Corona-Impfpflicht in der PflegeBraucht es sie in Deutschland überhaupt noch?

Lesezeit 6 Minuten
Impfpflicht-neu

Eine Pflegerin spricht mit der Bewohnerin eines Pflegeheimes.

  • Die Einführung einer einrichtungsbezogenen Impfpflicht in Deutschland steht kurz bevor.
  • Indem sich Mitarbeitende im Gesundheits- und Pflegewesen gegen Covid-19 impfen lassen, sollen gleichzeitig vulnerable Gruppen wie Ältere geschützt werden.
  • Doch der Effekt einer solchen Impfpflicht könnte am Ende kleiner ausfallen als erhofft.

Am Mittwoch tritt die einrichtungsbezogene Impfpflicht in Deutschland in Kraft. Das heißt konkret: Beschäftigte im Gesundheits- und Pflegewesen müssen gegen Covid-19 geimpft oder genesen sein oder ein ärztliches Attest besitzen, das sie von einer Corona-Impfung freistellt. Ansonsten droht ihnen in letzter Konsequenz die Kündigung. Noch bis zum 15. März haben alle Mitarbeitenden in den Krankenhäusern, Tageskliniken, Arztpraxen, Pflegeheimen und weiteren medizinischen und pflegerischen Einrichtungen Zeit, ihren Arbeitgebern einen Nachweis über ihren Impfstatus vorzulegen.

Bundestag und Bundesrat hatten die Impfpflicht für medizinisches und pflegerisches Personal im Dezember vergangenen Jahres verabschiedet – mit dem Ziel, besonders vulnerable Gruppen wie ältere und immungeschwächte Menschen vor Infektionen mit dem Coronavirus und schweren Krankheitsverläufen zu schützen. Hintergrund war auch die damals geringe Impfquote von weniger als 70 Prozent Erst- und Zweitimpfungen.

Inzwischen ist die Impfkampagne in Deutschland weiter vorangeschritten: Knapp 76 Prozent der Menschen in Deutschland sind grundimmunisiert, sie haben also zwei Impfungen erhalten; etwa 58 Prozent sind sogar schon geboostert. Hinzu kommt, dass mit Omikron eine Virusvariante vorherrschend ist, die insgesamt seltener zu schweren Krankheitsverläufen führt. Braucht es da überhaupt noch eine einrichtungsbezogene Impfpflicht?

Alles zum Thema Robert-Koch-Institut

RKI verzeichnet mehr Corona-Ausbrüche in Kliniken und Altenheimen

Die Impfquote in Deutschland ist in den vergangenen Wochen zwar weiter gestiegen, dennoch gibt es nach wie vor eine hohe Zahl an Infektionen mit dem Coronavirus – auch im Gesundheits- und Pflegewesen. Das Robert Koch-Institut (RKI) listet in seinem aktuellen Wochenbericht 1416 neue Covid-19-Fälle in Ausbrüchen in medizinischen Einrichtungen und 7678 Fälle in Ausbrüchen in Alten- und Pflegeheimen, die der Behörde zwischen dem 28. Februar und 6. März gemeldet wurden.

Die Virusvariante Omikron, die derzeit für die meisten Infektionen verantwortlich ist, verursacht zwar eher milde Symptome, das bedeutet jedoch nicht, dass sie vollkommen harmlos ist. Es ist durchaus möglich, nach Kontakt mit dem Erreger schwer zu erkranken oder zu versterben. Ein erhöhtes Risiko für schwere Krankheitsverläufe haben gerade ungeimpfte Menschen, aber auch vulnerable Gruppen wie Ältere und Immungeschwächte.

Letztere, die zumeist in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen versorgt werden, könnten durch eine Impfpflicht geschützt werden. Lassen sich die behandelnden Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegekräfte gegen Covid-19 impfen, reduzieren sie damit ihr eigenes Infektions- und Erkrankungsrisiko, und es entsteht ein Transmissionsschutz. Das heißt, die Wahrscheinlichkeit, das Coronavirus auf andere zu übertragen, sinkt.

Nicht nur Ärzte, sondern auch Patienten profitieren von Impfung

Vollkommen immun gegen das Coronavirus machen die Impfungen jedoch nicht. Zumal die Virusvariante Omikron in der Lage ist, die Immunantworten von Geimpften und Genesenen teilweise zu umgehen. Sie können sich also weiterhin mit der Corona-Variante infizieren – wenngleich eine Ansteckung bei ihnen seltener vorkommt und milder verläuft als bei Ungeimpften.

Berücksichtigt werden muss zudem, dass der Transmissionsschutz mit der Zeit nachlässt. Deshalb ist es sinnvoll, wenn nicht nur die Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegekräfte gegen Covid-19 geimpft sind, sondern auch die von ihnen betreuten Patientinnen und Patienten beziehungsweise Pflegeheimbewohnerinnen und Pflegeheimbewohner, um so schwere Erkrankungen und Todesfälle vorzubeugen. Doch diese sind von der einrichtungsbezogenen Impfpflicht ausgenommen.

Mehrheit der Pflegekräfte bereits gegen Covid-19 geimpft

Wie aus den Daten des offiziellen Impfdashboards des Bundesgesundheitsministeriums hervorgeht, sind allein in der Altersgruppe der über 60-Jährigen noch rund drei Millionen Menschen ungeimpft; bei den 18- bis 59-Jährigen sind es sogar etwa 7,4 Millionen. Auf diese Impflücke, die über das weitere Infektionsgeschehen in Deutschland mit bestimmt, dürfte sich eine einrichtungsbezogene Impfpflicht wohl nur geringfügig auswirken.

