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China feiert sein ComebackRiesen-Aufschwung nach Corona zur größten Volkswirtschaft

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China hat sich rasant von dem Virus erholt.

Die Ausführungen von Ning Jizhe sprühten nur so vor Superlativen und Bestwerten. Tatsächlich hat China im vorigen Jahr mit einem Wirtschaftswachstum von 2,3 Prozent alle anderen großen Volkswirtschaften der Erde deutlich abgehängt. Die „nationale Stärke“ habe ein neues Niveau erreicht, sagte Ning, der Chef des Pekinger Statistikbüros, am Montag. Erstmals sei beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) die Marke von 100 Billionen Yuan (etwa 13 Billionen Euro – Deutschland: 3,3 Billionen) übertroffen worden. Auch viele hiesige Firmen haben davon profitiert. Allerdings sehen Experten zunehmend Schattenseiten beim chinesischen Erfolgsmodell.

Jahr der Extreme

2020 war ein Jahr der Extreme. Die wirtschaftliche Entwicklung der Volksrepublik entspricht beinahe lehrbuchmäßig der Form eines „V“. Nach dem Ausbruch von Covid in der Millionenstadt Wuhan verfügte die Regierung strenge Lockdowns, Tausende Unternehmen wurden geschlossen. Entsprechend heftig war der Einbruch in der Wirtschaft im ersten Quartal.

Die harten Maßnahmen, die in einem Rechtsstaat nicht möglich wären, führten dazu, dass die Zahl der Infektionen schnell zurückging. Die Regierung die Tore der Betriebe wieder öffnen und schaltete auf Wachstum um: durch üppige Hilfen besonders für Staatsfirmen. Und die Banken wurden angewiesen, großzügig Liquidität zur Verfügung zu stellen. Gigantische Investitionen für Infrastruktur und den Wohnungsbau wurden auf den Weg gebracht. Hier registrierte die Statistikbehörde ein Plus von 2,9 Prozent. Die Stahlproduktion erreichte eine Höchstmarke.

Noch wichtiger: Chinesische Betriebe waren wieder lieferfähig, als in Europa viele Unternehmen im Lockdown gebremst wurden. Und so belieferte die Volksrepublik den Rest der Welt nicht nur mit Produkten, die in einer Pandemie gebraucht werden. Medizinische Ausrüstung gehörte dazu, aber der weltgrößte Standort lieferte auch Computer, Tablets, Smartphones und alles andere, was für die Ausstattung von Homeoffices benötigt wird.

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Die ohnehin schon großen Exporte legten noch einmal um 3,8 Prozent zu, so die Pekinger Statistiker. Es sei gelungen, in urbanen Regionen fast zwölf Millionen neue Jobs zu schaffen, wird Ning in der Onlineausgabe der Zeitung „China-Daily“ zitiert, die der kommunistischen Partei nahe steht. Und man habe es 2020 abermals geschafft, das BIP pro Kopf über der Marke von 10.000 Dollar zu halten – der deutsche Wert liegt allerdings umgerechnet bei rund 48 000 Dollar.

Für dieses Jahr erwarten der Internationale Währungsfonds (IWF) und mehrere Wirtschaftsforschungsinstitute sogar ein Wirtschaftswachstum von rund acht Prozent. Deutsche Firmen dürften davon profitieren. Allen voran die Autobauer, die zuletzt ihre heftigen Einbußen in Europa durch unerwartet hohe Verkaufszahlen in China einigermaßen kompensieren konnten. Im Gefolge der Autobranche dürften demnächst auch mehr Aufträge für Maschinenbauer und die Chemieindustrie kommen, die eng mit der Schlüsselbranche verknüpft sind.

Der IWF kalkuliert nun, dass sich die chinesischen Wachstumsraten in den Jahren 2022 bis 2025 auf rund fünf Prozent einpendeln werden. Volkswirte – beispielsweise von der Nomura-Bank – rechnen unter diesen Vorgaben damit, dass China die USA im Jahr 2028 als weltgrößte Volkswirtschaft eingeholt haben wird. Das wäre zwei Jahre früher als bisher prognostiziert.

Privater Konsum noch unter Vor-Corona-Niveau

Was Experten allerdings nachdenklich macht: Der private Konsum ist noch längst nicht auf dem Niveau der Zeiten vor der Pandemie. Die Ausgaben pro Kopf sanken voriges Jahr vielmehr um vier Prozent – eine Konsequenz des Lockdowns und seiner Folgen. Das könnte sich bei einem erneuten massiven Virusausbruch wiederholen. Auch Ning räumt ein, dass die Nachfrage der Verbraucher gesteigert werden müsse.

Ob das gelingen kann, ist indes fraglich. Denn China kämpft zugleich mit einer hohen Verschuldung von Privatleuten und Unternehmen. Vorigen Freitag hat die Zentralbank erstmals seit einem halben Jahr die geldpolitischen Zügel wieder angezogen. Sie will nun Liquidität reduzieren, was eine weitere übermäßige Verschuldung eindämmen soll – offenbar werden Kreditausfälle befürchtet.

Zugleich will China seine Exportabhängigkeit verringern. Die Streitereien mit der Trump-Regierung nebst Sanktionen beim Import von US-Hightech, die der scheidende Präsident gerade noch einmal verschärft hat, haben Funktionäre anscheinend zum Nachdenken gebracht.

Nachrichtenagenturen berichten, dass beim Volkskongress im März ein neuer Wirtschaftskurs beschlossen werden soll. Neben der heimischen Nachfrage sollen auch Innovationen stärker gefördert werden, um unabhängiger von den USA und auch von Europa zu werden. Das könnte auch negative Auswirkungen für hiesige Unternehmen bringen.

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