Repariert und verschicktTurbine für Nord Stream 1 kommt wohl zu spät

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Nord Stream 1 1807

Rohrsysteme und Absperrvorrichtungen in der Gasempfangsstation der Ostseepipeline Nord Stream 1 in Lubmin. (Archivbild)

Berlin – Die für den Betrieb der Gaspipeline Nord Stream 1 wichtige Turbine ist einem Zeitungsbericht zufolge repariert. Wie die russische Zeitung „Kommersant“ unter Berufung auf mit den Vorgängen vertraute Personen berichtet, sie die Turbine von Kanada per Flugzeug nach Deutschland geliefert worden. Nun werde es fünf bis sieben Tage dauern, bis die Turbine in Russland ankomme.

Ein Einbau während des offiziellen Wartungsintervalls für Nord Stream 1 scheint damit unwahrscheinlich. Seit dem 11. Juli fließt durch Nord Stream 1 seit wegen Wartungsarbeiten kein Gas mehr, bis zum 21. Juli sollen die Arbeiten beendet sein. Ob Russland nach Beendigung der Arbeiten, deren Dauer die deutsche Bundesregierung mit etwa zehn Tagen veranschlagt, den Gashahn wieder aufdreht, gilt als offen.

Turbine wird wohl nicht während Wartungsarbeiten in Russland eintreffen

Für die Gasversorgung in Deutschland und Europa hat die späte Lieferung der Turbine Folgen. „Davon hängt die verlässliche Arbeit der Gasleitung Nord Stream und die Versorgung der europäischen Verbraucher ab“, teilte Gazprom am Wochenende mit. Die Turbine sei wichtig für die Kompressorstation Portowaja, die wiederum für den Betrieb von Nord Stream 1 essenziell sei.

Schon vor Beginn der zehntägigen Wartungsarbeiten hatte Gazprom die Gasdurchleitung durch die Pipeline um 60 Prozent gedrosselt. Das trieb die ohnehin hohen Gaspreise weiter in die Höhe.

Moskau betont, Gasverpflichtungen einzuhalten

Zwar betont Moskau mit Blick auf die Wartungsarbeiten, Russland wolle seine Verpflichtungen als Gaslieferant auch künftig erfüllen. Aber um die Turbine dreht sich längst die Energiekrise in Europa, weil Russland ihr Fehlen nach Befürchtungen der Bundesregierung als Vorwand benutzen könnte, die Lieferungen ganz zu kappen.

Russische Staatsmedien berichten fast täglich darüber, wie etwa die deutsche Bundesregierung wegen der unsicheren Lage um Nord Stream 1 zum Energiesparen aufruft und Milliarden ausgibt, um die sozialen Folgen rasant steigender Lebenshaltungskosten abzufedern. „Nicht wir haben die Sanktionen gegen uns eingeführt“, sagt der Nachrichtenmoderator im Fernsehsender Perwy Kanal.

Russland gibt Ukraine Schuld für Energiekrise

Auf die Frage aber, ob Kremlchef Wladimir Putin den Gashahn wieder aufdrehen lässt, gibt es in Moskau keine klare Antwort. Deutlich wird nur, dass Russland die Verantwortung für mögliche Schwierigkeiten am ehesten abschieben wird. Auch Gazprom betont immer wieder, auf die kaum gefüllten Gasspeicher in Europa hingewiesen zu haben.

Der Staatskonzern gibt zudem der Ukraine die Schuld an der Lage, weil nicht einmal mehr die Hälfte der möglichen täglichen Liefermenge durch das Transitnetz des Landes geleitet werde. Die Ukraine, die trotz Moskaus Angriffskrieges derzeit noch rund 40 Millionen Kubikmeter Gas täglich nach Westeuropa pumpt, hätte es am liebsten, dass die EU ganz auf Lieferungen aus Russland verzichtet. Auch die Gasleitung Jamal-Europa ist stillgelegt, weil Polen sich weigerte, das Gas – wie von Putin gefordert – in Rubel zu bezahlen.

Moskau verweist auf Nord Stream 2

Schuld an den Problemen sollen aus russischer Sicht stets die anderen haben. Erinnert wird in Moskau aber angesichts der Energiekrise mit hohen Preisen und unsicherer Versorgung nicht zuletzt daran, dass es eine ganz einfache Lösung für die Lage gebe: Nord Stream 2. Die Gasleitung ist fertig, aber wegen des Ukraine-Krieges nie in Betrieb gegangen. Putin hatte erklärt, dass durch Lieferungen über diese Leitung die Preise wieder sinken und sich die Situation insgesamt entspannen könnte.

Gaspipelines nach Europa 1807

Erdgasimporte nach Europa stammen sowohl aus Pipelines als auch aus verflüssigtem Erdgas (LNG).

Russland selbst, da sind sich viele Experten einig, hat kein Interesse daran, in diesem Konflikt als die Seite dazustehen, die Verträge bricht. Andere Großabnehmer wie China oder die Türkei, die ebenfalls über neu gebaute Gasleitungen versorgt werden, könnten alarmiert werden und an Russlands Zuverlässigkeit zweifeln, wenn die Energiegroßmacht Europa den Hahn abdreht. Russland steht seit langem im Ruf, seine Energie als „geopolitische Waffe“ einzusetzen.

Lieferung der Turbine von Protesten begleitet

In den kanadischen Städten Ottawa und Montreal fanden am Sonntag Proteste gegen die Lieferung der Turbinen nach Europa statt. „Geld für russisches Gas tötet Ukrainer“ war dort auf Bannern der Protestierenden zu lesen. Kanadas Finanzministerin Chrystia Freeland hatte am Samstag erklärt, die Entscheidung der Regierung, eine zeitlich begrenzte Ausnahme zu machen und die Turbine für die russische Pipeline zu liefern, sei „sehr schwierig“ gewesen.

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Ihre Regierung müsse jedoch die Energieprobleme, „denen sich Deutschland und unsere europäischen Partner gegenüber sehen“, in Betracht ziehen und habe entsprechend gehandelt. Ob die gelieferte Turbine diese Probleme tatsächlich tatsächlich entschärft, wird sich in circa einer Woche zeigen. (pst/afp/dpa) 

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