Angstforscher zu CoronaExperte erklärt, was die Panik mit unserer Gesellschaft macht

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Ein Mann steht vor dem Klinikum Stuttgart - mit Schutzmaske und Schutzanzug, falls jemand mit dem Coronavirus eingeliefert wird.

Ein Mann steht vor dem Klinikum Stuttgart - mit Schutzmaske und Schutzanzug, falls jemand mit dem Coronavirus eingeliefert wird.

  • Hamsterkäufe, Diebstahl von Atemmasken: Die Panik vor dem Coronavirus macht sich in Deutschland breit.
  • Wissenschaftler Borwin Bandelow erklärt, was die Angst vor einer Epidemie mit unserer Gesellschaft macht – und warum er selbst tiefenentspannt ist.
  • Lesen Sie hier das Interview.

Erfurt – Plötzlich sind in Deutschland ganze Supermarktregale leer, Großveranstaltungen werden abgesagt, Atemschutzmasken und Desinfektionsmittel gebunkert. Was die Panik vor dem Coronavirus mit unserer Gesellschaft macht und wie wir die Angst auf Abstand halten, erklärt der Angstforscher Borwin Bandelow im Interview mit Saskia Bücker.

Menschen in Deutschland tätigen wegen des Coronavirus Hamsterkäufe und verfallen in Panik. Wieso? Borwin Bandelow: Es gibt so viele Gefahren auf der Welt, an die wir nicht die ganze Zeit denken. Nicht jeder, der morgens auf die Autobahn fährt, denkt daran, dass es im Laufe des Tages auch Tote durch Autounfälle geben wird. Trotzdem fährt man ohne ein schlechtes Gefühl los. Bei der Grippewelle vor zwei Jahren mit 25.000 Toten ist niemand in Panik geraten. Aber wenn eine Gefahr kommt, die neu und unbeherrschbar erscheint, haben wir davor überproportional viel Angst – so wie jetzt beim Coronavirus.

Virologen sagen, dass sich die Gefahr, durch das Coronavirus zu sterben, in Grenzen hält. Das müsste doch beruhigend sein. Bandelow: Angst ist aber nicht gut in Statistik. Während sich das Vernunftgehirn an die milden Symptome bei den meisten Krankheitsverläufen erinnert, denkt das Angstgehirn an die Bilder von Atemschutzmasken und Schutzanzügen aus China. Man glaubt dann nicht mehr an die Virologen. Das führt dazu, dass die Leute anfangen, einen Mundschutz zu kaufen, den sie zum Schutz auf der Straße in Deutschland gar nicht benötigen.

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Verändert so eine Panik die Gesellschaft? Bandelow: Die Panik hat jetzt schon einige problematische Auswirkungen in Deutschland: Im Krankenhaus werden Schutzmasken dringend benötigt. Sehr viele Veranstaltungen werden abgesagt. Sehr viel Geld geht verloren. Menschen gehen in den Supermarkt, machen Hamsterkäufe und posten ein Bild davon auf Facebook. Selbst die, die bis dahin noch nicht in Panik waren, fahren dann auch los, weil sie denken, dass für sie nichts übrig bleibt. Es ist eine Horrorvorstellung des Menschen, dass es plötzlich kein Toilettenpapier und keine Nahrung mehr gibt.

Haben Sie persönlich Angst vor dem Coronavirus? Bandelow: Ich bin tiefenentspannt, was das Coronavirus angeht. Ich weiß, dass die Wahrscheinlichkeit bei mir sehr gering ist, dass ich ernsthaft erkranke - obwohl ich schon etwas älter und männlich bin, damit also schon zur Risikogruppe gehöre. Ich weiß, dass wenn ich erkranken sollte, ich eine reelle Chance habe, zu überleben.

Wie schaffe ich es, als tendenziell ängstliche Person in Krisenzeiten so gelassen wie Sie durch den Alltag zu gehen? Bandelow: Im Allgemeinen sollte man sich einen gesunden Fatalismus und Gelassenheit antrainieren, um nicht so sehr von der Angst befallen zu werden. Man sollte sich immer wieder den Satz ins Gedächtnis rufen: Es wird schon nichts passieren. Statt ständig zu sagen: Mir wird bestimmt etwas passieren.

Kann der Humor das Angstgehirn in Schach halten? Bandelow: Es gibt schon diverse Coronawitze. Immer wenn eine große Gefahr droht, fangen die Menschen an, Witze darüber zu machen. Das ist ein gutes Ventil, gerade bei Panik. Dadurch wird einem die Angst ein Stück weit genommen und relativiert. Es ist auch in Ordnung, sich über überzogene Panikmaßnahmen lustig zu machen, wie beispielsweise die Hamsterkäufe. Außerdem lassen Endorphine im Gehirn kurzfristige Glücksgefühle entstehen. Das hilft einem in gewisser Weise über die Angst hinweg.

Wann wird die Angst vor dem Coronavirus wieder abnehmen? Bandelow: Ich habe eine Vier-Wochen-Regel. Ein Beispiel: Nach einem Terroranschlag in einem Fußballstadion dauert es normalerweise rund vier Wochen, bis die meisten Menschen die Angst davor verlieren, wieder zu einem Spiel zu gehen. Beim Coronavirus ist das aber schwieriger. Wir wissen noch nicht, wie sich die Lage weiterentwickelt. Ich rechne damit, dass in den nächsten Tagen und Wochen die Panik noch zunehmen wird, weil weitere bestätigte Fälle in Deutschland bekannt werden. Es gibt kein Gefühl der Kontrolle. (rnd)

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