Jüngste Abgeordnete zur Impfpflicht„Ich war, verdammt noch mal, nicht einmal im Club“

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Emilia Fester (Bündnis 90/Grüne) spricht im Bundestag zur Impfpflilcht.

Berlin – Die Debatte über die Einführung einer Impfpflicht läuft bereits eine Stunde, da tritt mit Emilia Fester die jüngste Bundestagsabgeordnete ans Mikrofon und hält die emotionalste Rede dieser Aussprache: Sie habe aus Vorsicht und Rücksicht in den vergangenen zwei Pandemiejahren auf vieles verzichtet, beginnt die 23-Jährige.

„Ich war nicht in der Uni, ich war nicht im Ausland. Ich habe kein Museum und auch kein Festival besucht. Ich habe nicht mal eine Person, die ich noch nicht kannte, geküsst oder meinen Geburtstag gefeiert. Ich war, verdammt noch mal, nicht einmal in einem Club. Tanzen, feiern und all das, was ich so vermisse“, sagt sie.

Fester für allgemeine Impfpflicht

Das, so die Grünen-Politikerin in ihrer ersten Bundestagsrede am Mittwoch, erscheine manchem vielleicht lächerlich. Doch wirklich lächerlich sei etwas anderes, sagt sie an die AfD-Fraktion gewandt: „Wenn Sie sich hätten impfen lassen, dann wären wir jetzt alle wieder frei.“ Und auch den Koalitionspartner FDP verschont sie nicht: „Liebe FDP-Fraktion, nur weil man die Pandemie für beendet erklärt, ist sie noch nicht vorbei.“

Alles zum Thema Karl Lauterbach

Fester ist für eine allgemeine Impfpflicht, wie die 236 Abgeordneten, die den Gruppenantrag auf der Drucksachennummer 20/899 unterschrieben haben. Er sieht vor, dass alle Erwachsenen bis zum 1. Oktober einen Impf- oder Genesenennachweis vorlegen müssen. Andernfalls drohen Bußgelder. Prominente Fürsprecher in dieser ersten Beratung der fünf unterschiedlichen Anträge sind auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).

Natürlich wäre es besser, wenn sich die Menschen freiwillig in großer Zahl impfen lassen würden, so Habeck. Da das aber nicht geschehe, habe der Gesetzgeber die Verantwortung, „dass wir wieder ein freies Leben haben“, mahnt der Minister. „Die Freiheitsinterpretation der wenigen darf nicht zur permanenten Freiheitseinschränkung der vielen führen“, betont er.

Lauterbach kritisiert Ungeimpfte

Lauterbach wirft Ungeimpften vor, sie trügen „die Verantwortung dafür, dass wir nicht weiterkommen“. Mit der Impfpflicht habe man die Chance, aus der Pandemie herauszukommen. „Dass es im Herbst keine neue Corona-Welle gibt, ist genauso wahrscheinlich wie, dass es keinen Herbst geben wird“, warnt er.

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Für den von ihm maßgeblich formulierten Gruppenantrag mit einer Beratungspflicht und einer Art Vorratsimpfpflicht ab dem 50. Lebensjahr wirbt der FDP-Abgeordnete Andrew Ullmann. Eine Impfpflicht dürfe nur Ultima Ratio sein, sagt er. Paula Piechotta von den Grünen betont. auch eine begrenzte Impfpflicht könne helfen, die Infektionszahlen zu senken.

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Ihrer Linie treu bleiben auch die Gegner einer Impfpflicht rund um Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP). Er empfehle eine Impfung mit Nachdruck, sagt Manuel Höferlin (FDP). Gefährdete Gruppen müssten geschützt werden, „aber nicht vor sich selbst“. Die Grünen-Abgeordnete Tabea Rößner argumentiert, eine Impfpflicht sei nur schwer zu rechtfertigen, wenn sie vor allem dem eigenen Schutz diene, wegen der weiter bestehenden Ansteckungsgefahr aber nicht dem Schutz anderer.

Union und AfD, die sich den Gruppenanträgen verweigern, setzen sich in der Debatte für ihre jeweiligen Fraktionsanträge ein. Zum jetzigen Zeitpunkt sei die Impfpflicht tot, so der CDU-Abgeordnete Sepp Müller und verteidigt den Vorschlag, zunächst ein Impfregister aufzubauen und die Impfpflicht erst einzuführen, wenn es notwendig ist. AfD-Fraktionschefin Alice Weidel verlangt, die seit Mittwoch für das Personal im Gesundheitswesen und der Pflege geltende Corona-Impfpflicht wieder abzuschaffen.

Anfang April soll der Bundestag über die fünf Anträge abschließend befinden. Wer das Rennen macht, ist auch nach dieser Debatte weiter unklar. Der Ausgang hängt voraussichtlich ebenso vom gewählten Abstimmungsverfahren ab. Aber auch darüber wird noch gestritten.

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