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Anastasia Biefang„Die Bundeswehr darf nicht so tief in mein Privatleben eingreifen“

Lesezeit 3 Minuten
Anastasia Biefang

Anastasia Biefang, Kommandeurin der Bundeswehr

Eine Anzeige auf einem Datingportal hatte für Bundeswehr-Kommandeurin Anastasia Biefang ein Nachspiel. Das Bundes­verwaltungs­gericht hat die Disziplinar­maßnahme bestätigt. Im Interview spricht Biefang von einem Gummi­paragraphen, der Diskriminierung befördere.

Frau Biefang, Sie haben 2019 auf einem Dating­portal für sich mit folgenden Worten geworben. „Spontan, lustvoll, trans*, offene Beziehung auf der Suche nach Sex. All genders welcome.“ Das Bundes­verwaltungs­gericht hat nun einen Verweis bestätigt, den die Bundeswehr Ihnen deswegen erteilt hat. Haben Sie das erwartet?

Ich bin überrascht und enttäuscht. Ich hatte damit gerechnet, dass das Gericht erkennt, dass der Dienst­herr nicht so tief in mein Privat­leben eingreifen darf. Alles, was ich auf der Dating­plattform gemacht habe, war außerhalb des Dienstes und ohne Bezug zum Dienst. Meine damalige heraus­gehobene Stellung als Kommandeurin und mein Bekanntheits­grad kann doch nicht dazu führen, dass mir verboten wird, etwas völlig Alltägliches zu machen, wie Geschlechts­verkehr zu suchen.

Das Gericht argumentiert mit einer „außer­dienstlichen Wohl­verhaltens­pflicht“ für Soldaten und Soldatinnen in einer besonders hervor­gehobenen dienstlichen Stellung.

Die Wohl­verhaltens­pflicht im Soldaten­gesetz ist so unbestimmt – da kann jeder Vorgesetzte nach seinen Moral­maßstäben urteilen. So ein Gummi­paragraph öffnet Tür und Tor für Diskriminierung und Verfolgung. Da muss es eine Klar­stellung geben. Es passt doch nicht zusammen, dass die Bundeswehr sich ihre Offenheit zugute hält, dann aber mit antiquierten Moral­vorstellungen agiert.

Wie ist es dazu gekommen?

Ich habe das Profil nicht selber meinem Vorgesetzten gezeigt. Irgend­jemand hat einen Screenshot von meinem Dating­profil gemacht und an die Bundeswehr geschickt.

Wo sind die Grenzen des Privaten?

Das Private der Soldaten darf für den Dienstherrn erst dann interessant sein, wenn es ihn tatsächlich berührt. Das gilt für Straftaten – das kann die Achtung für die Bundeswehr natürlich beeinträchtigen. Für einen unbestimmbaren Grenz­bereich gilt das nicht. Was ich gemacht habe, ist absolut gedeckt von der freiheitlich-demokratischen Grund­ordnung. Ich schädige damit weder andere noch meine dienstliche Stellung.

Wie war denn die Rück­meldung bei Ihren Unter­gebenen?

Ich bin mit dem ganzen Vorgang sehr offenen umgegangen. Es war mir wichtig, das Vertrauen der mir unterstellten Soldaten zu haben. Aber es gab keinerlei negative Rück­meldung. Ich hätte mich ablösen lassen, wenn das für meine Leute ein Problem gewesen wäre. Aber ich habe das Bataillon dann noch über ein Jahr regulär weiter geführt.

Was ist die Konsequenz des Urteils?

Das Urteil bekräftigt, dass die Disziplinar­maßnahme eines Verweises rechtmäßig ist. Der verbleibt drei Jahre lang in meiner Personal­akte, danach wird er getilgt. Im August dieses Jahres wäre er dann wieder weg. Aber darum geht es mir nicht. Es geht mir darum, dass es ungerecht und falsch ist, mein Verhalten zu maßregeln.

Haben Sie Ihr Dating­profil gelöscht?

Ich habe es gelöscht. Aber ich habe ein neues – mit einem anderen Text. Wenn ich nach dem Urteil gehe, müsste ich mir den künftig von meinen Vorgesetzten genehmigen lassen. Man müsste sein Privat­leben offenlegen, weil unklar ist, wie die Maßstäbe für Sanktionen sind. Das ist doch absurd.

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