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BundestagswahlDer Applaus der AfD gilt der geschrumpften Union

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Afd Wahlparty

AfD-Mitglieder reagieren bei der Wahlparty auf die Prognosen.

Berlin – Der Applaus auf der Wahlparty der AfD galt nicht dem eigenen Ergebnis. Die Gruppe um Spitzenkandidat Tino Chrupalla, Co-Parteichef Jörg Meuthen und Partei-Senior Alexander Gauland klatschte am lautesten, als der geschrumpfte schwarze Balken der Union eingeblendet wurde. „Merkel ist weg – und das ist unser Verdienst“, rief Gauland in den Saal. Der 80-jährige Politstratege schaute sofort nach der ersten Prognose in die fernere Zukunft: Er wünsche sich einen Kanzler Olaf Scholz und eine CDU in der Opposition. Die müsse das Merkel-Erbe abstreifen, dann könne die AfD mit ihr kooperieren.

Um die Gegenwart der Partei ging es kaum bei der Feier in einem Hochzeitssaal am östlichen Rand der Hauptstadt. Die AfD hat sich stabilisiert, mehr aber auch nicht. Sie hat ihre Kernklientel behalten, musste aber Verluste hinnehmen. „Wir sind gekommen, um zu bleiben“, bilanziert Spitzenkandidat Tino Chrupalla.

Unbekannte Stimmung im Bundestag

Vor vier Jahren klang es noch anders. „Wir werden sie jagen“, hatte der damalige Spitzenkandidat Alexander Gauland am Wahlabend 2017 ausgerufen, als die AfD erstmals mit 12,6 Prozent und mehr als 90 Abgeordneten in den Bundestag einzog. Vier Jahre lang sorgten Gauland und seine Fraktion für eine bis dahin unbekannte Stimmung im Bundestag: Aggressive Sprache, Geschäftsordnungstricks, verbales Kungeln mit Verschwörungserzählern. Sie nutzen massenhaft und wirkungsvoll die sozialen Medien, um ihre Bundestagsreden hunderttausendfach an ihre Klientel zu spielen.

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So wird es in der kommenden Legislaturperiode mit großer Wahrscheinlichkeit weitergehen. Vom „Jagen“ aber spricht in der AfD keiner mehr. Davon, die Partei wieder „aus den Parlamenten zu vertreiben“, ist bei den anderen Parteien jedoch auch schon lange nicht mehr die Rede. Die AfD hat sich in ihrer Nische gefestigt. Für eine volatile „Bewegungspartei“ ist das eine zweischneidige Sache. Um bundesweit an Stärke zuzulegen, müssten bürgerliche Kreise gewonnen werden. Das ist die Position von Parteichef Meuthen und seinen Getreuen. Meuthen sprach am Sonntag von einem „durchwachsenen Ergebnis“ und von einer Fehleranalyse, die man in den kommenden Tagen angehen werde.

Zunehmende Unruhen

Die Flügelkämpfe werden neu ausbrechen. Der Sachse Chrupalla wird auf die Stärke im Osten verweisen. Dort kam der radikalere Kurs des Dresdner Wahlprogramms an: für den „Dexit“ und gegen Corona-Maßnahmen. Eine gerupfte, verunsicherte Union könnte die AfD bald als Machtoption in den Ost-Ländern annehmen, hofft Chrupalla. Sein Gegenspieler Meuthen wird voraussichtlich davor warnen, dass die AfD zur „Lega Ost“ wird.

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Die Unruhe wird nach der Wahl zunehmen. Chrupalla und seine Ko-Spitzenkandidatin Alice Weidel haben den ersten Zugriff auf den Fraktionsvorsitz, nachdem Gauland nicht noch einmal antritt. Mit diesem Ergebnis aber wird das kein Selbstläufer. Der Verfassungsschutz wird die AfD höchstwahrscheinlich in Kürze zum Verdachtsfall erklären – das könnte einige neu gewählte Abgeordnete dazu bewegen, die Schmuddelecke verlassen zu wollen.

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