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„Leid und Tod“Corona-Berater widerspricht Trump bei Senatsanhörung

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Anthony Fauci (Archivbild)

Washington – An jedem Platz stand ein Fläschchen Desinfektionsmittel. Doch die meisten Stühle im Sitzungssaal des US-Kongresses blieben leer. Viele Senatoren und die Experten wurden per Video aus dem Homeoffice zugeschaltet. Im Hintergrund bellte der Hund des Ausschussvorsitzenden.

Die erste Sitzung des Gesundheitsausschusses des US-Senats seit der Verhängung des Corona-Notstands Mitte März dürfte als die ungewöhnlichste in die Annalen des Parlaments eingehen. Dass Senator Lamar Alexander sie wegen der Covid-Infektion eines Mitarbeiters aus der Quarantäne in Tennessee leiten musste, illustriert bereits, wie weit die USA mit 1,4 Millionen Fällen und 83.000 Toten von der Normalität entfernt ist. Auch die Aussagen der Zeugen standen in teils enormen Widerspruch zur Schönfärberei des Präsidenten.

“Wir haben die Herausforderung angenommen, und wir haben gesiegt”, hatte Donald Trump bei einer Pressekonferenz im Rose Garden des Weißen Hauses die Pandemie am Montag quasi für erledigt erklärt und behauptet: “Jeder der will, kann einen Test bekommen.” Einen Tag später klang das ganz anders.

Fauci warnt eindringlich

“Wir sind noch nicht über den Berg”, räumte Robert Redfield, der Direktor der Gesundheitsbehörde CDC, ein. Gesundheits-Staatssekretär Brett Giroir berichtete zwar stolz, inzwischen seien neun Millionen Tests durchgeführt. Er konnte aber nicht verhehlen, dass das pro Kopf deutlich weniger als in Dänemark, Portugal oder Spanien sind.

Den schärfsten Kontrast zu den Selbstbeweihräucherungen des Präsidenten boten aber die nüchtern-präzisen Antworten des Top-Immunologen Anthony Fauci, der das Weiße Haus in der Pandemie berät. Eindringlich warnte er vor einer vorschnellen Aufhebung der Corona-Auflagen, zu der Trump die Gouverneure massiv ermuntert. “Das könnte wirklich ernste Konsequenzen haben”, sagte er.

Fauci erinnerte an die Kriterien, die die Regierung offiziell formuliert hat. So müssen zwei Wochen lang die Testergebnisse nach unten zeigen und die Kontakte von Infizierten rigorios zurückverfolgt werden. Viele Bundesstaaten haben den Lockdown aufgehoben, ohne diese Voraussetzungen zu erfüllen. “Wenn wir die Prüfpunkte überspringen, riskieren wir die Gefahr mannigfacher Ausbrüche im ganzen Land”, sagte Fauci. Letztlich werde dadurch die Rückkehr zur Normalität erschwert.

Es ist unwahrscheinlich, dass sich Trump durch solche Argumente beeinflussen lässt. Aber der amerikanischen Öffentlichkeit vermittelte die im Fernsehen übertragene dreieinhalbstündige Anhörung einen Eindruck der desaströsen Krisenpolitik der Trump-Regierung.

So konnte der für die staatliche Pandemie-Vorsorge zuständige Redfield nicht sagen, wann seine Behörde endlich einen Leitfaden für Unternehmen zum sicheren Geschäftsbetrieb vorlegt. Auch musste der Beamte einräumen, dass es in den USA kein funktionierendes System zur Kontakt-Rückverfolgung gibt.

Die Frage, ob eine mögliche Impfung kostenlos für sozial Schwache sein würde, beantworteten die Regierungsvertreter ausweichend.

Fauci skeptisch bei Wirkstoff Remdesivir

Zugleich dämpfte Fauci die von Trump befeuerten hohen Erwartungen an die baldige Verfügbarkeit eines medizinischen Präparats zur Corona-Bekämpfung. Der experimentelle Wirkstoff Remdesivir habe bei Schwerkranken “bescheidene Erfolge” gezeigt, eigne sich aber nicht zur Vorsorge oder Heilung.

Die Suche nach einem Impfstoff gehe zwar schnell voran, doch könne jede Substanz auch Komplikationen hervorrufen, sagte Fauci. Die Vorstellung, dass schon zum Schuljahresbeginn im August irgendeine Medizin zur Verfügung stehen könnte, verwarf er als unrealistisch.

Ausdrücklich hatte Trump seinem Pandemie-Berater eine Aussage vor dem mehrheitlich demokratischen Repräsentantenhaus untersagt, weil dort nur “Trump-Hasser” säßen. Nur vor dem mehrheitlich republikanischen Gesundheitsausschuss des Senats durfte Fauci reden.

Doch der Präsident hatte die Rechnung ohne den einstigen Präsidentschaftsbewerber Mitt Romney gemacht. Der Senator von Utah ist inzwischen einer der letzten parteiinternen Trump-Kritiker. Und bei der Corona-Anhörung positionierte er sich als dessen schärfster Ankläger.

Politiker versuchten Daten immer schönzufärben, stellte Romney den Gesundheits-Staatssekretär Giroir in den Senkel: “Ich sehe in unserem Test-Rekord keinen Grund zum Feiern.” Entscheidend sei nämlich der Zeitpunkt, zu dem die Tests durchgeführt würden. Da hinkten die USA mehrere Wochen hinter Südkorea her.

Dann wandte sich Romney an Fauci. “Stimmt es, dass Ex-Präsident Barack Obama für das Fehlen eines Impfstoffs verantwortlich ist?”, griff der Senator eine beliebte Schuldzuweisung von Trump auf. Der Immunologe antwortete ohne Zögern: “Nein, in keiner Weise.”

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