KommentarBerliner Corona-Demonstration ist nicht der Untergang der Demokratie

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Reichstag

Der Reichstag in Berlin am Montag nach der Großdemonstration gegen die Corona-Politik.

  • Am Wochenende haben rund 40.000 Menschen gegen die Corona-Politik der Bundesregierung protestiert.
  • Unter den Teilnehmenden waren auch Rechtsextremisten und sogenannte Reichsbürger, die den Reichstag stürmen wollten.
  • Es sind beunruhigende Bilder, kommentiert Autor Andreas Niesmann, doch nicht der Untergang der Demokratie, wie manche Kommentare vermuten lassen.

Würde man seine Informationen nur aus sozialen Medien und großen Boulevard-Zeitungen beziehen, könnte man glauben, am Wochenende habe der Staatsstreich unmittelbar bevorgestanden. Das wäre immerhin eine Erklärung für die fast schon grenzenlose Aufregung, mit der Linke wie Konservative den vermeintlichen Sturm auf das Parlament kommentieren. Die Realität ist weit weniger spektakulär. Ja, es haben am Samstag etwa 40.000 Menschen in Berlin gegen die Corona-Politik der Bundesregierung demonstriert. Ja, wenige Hundert von ihnen haben die Absperrgitter am Vorplatz des Reichstags überwunden und es bis auf dessen Treppe geschafft. Und ja, dabei sind Bilder entstanden, die für aufrechte Demokraten schwer zu ertragen sind.

Das ist es aber auch schon, was die Protestierer erreicht haben. Weder haben sie das deutsche Staatswesen ins Wanken gebracht noch die öffentliche Sicherheit in der Hauptstadt ernsthaft gefährdet. Und auch die These, dass sie kurz vor der Stürmung des Reichstagsgebäudes gestanden hätten, lässt sich nüchtern betrachtet kaum aufrechterhalten. Am oberen Ende der Treppe befindet sich eine Sicherheitsschleuse, Mitarbeiter des Bundestags hatten sie längst geschlossen. Und nach nur wenigen Minuten hatte die Polizei die Lage wieder unter Kontrolle.

Was bleibt, ist die Symbolik

Eigentlich haben die Demonstranten nur das geschafft, was bis zur Verschärfung der Sicherheitsvorkehrungen 2008 für jede Schülergruppe auf Berlin-Besuch zum Standardprogramm gehört hatte: Das Zeigen der Jubelpose unter dem Giebel mit der berühmten Inschrift „Dem deutschen Volke“.

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Was bleibt, ist die Symbolik. Der Größenwahn einiger Verwirrter. Die krude Mischung aus Esoterikern, Krawall-Touristen und Neonazis, die unerwartet einig waren in ihrer Bereitschaft, das Symbol der deutschen Demokratie für Handy-Clip-Propaganda zu missbrauchen. Und die Reichsflagge, die wegen ihrer schwarz-weiß-roten Farbgebung und der nationalistischen Aufladung bei Ewiggestrigen beliebt ist und deshalb nichts, aber auch gar nichts, in der Nähe des Parlamentes verloren hat.

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Die Bilder des Wochenendes sollten sich deshalb nicht wiederholen. Aber sie sind auch nicht der Untergang der Demokratie. Zumal die viel größere Gefahr nicht von den Rechtsextremen auf der Parlamentstreppe ausgeht, sondern von denen, die es bereits ins Gebäudeinnere geschafft haben – und dafür nicht einmal die Unachtsamkeit der Polizei brauchten. 89 Abgeordnete stellt die AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag, sie alle sind rechtmäßig gewählt. Und viele von ihnen haben in den vergangenen drei Jahren eindrucksvoll unter Beweis gestellt, was sie von der parlamentarischen Demokratie halten: nichts.

Selbst diesen Feinden in seinem Innersten hat unser Staatswesen bislang widerstanden. Mit den paar Angreifern von außen wird es ebenfalls fertig werden. Achtsamkeit lautet das Gebot der Stunde. Und nicht Panik. (Andreas Niesmann/RND)

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