FinCEN-FilesVerdacht auf Geldwäsche bis in die höchsten Kreise

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Deutsche Bank

Die Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt am Main

Frankfurt/Main – 16 Monate lang hat ein internationales Team aus mehr als 400 Journalisten/innen einen riesigen Datensatz ausgewertet, der aus der Abteilung des US-Finanzministeriums stammt, die für Geldwäsche zuständig ist. Verdächtige Transaktionen mit einem Volumen von rund 2000 Milliarden Dollar wurden analysiert. Das Ergebnis: Fünf der wichtigsten Banken weltweit haben in den Jahren 2000 bis 2017 Zahlungen für hochgradig fragwürdige Geschäfte organisiert. Das Geld soll von Mafiosi, Millionenbetrügern und sanktionieren Oligarchen gekommen sein. Auch der Vorwurf der Terrorfinanzierung steht im Raum.

Das System funktionierte immer wieder nach dem gleichen Muster: “Geld fließt im Zickzack über zahlreiche Briefkastenfirmen, die in Steuerparadiesen angemeldet sind und oft verschleiern, wem sie gehören”, schreibt das Medienportal Buzzfeed News, das an den Recherchen beteiligt war. Banken würden die Zahlungen zunächst freigeben. Dafür kassieren sie in der Regel üppige Gebühren. Die verdächtigen Geldflüsse würden aber oft erst nach Monaten oder gar Jahren den Behörden gemeldet.

Deutsche-Bank-Manager sollen von Problemen gewusst haben

Auch die Deutsche Bank (DB) steht am Pranger. So soll eine russische Tochter des Geldinstituts dabei geholfen haben, verdächtiges Geld in den Westen zu schaffen. Die sogenannten FinCEN-Files zeigten, dass wichtige Manager offenbar über Jahre von den Problemen gewusst hätten. Dazu gehöre Christian Sewing, der heutige Chef der Bank, der seinerzeit Leiter der Konzernrevision gewesen sei. Eines seiner Teams habe damals grünes Licht gegeben, obwohl das Moskauer Büro noch keine echte Prüfung habe durchführen können. Sogar von dem Geldhaus selbst beauftragte Experten hätten später “schwerwiegende Mängel” festgestellt. Ferner habe die Deutsche Bank unter anderem verdächtige Zahlungen für anonyme Kunden der Danske Bank Estland in Milliardenhöhe abgewickelt.

1500 Beschäftige arbeiten im Kampf gegen Geldwäsche

Die Deutsche Bank teilt mit: Die “historischen Themen” seien den Aufsichtsbehörden bekannt. “Die Themen wurden bereits untersucht und führten zu Einigungen mit den Behörden, in denen die Zusammenarbeit und die Mängelbeseitigung der Bank öffentlich anerkannt wurden.” Zu den Vorwürfen gegen Sewing sagte ein Sprecher: Die Annahme, dass er für eine späte Aufarbeitung dieser Geschäfte Mitverantwortung trage, sei “konstruiert und falsch”. Sewing sei an fraglichen Prüfungen weder direkt noch indirekt beteiligt gewesen. Er habe in seiner kurzen Zeit als Chef der Revision diese neu aufgestellt und deren Ausbau begonnen.

Generell handele es sich um Vorgänge zum großen Teil aus der Zeit vor 2016, die aufgearbeitet seien. Seit 2016 habe die Bank ihren Kampf gegen Geldwäsche enorm intensiviert. 2015 seien dafür noch 500 Beschäftigte zuständig gewesen. Heute seien es weltweit 1500 Frauen und Männer. Die Deutsche Bank ist für frühere Vergehen gegen Geldwäsche-Bestimmungen in den USA bestraft worden.

Größte US-Bank und Ex-Wahlkampfchef von Trump im Visier

Die Analysen des Internationalen Konsortiums für investigativen Journalismus (ICIJ) beziehen sich auch auf JP Morgan (die größte US-Bank), die Bank of New York Mellon und die britischen Institute HSBC und Standard Chartered. Letzteres kooperierte mit der Arab Bank, die wiederum im Verdacht steht, Geld für Terroristen bewegt zu haben. JP Morgan soll Transaktionen für Unternehmen organisiert haben, die mit der organisierten Kriminalität in Verbindung stehen. Und die HSBC soll große Summen in einem illegalen Schnellballsystem bewegt haben.

Auch über Paul Manafort, Ex-Wahlkampfchef von Donald Trump, wird berichtet. Er wurde unter anderem wegen Bankbetrugs verurteilt. JP Morgan soll Geldgeschäfte von Manafort noch durchgewinkt haben, als Geldwäsche- und Korruptionsvorwürfe gegen ihn längst bekannt waren. Erst Jahre später seien Verdachtsmeldungen geschrieben worden.

Die Grünen fordern EU-weite Geldwäscheauficht

Die Grünen im Europaparlament sprachen in Anbetracht der FinCEN-Files von “Staatsversagen in großem Stil”. Sven Giegold, Finanzexperte der Öko-Fraktion, kündigte an, eine Anhörung im Steuerausschuss des Parlaments auf den Weg zu bringen. “Interessant dürfte vor allem sein, wann genau welche der beteiligten Banken zuletzt fragwürdige Geschäfte gemacht hat”, sagte er. Er fordert, zügig eine EU-weite Geldwäscheaufsicht einzurichten. Der Widerstand vieler Mitgliedstaaten gegen diese Institution sei ein Skandal.

Giegold macht sich zudem für ein strengeres Unternehmens-Sanktionsrecht in Deutschland stark, das derzeit von Bundesländern mit CDU/CSU-Regierungsbeteiligung blockiert werde. Für Banken sei derzeit der Anreiz relativ niedrig, keine kriminellen Geschäfte mehr zu machen. Denn es drohten maximal Geldstrafen von nur zehn Millionen Euro. Strafen gegen Kartellverstöße könnten erheblich höher ausfallen.

“Öffentliche Schmach”: Die Anti-Geldwäschebehörde FIU

CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber beklagte, “dass EU-Mitgliedstaaten bestehende Vorschriften nur halbherzig umsetzen, sich untereinander nicht koordinieren und dass es keine europäische Aufsicht mit echten Durchgriffsrechten gibt”. Zudem: Die hiesige Anti-Geldwäschebehörde FIU sei ein “Musterbeispiel dafür, was beim Kampf gegen Geldwäsche alles falsch läuft”.

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Die FIU wurde im Sommer 2017 trotz massiver Bedenken von Experten in die Zoll-Verwaltung eingegliedert. Verantwortlich dafür war der damalige Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Die Behörde leidet unter Personal- und Knowhow-Mangel. Vorläufiger Höhepunkt “der öffentlichen Schmach”, so die Gewerkschaft der Polizei (GdP), war Mitte Juli die Durchsuchung der Amtsräume wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt. Meldungen von Banken über Geldwäscheverdacht sollen nicht rechtzeitig an die zuständigen Staatsanwälte weitergeleitet worden sei. Auch beim Skandal um den kollabierten Zahlungsabwickler Wirecard hat die FIU bei einer internen Überprüfung Verdachtsmeldungen entdeckt, die nicht an die Ermittlungsbehörden weitergegeben wurden.

Die GdP sieht grundsätzliche Probleme: Die FIU verfüge “nicht im Ansatz über die nötigen Daten und die nötige strategisch-fachliche Ausrichtung, um fundierte und belastbare Verdachtslagen auf organisierte Kriminalität und Terrorismusfinanzierung zu generieren”. Es fehle den Beamten vor allem an Zugängen zu polizeilichen und nachrichtendienstlichen Daten.

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