Donald TrumpAufwiegelung, Entlassungen: Die große Wut des Wahlverlierers

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Donald Trump Wut

Donald Trump kann nicht akzeptieren, dass Joe Biden ihn ablösen wird.

Washington – Die Frage war eigentlich ganz einfach. Ob sein Ministerium die Übergabe an das Team des neugewählten Präsidenten Joe Biden vorbereite, wollte am Dienstagnachmittag ein Reporter vom amerikanischen Außenminister Mike Pompeo wissen. Tagelang war der Top-Diplomat in Washington abgetaucht und hatte sich allen Fragen zum Wahlausgang entzogen. Nun musste Pompeo antworten: "Es wird einen reibungslosen Übergang geben", antwortete er und setzte mit maliziösem Lächeln hinzu: "Zu einer zweiten Trump-Regierung."

 Der Mann, der Staaten in aller Welt zur Einhaltung demokratischer Spielregeln ermahnt, macht sich zum Propagandisten eines Möchtegern-Autokraten. Soweit ist es gekommen in dem bizarren Kampf von Donald Trump und seinen verbliebenen Getreuen um das Weißen Haus. Eine Woche nach der Präsidentschaftswahl wird bei der Auszählung der letzten Stimmen der Abstand zwischen ihm und dem Sieger Joe Biden immer größer. "Es gibt kein Szenario, in dem das Ergebnis gekippt werden könnte", analysiert der Politologe Michael McFaul von der Elite-Universität Stanford. In der Regierung zeigen sich erste Auflösungserscheinungen: Vizepräsident Mike Pence gönnt sich einen Kurzurlaub, viele Mitarbeiter sehen sich nach neuen Jobs um, und Stabschef Mark Meadows fällt wegen einer Corona-Erkrankung aus.

Doch umso wilder wütet der Präsident, der seine Niederlage auf keinen Fall akzeptieren will. Mit einem schroffen Tweet feuerte er am Montag seinen Verteidigungsminister Mark Esper. Als nächstes, berichten mehrere US-Medien, könnte er FBI-Chef Christopher Wray und CIA-Chefin Gina Haspel vor die Tür. Der ebenfalls gefährdete Justizminister William Barr lieferte eilig einen Loyalitätsbeweis und ermunterte die Staatsanwaltschaften, angeblichen Unregelmäßigkeiten bei der Wahl nachzugehen, noch bevor die Ergebnisse amtlich festgestellt sind. "Er will bei seinem Abgang soviel wie möglich kaputtmachen", warnt Mary Trump, die Nichte des Präsidenten düster bei Twitter: "Bleibt wachsam! Das ist ein versuchter Coup!"

Strategie oder gekränkter Narzissmus?

Ob Trump bei seinen destruktiven Aktionen eine Strategie verfolgt oder sich aus gekränktem Narzissmus an all jenen rächt, die nicht hundert Prozent folgsam waren, scheint unklar. So streiten die Beobachter in Washington, ob der Präsident seinen Verteidigungsminister entließ, weil er in seinen letzten Amtswochen bis zum 20. Januar einen überstürzten Truppenabzug aus Afghanistan oder gar einen Einsatz des Militärs im Inneren plant. Klar ist nur die verheerende Wirkung. „Das alles fühlt sich nach einem letzten Abfackeln an. Er spielt mit Feuer und mit unserer nationalen Sicherheit“, warnt James Stavridis, der ehemalige Oberbefehlshaber der Nato-Truppen in Europa. Auch der demokratische Senator Chris Coons sagte beim Sender CNN: „Er kann viel Zerstörung anrichten, indem er jede größere Behörde destabilisiert und eine große Menge erfahrener Führungspersönlichkeiten feuert.“

Persönlich hat sich Trump seit Donnerstag nicht mehr in der Öffentlichkeit gezeigt, und auch für Dienstag stand kein Termin auf seinem Kalender. Allerdings wird gemunkelt, dass er schon bald eine Kundgebung abhalten könnte, um seine Anhänger aufzuhetzen. Die hält er bis dahin mit permanenten Tweets zu angeblichen Wahlfälschungen bei Laune. „Wir machen große Fortschritte“, twitterte er am Dienstag ohne Belege: „Wir werden gewinnen.“ Trump schüre in den Onlinemedien regelrechte Fieberträume, kommentiert die Washington Post: „Dies sind Fantasien. Aber sie sind gefährlich.“

Tatsächlich zeigt die präsidiale Desinformationskampagne in der Öffentlichkeit bedenkliche Wirkung. Nach einer aktuellen Umfrage des Instituts Morningconsult glauben inzwischen 70 Prozent der republikanischen Wähler, dass die Wahl nicht frei und fair war. Als vor zwölf Jahren der republikanische Bewerber John McCain dem Demokraten Barack Obama unterlag, hatte der Anteil der Republikaner, die die Abstimmung in Frage stellten, noch unter 40 Prozent gelegen.

Unterstützung von den Republikanern

Das Establishment der republikanischen Partei aber macht wenig Anstalten, Trump mit seinen Verschwörungsfantasien zu stoppen. Mitch McConnell, der wiedergewählte Mehrheitsführer im Senat, preist tatsächlich gleichzeitig die Erfolge seiner Partei bei den Parlamentswahlen und stellt das Ergebnis der Präsidentenwahl in Frage. Erst vier republikanische Senatoren haben Joe Biden als künftigen Präsidenten anerkannt. Faktisch hingegen kann der Sieg dem Demokraten nach Meinung fast aller Experten nicht mehr genommen werden. Bidens Vorsprung in Pennsylvania ist mit inzwischen 45.000 Stimmen viel zu groß, um durch eine Neuauszählung annulliert werden zu können.

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