„Das ist betriebswirtschaftlicher Irrsinn“Im Modehandel beginnt eine Rabattschlacht

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Der Modehandel leidet dramatisch unter der Corona-Krise

  • Die Branche erwartet Reduzierungen bis 90 Prozent. Lesen Sie hier die Hintergründe.

Dem Modehandel steht zum Ende des Winters eine besondere Rabattschlacht bevor.

Schon jetzt sind viele Artikel im Onlinehandel stark reduziert, und die Preise könnten noch weiter fallen, prognostizieren Experten. Der Grund: Die Lager der Geschäfte sind randvoll. Durch den coronabedingten Lockdown hat der stationäre Handel weitaus weniger verkaufen können als sonst. „Ich schätze, dass noch die Hälfte der Winterware in den Lagern liegt“, sagt der Sprecher des Handelsverbands Textil, Axel Augustin. „Das ist ein riesiges Problem.“

Der Lockdown bringt den stationären Handel an seine Grenzen. Seit dem 16. Dezember haben die Geschäfte in den deutschen Innenstädten nun schon geschlossen, bis zum 14. Februar bleiben sie mindestens dicht. Zwar bekommen die meisten Händler Wirtschaftshilfe von der Bundesregierung. Vielen, vor allem den großen Häusern, reichten diese aber nicht aus, um ihre laufenden Kosten zu decken, sagt Augustin. Üblicherweise würde nun am kommenden Montag der inoffizielle Winterschlussverkauf beginnen. Doch der fällt in diesem Jahr aus. Wenn der stationäre Handel wieder öffnen dürfe, werde es sicher Wiedereröffnungsangebote geben, erwartet der Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung in Köln, Kai Hudetz. „Die Rabattschlacht findet aber schon vorher statt“, sagt er. Die meisten Modehändler hätten mittlerweile auch Onlineshops oder würden auf Plattformen wie Amazon oder Zalando verkaufen. Da werde die Winterware schon jetzt zu niedrigen Preisen angeboten. „Der Druck ist enorm, die Händler können mit der Ware ja nichts mehr anfangen“, sagt Hudetz. Wenn der erste an der Preisschraube dreht, müssten die anderen deshalb nachziehen. Er rechne in Einzelfällen mit Rabattierungen von bis zu 90 Prozent. „Das ist natürlich betriebswirtschaftlicher Irrsinn“, sagt Hudetz.

Der Handelsexperte verweist auch darauf, dass für viele Käufe derzeit der Anreiz fehle. „Nehmen wir zum Beispiel den Anzug. Im Homeoffice braucht den niemand, und auch Feierlichkeiten fallen gerade weg.“ Ähnlich sei die Lage bei der Abendgarderobe für Frauen oder Skiausrüstung. „Normalerweise würden die Menschen vor dem Skiurlaub noch mal einkaufen. Aber der fällt ja aus.“

Für Konsumenten könnte es sich trotzdem lohnen, jetzt noch zuzuschlagen. Sie können ganz in Ruhe von zu Hause aus die Preise vergleichen und warten, bis ihr Produkt günstig angeboten wird. Für viele stationäre Händler aber sind die Preisnachlässe ein weiterer Schlag ins Kontor. Einige werden die Corona-Krise wohl auch nicht überstehen. Zuletzt hatte die Modekette Adler Insolvenz angemeldet. Die Gruppe gehört zu den größten Textileinzelhändlern in Deutschland. Aber auch Esprit, Galeria Karstadt Kaufhof und Hallhuber kamen in der Corona-Krise ins Straucheln und suchten Rettung in einem Schutzschirmverfahren. Vielen der Ketten ging es schon vor der Pandemie nicht gut, sie litten unter der gewaltigen Billig- und Onlinekonkurrenz. Die Zwangsschließungen in der Pandemie gaben den Geschäften dann den Rest.

Der Onlinehandel dagegen profitiert vom Lockdown. Laut einer Studie des Instituts für Handelsforschung wurden im Coronajahr 2020 mindestens 80 Milliarden Euro Umsatz online gemacht, im Vergleich zum Vorjahr hat sich das Wachstum verdoppelt. „Für die reinen Onlinehändler ist der Lockdown ein Geschenk“, sagt Handelsexperte Augustin. Er spricht von einem externen Eingriff in den Markt, der das Einkaufsverhalten der Menschen nachhaltig verändern werde. Wer einmal im Internet eingekauft hat, bleibt oft dabei. Laut einer Studie der Unternehmensberatung McKinsey aus dem Sommer haben 75 Prozent der Menschen in den USA in der Corona-Krise ihr Einkaufsverhalten geändert, dazu gehört vor allem das Onlineshopping. Die meisten der Befragten glauben, dass sie auch nach der Pandemie an ihrem neuen Einkaufsverhalten festhalten werden.

Für die Innenstädte ist das ein riesiges Problem. Laut Handelsverband machen die Modegeschäfte locker 60 bis 70 Prozent der Fußgängerzonen aus. Wenn sie nach und nach schließen müssten, würde das zu einer Versteppung der Innenstädte führen.

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