Schließlich scheint die Impfquote im Gesundheits- und Pflegewesen ohnehin schon sehr hoch zu sein, wie die Ergebnisse der jüngsten Kroco-Befragung des RKI nahelegen. Unter den mehr als 16.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus 104 Krankenhäusern, die zwischen dem 18. Oktober und 15. November 2021 von der Behörde zu ihrem Impfstatus befragt wurden, waren 92 Prozent schon zweifach geimpft. 16 Prozent hatten bereits eine Auffrischungsimpfung erhalten. Noch höher war der Anteil der Boosterimpfungen bei Klinikpersonal mit Kontakt zu vulnerablen Patientinnen und Patienten.

Impfquote variiert je nach Bundesland

Natürlich repräsentiert die RKI-Befragung nur einen kleinen Teil der Belegschaft im Gesundheits- und Pflegebereich. Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums haben mit Stand Ende November vergangenen Jahres etwa 5,8 Millionen Menschen im Gesundheitswesen gearbeitet. Dennoch: Die Ergebnisse sind mit den Angaben von Pflegeverbänden und Krankenhäusern vergleichbar. So teilte beispielsweise Martin Kreis, Vorstand für die Krankenversorgung in der Berliner Charité, mit: „Ich bin sehr zufrieden, dass wir in der Charité eine Impfquote von 94 Prozent bei medizinischem Personal aufweisen können.“

Die Impfquote in den Einrichtungen habe schon vor Einführung der Impfpflicht weit höher gelegen als im Bevölkerungsdurchschnitt, erklärte auch eine Sprecherin des Paritätischen Wohlfahrtsverbands in Hessen. In stationären Pflegeeinrichtungen betrage sie beispielsweise 91 Prozent, in teilstationären Einrichtungen 95 Prozent. Ähnliche Werte meldete das niedersächsische Landesgesundheitsministerium: In allen Bereichen der stationären und ambulanten Pflege liege die Impfquote bei mindestens 90, teilweise bei bis zu 95 Prozent. In Sachsen seien hingegen etwa ein Drittel der 300.000 Beschäftigten noch nicht geimpft, so Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD).

Bundestag berät über allgemeine Impfpflicht

Statt einer einrichtungsbezogenen Impfpflicht könnte es also eher eine allgemeine Impfpflicht für Personen ab 18 Jahren brauchen, um maßgeblich auf das Infektionsgeschehen Einfluss zu nehmen, die Impflücke schnellstmöglich zu schließen und so viele schwere Erkrankungen und Todesfälle wie möglich zu verhindern. In dieser Woche (17.3.) will der Bundestag zum ersten Mal über die eingereichten Gesetzesentwürfe zur allgemeinen Impfpflicht beraten.

Für eine allgemeine Impfpflicht in Deutschland hatte sich auch der Deutsche Pflegeverband ausgesprochen. „Der Fokus auf die Einrichtungen greift zu kurz“, hatte die Präsidentin des Verbands, Christine Vogler, Anfang Februar im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland moniert – und gleichermaßen gewarnt: „Was wir wissen, ist, dass die Personaldecke so dünn ist, dass wir uns keinen weiteren Verlust einer Pflegefachperson mehr leisten können.“ Ähnlich ist die Situation aktuell in den Krankenhäusern.

Kein einheitliches Vorgehen bei einrichtungsbezogener Impfpflicht

Selbst vonseiten der Länderchefs hatte es Kritik an der Impfpflicht im Gesundheits- und Pflegewesen gehagelt. Anfang Februar hatte erst Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) angekündigt, die Impfpflicht im Gesundheits- und Pflegewesen in seinem Bundesland nicht umzusetzen, dann hatte sich schließlich auch die Union für eine bundesweite Aussetzung der Teil-Impfpflicht ausgesprochen. Feststeht mittlerweile: Die Länder werden die Impfpflicht unterschiedlich streng umsetzen. Bayern will nun etwa den ungeimpften und nicht genesenen Mitarbeitenden zunächst Beratungsangebote unterbreiten, um sie doch noch von einer Impfung zu überzeugen. In anderen Bundesländern wie Baden-Württemberg oder Sachsen-Anhalt sollen sich hingegen gleich die Gesundheitsämter einschalten und zur Vorlage der gesetzlich festgelegten Nachweise auffordern.

Bei einer Diskussionsveranstaltung mit Medizinerinnen und Medizinern in der Kleinstadt Dippoldiswalde bei Dresden betonte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erneut die Notwendigkeit einer einrichtungsbezogenen Impfpflicht: „Wir müssen in der Medizin und in der Pflege diejenigen Menschen schützen, die uns anvertraut sind. Da ist es nicht akzeptabel, dass wir ein Risiko eingehen, andere zu infizieren, die auf unseren Schutz angewiesen sind und dann möglicherweise schwer erkranken oder sogar sterben“, sagte er am vergangenen Dienstag. Von einer einrichtungsbezogenen Impfpflicht Abstand zu nehmen, stehe nicht zur Debatte. „Das werden wir nicht tun. Sie gilt.“

(mit Material der dpa und epd)

KStA abonnieren