Kommentar zu JagdvideoEin übertriebener Polizeieinsatz ist noch keine Diktatur

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Hamburg Kontrolle

Polizeikräfte bei Kontrollen in Hamburg (Symbolbild)

Es war eigentlich ein lokaler Vorfall. In den sozialen Medien aber bekam er am Wochenende eine enorme bundesweite Beachtung: Bilder zeigen, wie die Hamburger Polizei einen Jugendlichen mit dem Streifenwagen durch einen Park verfolgt. Da waren ein paar Polizisten offenkundig ausgetickt. So oder so ähnlich äußerten sich schnell jede Menge „Debatten“-Teilnehmer – linke, rechte, libertäre. Immerhin habe der mit Blaulicht gejagte junge Mann nur die geltenden Corona-Auflagen verletzt. Er hatte „andere umarmt und abgeklatscht“. Bei näherer Betrachtung war der eskalierte Einsatz dann doch nicht so überraschend und lässt höchstens die Erkenntnis zu, dass noch nicht alle Beamten gelernt haben, auf respektlose Provokationen deeskalierend zu reagieren.

Früher hätten Konservative noch angemerkt, dass der Staat auch mal Härte zeigen müsse, und Linke vermutet, dass da vielleicht ein Migrationshintergrund zur Übergriffigkeit durch die Polizei geführt habe. Doch nun ist Corona, und da geht es nicht um die Sache, sondern um die Haltung zur Lockdownpolitik. Das zeigte sich, als wegen des Hamburger Jagdvideos bei Twitter schnell der Hashtag #Diktatur trendete: weil die Lockdownkritiker – die politisch überwiegend Rechte oder Libertäre sind – den Streifenwagen empört zum Vorboten einer Corona-Diktatur erklärten und daraufhin die No-Covid-Fraktion noch empörter antwortete.

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Klingt verwirrend, ist aber ganz einfach: Erstens gab es schon immer Polizisten mit zu kurzer Zündschnur. Zweitens müssen Polizisten die Vorschriften des Gesetzgebers durchsetzen, das nennt man nicht Diktatur, sondern Gewaltmonopol. Drittens lässt sich über diese Vorschriften trefflich streiten, wenn es um die Maskenpflicht in Parks geht – das geschieht womöglich zu wenig, aber auch wieder nicht so wenig, dass man die Diktatur an die Wand malen muss. Wer das tut, hat eine Agenda – und wie sich nach einem Jahr Corona zeigt, hat die Pandemie die Grundzüge der Gesellschaft kaum verändert, sondern nur einen neuen Vorwand zu alten Forderungen hinzugefügt.

Linke wollen, dass Reiche mehr abgeben müssen – gerade wegen der hohen Corona-Schulden. Rechte wollen Zuwanderung stoppen – weil vermeintlich sonst das Virus eingeschleppt wird. Und Libertäre sind gegen einen mächtigen Staat – weil sonst die Corona-Diktatur droht.

Das ist menschlich, aber ernüchternd – weil die Folgen von Corona, anders als zu Beginn der Krise erträumt, nicht ein nachhaltigerer Konsum, eine Entschleunigung des Arbeitslebens und größere Solidarität mit den Schwachen sein dürften, sondern doch nur zu viele Tote, zu viele gesundheitliche Langzeitschäden und ein riesiger Schuldenberg.

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