Baerbock und HabeckKommt die nächste Wende im komplizierten Verhältnis?

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Annalena Baerbock und Robert Habeck

Berlin – Robert Habeck sagte am Montag in der Bundespressekonferenz nicht viel. Auf die Frage, ob denn nun geklärt sei, ob er selbst oder Annalena Baerbock im Falle einer Regierungsbeteiligung Vizekanzler oder Vizekanzlerin werden würde, antwortete er lediglich: „Gehen Sie davon aus, dass wir komplett sortiert sind.“ Habeck fügte hinzu: „Und alle weiteren Fragen sind ebenfalls geklärt.“

Wie sich bald darauf herausstellte, war das keine Floskel. Ein Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, wonach sich das Spitzenduo schon vor längerer Zeit im Falle eines schlechten Abschneidens der Partei mit ihr als Kandidatin auf ihn als möglichen Vizekanzler verständigt habe, wird bei den Grünen nicht dementiert. Einer, der die beiden gut kennt, sagt: „Ich kann mir vorstellen, dass es so eine Verabredung gibt.“

Baerbock und Habeck bewahren Stillschweigen

Offiziell bewahren Baerbock und Habeck über das Verfahren ebenso Stillschweigen wie über das Verfahren bei der Klärung der Kanzlerkandidatur. In dem einen wie dem anderen Fall wurde das Ergebnis kommuniziert oder sickerte wie jetzt anderweitig durch. Ansonsten: Keine Indiskretionen, keine schmutzige Wäsche, nichts. Das ist, wenn man auf die Eskalation von Konkurrenzbeziehungen in anderen Parteien in Gegenwart und Zukunft blickt (die Grünen eingeschlossen), keine Selbstverständlichkeit.

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Als Habeck am 19. April Baerbocks Kanzlerkandidatur bekannt geben musste, da tat er das – wie die Bilder untrüglich zeigten – unter Schmerzen. Schließlich hatte er wegen seines rhetorischen Talents lange als natürlicher Aspirant auf die Aufgabe gegolten. Noch am selben Tag gab der Unterlegene der Wochenzeitung „Die Zeit“ ein Interview, in dem er sein Missfallen kundtat und andeutete, dass das Geschlecht den Ausschlag zugunsten Baerbocks gegeben habe. Im Sommer, nach Baerbocks Buchdesaster, ließ Habeck ein weiteres Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ folgen, das mit Kritik an ihr nicht hinter dem Berg hielt. Danach schwieg er – abermals, wie man vermuten darf, unter Schmerzen. Das zu Beginn ihrer beiden Amtszeit im Januar 2018 als Parteichefs eher freundschaftliche Verhältnis sei jetzt „professionell“, hieß es vor der Wahl.

Göring-Eckardt dankt Baerbock

Nach der Wahl übten sich die grünen Frauen in Solidarität. Die Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt, die 2017 als Spitzenkandidatin in einer ähnlichen Situation war, schrieb bei Twitter: „Von Herzen danke an Annalena Baerbock, die wie eine Löwin gekämpft“ und das bisher stärkste Ergebnis bei einer Bundestagswahl errungen habe. So wie Göring-Eckardt äußerten sich viele Frauen. Manche sagten auch, dass Habeck ein besseres Ergebnis erzielt hätte, sei zwar denkbar, aber keineswegs sicher. Denn auch ihn hätten interessierte Kreise unter Feuer genommen, nur eben mit anderer Munition. Nicht zuletzt die Frauen waren es ja, die Baerbocks Kandidatur in der Bundestagsfraktion vorantrieben – dort, wo Habeck bisher keinen Sitz hatte.

Am Montagnachmittag lief Habeck in Begleitung des „Spiegel“-Redakteurs Markus Feldenkirchen sowie eines Kameramanns die Reinhardtstraße hinunter, die auf die Bundespressekonferenz zuführt. Er sah dabei sehr vital aus. Baerbock wartete bereits um die Ecke und sah so aus wie Habeck im Frühjahr, als er ihre Kandidatur ankündigen musste: schlecht. Und vor allem: müde. Sie unternahm auch nicht den Versuch, ihren Seelenzustand zu verbergen. Jetzt nicht mehr.

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Anschließend fiel auf, dass er mehr redete als sie – so wie vorher aufgefallen war, dass der FDP-Vorsitzende Christian Lindner bei der Aussicht auf die anstehenden Gespräche stets Habecks Namen nannte und nicht Baerbocks. Habeck sprach von der neuen Zeit, die nun anbreche, und dass die künftige Regierungskoalition „keine Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners“ machen dürfe.

Auf die FDP angesprochen, kam der Mann aus Flensburg auf die Erfahrungen in Schleswig-Holstein, wo sie 2017 gemeinsam mit der CDU eine Jamaika-Koalition geschlossen hatten. In so einer Lage müsse man in Gesprächen auf Gemeinsamkeiten schauen, die man so vielleicht noch gar nicht gesehen habe. „Die Partei, die das ‚Lager‘ wechseln muss, hat die größere Zumutung zu tragen“, sagte der Grünen-Chef, fuhr indes fort: „Lager gibt es so nicht mehr.“ Und ob Jamaika oder Ampel, in jedem Fall müsse „etwas Neues entstehen. Das ist kompliziert, aber gleichzeitig extrem reizvoll. Das ist doch eigentlich eine coole Situation.“

Die Grünen hatten mehr erwartet

Er schien jetzt wie in seinem Element zu sein, während sie erst mal die Niederlage und die Strapazen des Wahlkampfes wegstecken muss. Ja, sagte Baerbock, ihre Partei habe „das beste Ergebnis jemals“ erzielt – und zwar, was sie nicht sagte, mit ihr als Kandidatin. Nur lag das Resultat deutlich unter dem, was die Grünen erhofft und lange Zeit auch erwartet hatten.

Robert Habeck wurde in der Bundespressekonferenz übrigens auch gefragt, wie denn sein aktuelles Verhältnis zu Annalena Baerbock sei. Er antwortete, es sei „gut, stabil, vertrauensvoll wie eh und je“. Sie lächelte – und schwieg. Danach gingen beide getrennte Wege.

Trittin kritisiert vorgehen

Der ehemalige Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin hat bereits auf das Postengeschacher reagiert – und zwar mit Kritik. Gegenüber dem „Spiegel“ sagte er: „Wir verhandeln eine Regierung, die Deutschland auf den 1,5-Grad-Pfad bringt. Danach wird entschieden, wer welchen Posten bekommt. Das entscheidet die Partei und nicht nur zwei Personen in persönlichen Gesprächen."

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