherin der Grünen, am Mittwoch vor Journalisten in Düsseldorf.

Die Politikerin hält die Broschüre über die Clan-Kriminalität für „stereotyp und undifferenziert“. Vereinfachte Darstellungen seien dazu geeignet, eine „problematische Stimmung“ in der Polizei auszulösen. „Das halte ich für gefährlich“, sagte die Politikerin. In der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass 30 Polizisten in der Polizeiwache Mülheim, die zum Präsidium Essen gehört, im Verdacht stehen, rechtsradikale Inhalte in Chatgruppen versendet oder empfangen zu haben.

Wie jetzt bekannt wurde, gibt es Hinweise, dass sich weitere derartige Fälle zugetragen haben könnten. Offenbar auch in der Polizeiausbildung. Insgesamt wurden bislang fünf rechtsextreme Chatgruppen aufgedeckt. 14 Beamte sollen aus dem Dienst entfernt werden.

Alles zum Thema Herbert Reul

Über die umstrittene Broschüre hatte zuerst „Die Welt“ berichtet. Sie trägt den Titel „Arabische Familienclans – Historie, Analyse, Ansätze zur Bekämpfung“ und wurde von Dorothee Dienstbühl verfasst, Professorin für Kriminologie und Soziologie an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW.

Grüne sehen Klischees über Migranten bedient

Darin geht es um die Mhallami, eine Volksgruppe, deren Angehörige immer wieder im Zusammenhang mit Clan-Kriminalität in Erscheinung treten. In der Ausarbeitung heißt es beispielsweise, dass „grundlegende Denkmuster“ auch bei nichtkriminellen Familienmitgliedern verankert seien. Nebenbei wird bemerkt, dass die Mhallami „ängstlich auf Hunde“ reagieren würden.

Ihre Luxusautos seien zum Teil „deutlich billiger, als sie aussehen“. Die Brautkleider der Frauen seien zudem aus „minderwertigem Material“. Die Grünen kritisierten, im Kampf gegen die Clankriminalität sei es zielführender, einen präventiven Ansatz zu verfolgen anstatt Klischees zu bedienen.

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„Ausländerkriminalität darf nicht als Erklärung dafür dienen, dass Polizisten rechte Gesinnungen annehmen“, sagte Schäffer. Reul hatte erklärt, man müsse sich fragen, ob das „Abdriften“ von Polizisten nicht auch damit zu tun haben könne, dass sie „täglich in einen Abgrund schauen und dabei oft mit Ausländern zu tun“ hätten.

Am Donnerstag will Reul im Innenausschuss des Landtags über den aktuellen Stand bei der Aufklärung des Rechtsextremismus-Skandals berichten. Nach Bekanntwerden der Vorgänge hatte er erklärt, dass er die „Dimension und die Abscheulichkeiten“ nicht für möglich gehalten habe. Nun wird der Innenminister auch Fragen zu der umstrittenen Clan-Broschüre beantworten müssen.

Viele Rechtsextreme haben Zugang zu Waffen

Schäffer legte am Mittwoch zudem eine Auswertung zur Lage des Rechtsextremismus in NRW vor. Die Angaben stammen aus der Antwort der Landesregierung auf eine Anfrage der Grünen. Daraus geht hervor, dass eine erhebliche Anzahl von Rechtsextremen eine Waffenbesitzkarte besitzen, die ihnen offenbar in ihrer Eigenschaft als Jäger oder Sportschützen ausgestellt wurde.

162 selbst ernannte „Reichsbürger“ verfügten laut Landesregierung über waffenrechtliche Erlaubnisse, davon 58 für Schusswaffen. „Aus meiner Sicht dürfen Verfassungsfeinde keine Waffenerlaubnis besitzen“, kritisierte Schäffer.

Laut Landesregierung wurden zudem zum Stichtag am 1. April genau 21 Rechtsextremisten in NRW als Gefährder eingestuft. 140 wurden als politisch motivierte Intensivtäter der rechten Szene geführt. Allein gegen Mitglieder der Partei „Die Rechte“ ist in NRW in den vergangenen elf Jahren wegen 378 politisch motivierter Straftaten ermittelt worden.

Darunter seien 71 gefährliche Körperverletzungen gewesen, teilte das Innenministerium mit. „Bei 290 Mitgliedern sind 378 Straftaten extrem viel“, sagte Schäffer. „Die Rechte“ ist dem Bericht zufolge aus verbotenen Neonazi-Kameradschaften hervorgegangen und nutze das Parteienprivileg aus.

Innenminister Reul sagte unserer Zeitung, die Antwort der Landesregierung auf die Anfrage der Grünen zeige „eindrücklich, auf wie vielen Ebenen Rechtsextremisten in NRW aktiv“ seien und wie ernst man diese Bedrohung für die Demokratie nehmen müsse. Man dürfe den Rechtsextremismus und den Islamismus „nicht aus den Augen“ verlieren. „Die Bedrohung ist da, und wir bekämpfen sie mit allen Möglichkeiten, die der Rechtsstaat bietet“, sagte der Politiker aus Leichlingen.

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