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Kommentar zu Corona-DemosDiese Regelbrüche sind ein Gewaltakt

Lesezeit 3 Minuten
Demo Berlin sitzend

Kaum Masken und dicht an dicht: Demonstranten in Berlin

  • Riesige Menschenmassen, keine Abstände, keine Masken: Die Bilder von der Corona-Demo in Berlin haben viele beunruhigt.
  • Nun wird über das Demonstrationsrecht diskutiert – abschaffen kann und darf man das jedoch nicht.
  • Viel wichtiger ist es, dass die Polizei künftig härter durchgreift.

Folgendes Szenario: Ende August tritt der Bundestag zu einer Sondersitzung zusammen. Einziger Tagesordnungspunkt: Auf Antrag der Koalitionsfraktionen soll das Grundgesetz geändert und das Recht auf Demonstrationsfreiheit massiv eingeschränkt werden. Die bisherige Formulierung „Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln“ soll durch den Zusatz ergänzt werden: „Das gilt nicht bei Vorliegen einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite.“

Ist das vorstellbar? Kaum. Auf alle Fälle würde eine derartige Änderung in Karlsruhe vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern. Denn die Versammlungsfreiheit ist als Grundrecht nach gängiger Rechtsauffassung durch die sogenannte Ewigkeitsgarantie unserer Verfassung geschützt. Das Verfassungsgericht hat unter dem Eindruck von Corona bereits in diesem Sinne geurteilt, als es im April einem Eilantrag gegen ein Demonstrationsverbot in Stuttgart stattgab.

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Müssen wir dann aber hilflos zuschauen, wie Corona-Leugner, Anhänger von Verschwörungserzählungen oder einfach nur Unbedarfte mit ihrer eigenen Gesundheit und vor allem mit der anderer spielen? Ein klares Nein. Ein Grundrecht kann dann nicht mehr in vollem Umfang in Anspruch genommen werden, wenn dadurch ein anderes verletzt wird. Konkret stehen die Versammlungsfreiheit und das Recht auf körperliche Unversehrtheit in scharfer Konkurrenz. Bei Demonstrationen unter freien Himmel lässt das Grundgesetz ohnehin Eingriffe zu, um die Einschränkungen für andere Bürger so klein wie möglich zu halten. Es ist eine seit Jahrzehnten geübte Praxis, dass Versammlungen nur mit Auflagen genehmigt und Zeiten sowie Routen festgelegt werden. Halten sich die Demonstranten nicht daran, kann die Polizei die Veranstaltung auflösen.

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Rechtzeitig und hart durchgreifen

Das muss in Zeiten von Corona umso mehr gelten. Erstens muss künftig intensiver als bisher daran gearbeitet werden, geeignete Orte für Demonstrationen festzulegen. Zweitens muss die Polizei rechtzeitig und hart durchgreifen, wenn die Auflagen zum Infektionsschutz nicht eingehalten werden. Man stelle sich vor: Aus einem Demonstrationszug heraus würden Teilnehmer und Unbeteiligte mit Steinen beworfen und schwer oder sogar tödlich verletzt. Würde die Polizei tatenlos zuschauen und Gewalttäter gewähren lassen? Wohl kaum. Sich nicht an die Regeln zum Schutz vor Corona zu halten, ist aber auch eine Art Gewaltakt.

Etwas einfacher ist die rechtliche Lage bei einem weiteren Grundrechtseingriff: Pflichttests für Heimkehrer aus Risikogebieten sind notwendig, um die Unversehrtheit und im Zweifel das Leben anderer zu schützen. Der Abstrich mit einem Wattestäbchen ist ein vergleichsweise milder Eingriff im Vergleich mit den möglichen Folgen einer Ansteckung. Und schließlich: Wer derzeit in ein Risikogebiet fährt, weiß, was er tut. Unvernunft ist zwar nicht verboten. Ein Grundrecht darauf, dass sie keine Konsequenzen hat, gibt es aber nicht.

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