Hassobjekt der VerschwörungstheoretikerGates treibt Suche nach Impfstoff weiter an

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Bill Gates

Bill Gates (2018)

  • Schon früh warnte der Microsoft-Gründer Bill Gates vor den Gefahren einer weltweiten Pandemie.
  • In der Corona-Krise mutiert er zum Hassobjekt aller Verschwörungstheoretiker.
  • Unbeirrt treibt der Milliardär mit seinem Geld die Suche nach einem Impfstoff voran.

Washington – Der harmlose Videoclip dauert nur drei Sekunden. Ein Mann im blauen Pulli klebt ein Schild in sein Fenster. “Thank you, health care workers” steht darauf – ein Dank an Ärzte und Pfleger, die gegen das Coronavirus kämpfen. Mitte April hat Bill Gates die Botschaft bei Instagram veröffentlicht. Die Resonanz ist ebenso überwältigend wie befremdlich: Mehr als 430.000 Kommentare stehen inzwischen unter dem Post. Fast alle attackieren wütend den reichen Unternehmer und Mäzen. “Kein Völkermord!”, schreibt einer. “Trink Dein Gift selber!”, fordert ein anderer. “Warum trägt Melinda das Kreuz falsch herum?”, unkt ein Dritter.

Nicht nur im Internet pöbeln die Trolle. Auch auf Anti-Lockdown-Demonstrationen rund um den Globus wird der Mitgründer des Softwaregiganten Microsoft verteufelt. Mal infiziert er angeblich die Menschheit durch 5G-Mobilfunkstrahlen, mal will er ihr Mikrochips einpflanzen. Der Multi-Milliardär, der seit zwei Jahrzehnten Programme zur Gesundheitsversorgung und Armutsbekämpfung finanziert, ist in der Corona-Pandemie zur Hassfigur einer wilden Koalition von rechten Konspirationstheoretikern, Impfverweigerern und Abtreibungsgegnern geworden. Sachliche Kritik am Einfluss der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung, die über ein gewaltiges Stiftungskapital von 47 Milliarden Dollar verfügt, hat es schon früher gegeben. Doch die grotesken Verschwörungsphantasien sind von einer anderen Qualität.

Eine Pandemie sei gefährlicher als ein Krieg, warnte Gates

Paradoxerweise wird Gates vor allem deshalb attackiert, weil er früher als andere vor den Gefahren einer weltweiten Pandemie gewarnt hatte. Schon vor fünf Jahren mahnte er in einer Rede, nicht ein Atomkrieg, sondern ein infektiöses Virus könnten zur größten Gefahr für die Menschheit werden. Bei einem Treffen mit US-Präsident Donald Trump 2018 beklagte er, dass sich die Welt nicht schnell genug auf ein solches Szenario vorbereite. Daraus konstruieren Wirrköpfe nun, dass der zweitreichste Mann der Welt irgendwie hinter dem aktuellen Corona-Ausbruch stecke.

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Vor ein paar Wochen war Gates im schwarzen Strickpulli in der "Daily Show", einer populären amerikanischen Late-Night-Talkshow, zugeschaltet. "So wie die Welt ist, muss ich Sie zuerst fragen: Wussten Sie 2015 schon von dem Virus?", leitete Moderator Trevor Noah das Interview ein. Natürlich nicht, antwortete der 64-Jährige ruhig. Sein Ziel sei es gewesen, die Regierungen zu höheren Vorsorgeinvestitionen zu drängen: "Leider haben wir die Zeit nicht genutzt, um eine Impfstoff-Fabrik aufzubauen."

Gates prangert Krisenpolitik von Präsident Trump an

Ausgerechnet im Bundesstaat Washington, nur elf Meilen von Gates’ Wohnort entfernt, war Ende Februar der erste amerikanische Bürger an Covid-19 gestorben. Inzwischen liegt die Todeszahl in den USA knapp unter 100.000. Gates scheut sich nicht, die Krisenpolitik von Präsident Trump anzuprangern. “Es steht außer Frage, dass die Vereinigten Staaten die Chance verpasst haben, dem Coronavirus zuvorzukommen”, monierte er in der Washington Post.

Er kritisierte die fehlende nationale Strategie für einen Lockdown, den Verdrängungskampf der Gouverneure um Schutzkleidung und die zu geringen Testkapazitäten. Als Trump ankündigte, der Weltgesundheitsorganisation WHO die US-Mittel zu streichen, twitterte Gates: “Die Finanzierung der Weltgesundheitsorganisation während einer Welt-Gesundheitskrise zu stoppen, ist so gefährlich, wie es klingt.” Keine andere Organisation könne die Ausbreitung des Virus verlangsamen: “Die Welt braucht die WHO mehr denn je.”

Zu viel Einfluss auf die WHO?

Mit diesem Tweet ist der Unternehmer endgültig in den Fokus der Trump-Unterstützer und des rechten US-Kabelsenders Fox News geraten. Paradoxerweise werfen andere Kritiker dem Geschäftsmann seit längerem vor, mit einer jährlichen Spende von 368 Millionen Dollar zu viel Einfluss auf die WHO zu haben. Nach dem Rückzug der US-Regierung, die bislang der größte Geber war, wächst die tatsächlich problematische Abhängigkeit der Organisation von privatem Geld und Mitteln aus China nun noch weiter.

Gates vergleicht die Zäsur der Corona-Pandemie mit dem prägenden Eindrucks des Zweiten Weltkriegs auf die Generation seiner Eltern. Aber es gebe einen entscheidenden Unterschied: “Mit den richtigen Werkzeugen und einem klugen Ansatz werden wir letztlich das Ende der Pandemie erklären.” Der Glaube an die Beherrschbarkeit aller Herausforderungen prägt das Denken des Naturwissenschaftlers, der im jugendlichen Alter von 13 Jahren sein erstes Computerprogramm schrieb. Und er macht ihn zum roten Tuch für die Gegner der Aufklärung.

300 Millionen Dollar für die Suche nach einem Impfstoff

Rund 300 Millionen Dollar für die Suche nach einem Impfstoff Ein normales Leben, davon ist Gates überzeugt, wird es erst wieder mit einer Impfung gegen das heimtückische Virus geben. Also hat seine Stiftung, die schon 2014 maßgeblich den Kampf gegen Ebola vorantrieb, rund 300 Millionen Dollar für die Suche nach einem Wirkstoff investiert. Sie zahlt nicht nur für die Forschung, sondern reserviert schon jetzt Fabriken, in denen der Impfstoff nach seiner Entwicklung massenhaft hergestellt werden kann.

Die Zeit drängt. Weltweit haben inzwischen 330.000 Menschen durch Covid-19 ihr Leben verloren. “Ich fühle mich furchtbar”, hat Gates neulich im Wall Street Journal gestanden. Dafür sind nicht etwa die Pöbeleien gegen seine Person verantwortlich. Im Gegenteil: “Ich wünschte, ich hätte mehr getan, um die Aufmerksamkeit auf die Gefahr zu lenken.” (rnd)

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