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CoronavirusWie die Bundesregierung in der Krise gegen die AfD trumpfen kann

Lesezeit 3 Minuten
Spahn und Merkel 140320

Jens Spahn und Angela Merkel (r.)

Berlin – Will man wissen, was Alice Weidel zur Viruskrise sagt? Eigentlich nicht. Es gibt Wichtigeres in diesen Tagen. Wer aber kurz innehält, stellt fest: Gerade in diesem neuen Desinteresse liegt etwas Interessantes. Das Virus reduziert die Relevanz der Radikalen.

Natürlich zog die AfD-Fraktionsvorsitzende auch bei diesem Thema alle Register, streng und schrill wie immer. „Das Nichtstun der Bundesregierung“, giftete sie diese Woche, „gefährdet Leib und Leben der Menschen.“ Die Regierenden interessierten sich einfach nicht mehr fürs Volk. Doch wer applaudiert noch solchen abgedrehten Tiraden? Der Kreis der Claqueure wird kleiner, es sind nur noch die unrettbaren hartnäckigen Hasser.

Coronavirus: Union und SPD arbeiten endlich zusammen

Die breite Mehrheit ist mit ihren Gedanken ganz woanders. Beklommen blicken die Deutschen auf eine vor ihnen liegende bedrohliche Wegstrecke für sich und ihre Familien - und justieren jetzt erstmal ihren Kompass neu. Die Aufmerksamkeit wandert zurück zu jenen, die nicht mit großen Worten hantieren, sondern mit großer Verantwortung: zu Kanzlerin Angela Merkel etwa und zu ihren sozialdemokratischen Ministern für Finanzen und für Arbeit, Olaf Scholz und Hubertus Heil.

Alles zum Thema Angela Merkel

So ändern sich die Zeiten. Eben noch grübelte die große Koalition hohläugig über ihren Seinsgrund - jetzt krempeln Union und SPD die Ärmel hoch und zeigen, was sie können. Binnen 24 Stunden wurden soeben wichtige Neuregelungen zum Kurzarbeitergeld im Bundestag beschlossen, vom Bundesrat gebilligt und vom Bundespräsidenten unterschrieben.

Gleich danach setzten sich Arbeitgeber und Gewerkschaften mit der Regierung zusammen. Die Lösung aller Fragen freilich liegt in all dem noch nicht. Man tastet sich behutsam weiter durch unausgeleuchtetes Terrain. Doch schon darin, dass man dies gemeinsam tut, liegt ein gutes Signal fürs ganze Land.

Coronavirus: US-amerikanische Politik spielt Bedrohung herunter

Wie es auch anders - und sehr viel schlechter - gehen kann, zeigen die USA. Dort geriet die Virusabwehr in den Parteienstreit. Die Demokraten meinen, der Präsident müsse viel mehr tun, viele Republikaner dagegen glauben, die ganze Aufregung sei übertrieben – so entsteht keine funktionierende Virenabwehrpolitik.

Krisen, das haben in Deutschland schon die Finanzkrisenjahre 2008 und 2009 gezeigt, bewältigt man am besten im Konsens. Jetzt ist nicht die Zeit für einen Austausch von Hässlichkeiten, sondern für eine Besinnung aufs Gemeinsame. Machtkämpfe, ob innerhalb oder zwischen den Parteien, haben jetzt mal Pause. Dass etwa der CDU-Bundesparteitag auf unbestimmte Zeit verschoben wurde, erscheint nicht nur unter Gesichtspunkten der Virenabwehr vernünftig: Es geht jetzt gerade mal nicht um Friedrich Merz.

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Das Publikum entdeckt die Aufgabe von Politikern neu. Es geht nicht um ihre Talkshowqualitäten. Sie sollen keine Entertainer sein, sondern der Gemeinschaft dienen, mit maximalem Ernst und minimaler Eitelkeit. „Per aspera ad astra“, heißt eine lateinische Redewendung: Der Weg zu den Sternen führt durch Widrigkeiten.

Jens Spahn nimmt mit Fleiß die Rolle des Krisenlösers an

Jens Spahn hat als Gesundheitsminister diesen Weg eingeschlagen. Dass er in schwieriger Zeit mit großem Fleiß eine dienende Rolle einnimmt, ist gut für alle Beteiligten, langfristig sogar für ihn selbst.

Ein großer Teil der Krisenbewältigung läuft heute erneut hinter den Kulissen, ohne ständigen Applaus für die eine oder andere Szene. Nach außen hin geht es wie damals viel um Psychologie, um die Eindämmung ausufernder Ängste. Unvergessen bleibt, wie die Kanzlerin und ihr damaliger Finanzminister Peer Steinbrück inmitten extrem nervöser öffentlicher Debatten stoische Ruhe demonstrierten.

Lässt sich der damalige Erfolg wiederholen? Garantien dafür gibt es leider nicht. Die schlechte Nachricht ist: Die Corona-Krise könnte sich als deutlich größere Herausforderung entpuppen als die Bankenkrise. Im schlimmsten Fall droht wegen virusbedingter ökonomischer Schäden sogar eine neue Finanzkrise, von noch größerem Format als damals. Doch es gibt auch eine gute Nachricht: In Berlin kennt man die Wege. Und man weiß, dass sie über die Mitte führen. (RND)

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