Clean Beauty liegt im TrendGibt es gesunden Nagellack?

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Nagellack dpa

Nagellack gibt es in allen erdenklichen Farben.

Zähflüssig tropft er vom Pinsel, doch einmal aufgetragen, glänzt er in sattem Dunkelrot – und schenkt zudem ein gutes Gewissen: Nicht umsonst trägt die Nuance namens Deep Berry sowohl das Natrue-Label als auch das Siegel des BDIH und gilt damit als zertifizierter Naturkosmetik-Nagellack. Das Label Logona, von dem er stammt, ist eigenen Angaben zufolge der erste Hersteller weltweit, dem dieses Kunststück gelungen ist, vielleicht sogar der einzige.

Denn während etwa Parfums, Shampoos, Wimperntuschen und Lippenstifte schon lange die begehrten Naturkosmetiksiegel tragen, tun sich Nagellacke bisher schwer damit. Schließlich soll sich der Nagellack nicht wie etwa Wimperntusche oder Lidschatten nach einigen Stunden wieder verabschieden. Damit er hält, muss er sich an der frischen Luft von einer Flüssigkeit in einen festen Film verwandeln – was nur mithilfe eines chemischen Vorgangs funktioniert. Daran hat sich nichts geändert, seit der amerikanische Kosmetikproduzent und Revlon-Gründer Charles Revson Anfang der 30er-Jahre zusammen mit seinem Bruder Joseph und dem Chemiker Charles Lachman den Nagellack, wie wir in heute kennen, erfand.

Bewusstsein für Inhaltsstoffe hat sich geändert

Was sich jedoch geändert hat, ist das Bewusstsein für die einzelnen Inhaltsstoffe – vor allem, weil man irgendwann feststellte, dass diese durch den Nagel hindurch in den Körper wandern und dort Schäden verursachen können.

Ulrike Kallee arbeitet als Chemieexpertin beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und ist zuständig für die BUND-App “Tox Fox”, die Verbrauchern Auskunft über hormonell wirksame Schadstoffe in Kosmetika und anderen Dingen gibt. Sie sagt: “Zu bestimmten sensiblen Zeitfenstern, während der embryonalen Entwicklung, Pubertät, Schwangerschaft und Stillzeit, können diese Stoffe Hormone und deren Botenstoffe nachahmen und den Austausch zwischen den Zellen blockieren oder anderweitig stören.” Davon abhängige biologische Prozesse setzten dadurch zu früh, zu spät oder gar nicht ein – unter Umständen mit weitreichenden Folgen für die spätere Gesundheit: etwa Unfruchtbarkeit, Hodenhochstand oder eine verfrühte Pubertät.

Schädliche Inhaltsstoffe in Nagellacken

Doch welche Stoffe genau sind für diese Folgen verantwortlich? “Vor allem UV-Filter, Konservierungsmittel und Plastikweichmacher”, sagt Kallee. Als häufig im Nagellack enthaltene Schadstoffe nennt sie Benzophenon, Parabene, Triphenylphosphat, Octinoxat und Octocrylen. Dazu kommen laut der Chemieexpertin Nanomaterialien wie Carbon-Black, Titandioxid oder Siliziumdioxid. Gelangen sie einmal in den Körper, besteht möglicherweise ein Gesundheitsrisiko.

Das Umweltbundesamt geht davon aus, dass die Haut zwar eine effektive Barriere darstellt, weist aber gleichzeitig auf die eher spärliche Studienlage hin. Viele Produkte von beliebten Labels enthalten mindestens einen dieser Inhaltsstoffe, darunter beispielsweise der Last-&-Shine-Lack von Manhattan, der Iconails Gel Lacquer von Catrice oder der Art Couture Nail Lacquer von Artdeco.

Wunsch nach Clean Beauty

Um Anwendern mehr Sicherheit bezüglich der Nagellackwahl zu geben, setzen zahlreiche Hersteller daher nun auf Bezeichnungen wie “3-free”, “5-free” oder “7-free” bis hin zu “16-free”. Die darin genannte Zahl steht für die Anzahl der weggelassenen kritischen Stoffe: So sind beispielsweise 3-free-Nagellacke frei von Formaldehyd, Toluol und Dibutylphthalat, während 5-free-Nagellacke zusätzlich ohne Formaldehydharz und Kampfer auskommen.

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Je höher also die genannte Zahl, desto gesünder und nachhaltiger das Endprodukt? Das jedenfalls wollen bekannte Labels wie Butter London, Terre et Beauté oder Allesandro vermitteln. Nebenbei bedienen sie so den Wunsch nach sogenannter Clean Beauty. Für die Anhänger dieser Trendbewegung soll Kosmetik möglichst keine kritischen Ausgangsstoffe beinhalten und dabei am besten noch bio, vegan, tierversuchsfrei oder gar halal sein.

Free-Bezeichnungen sind nicht bindend

Das Problem dabei: Die Free-Bezeichnungen sind keinesfalls genormt oder in irgendeiner Form bindend. Theoretisch könnte demnach jeder Hersteller nach Belieben festlegen, was er darunter verstehen möchte. Zudem können die Bezeichnungen in die Irre führen: So steht etwa der Stoff Dibutylphthalat, auf den alle Free-Nagellacke verzichten, ohnehin auf der Liste der verbotenen Stoffe der EU-Kosmetikverordnung – damit darf er selbst in herkömmlichen Nagellacken nicht zu finden sein. “Es ist häufig nicht klar, was sich hinter diesen Bezeichnungen versteckt”, sagt Kallee. “Für Verbraucher ist es schwer nachzuvollziehen, ob es sich dabei wirklich um ein besseres Produkt handelt oder um reines Marketing.”

Tipps für die Nagellackauswahl

Bleibt also die Frage, wie man einen nachhaltigen Nagellack erkennt. Einen Anhaltspunkt gibt etwa die Onlineplattform Utopia, die sich mit dem Thema Nachhaltigkeit in all ihren Facetten beschäftigt. Uneingeschränkt empfiehlt sie nur den eingangs erwähnten Nagellack von Logona, der als Naturkosmetik zertifiziert ist. Sieht man sich die Liste der Inhaltsstoffe an, fällt eines auf: Sie ist sehr übersichtlich.

Auch einige weitere von Utopia empfohlene Nagellacke bestehen aus nur wenigen Zutaten. Unter ihnen befinden sich die Nagellacke der Marke Provida, von denen einige Nuancen Demeter-zertifiziert sind, sowie Lacke der Marken Alterra und Aquarella.

Von dem Naturkosmetikhersteller Sante gibt es zwar keine Farblacke, aber immerhin einen durchsichtigen Unter- beziehungsweise Überlack, der das Natrue-Siegel trägt und ebenfalls aus besonders wenigen Inhaltsstoffen besteht.

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