Kommentar zu TrierEs gibt keinen 100-prozentigen Schutz gegen Amok und Terror

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Trier Tag danach

Blumen in Kerzen in Gedenken an die Opfer in Trier

Trier – Dieses Bild des zerbeulten Kinderwagens, in dem ein neuneinhalb Wochen altes Mädchen sein gerade erst begonnenes Leben verloren hat, es will einem einfach nicht mehr aus dem Kopf. Genauso der Anblick der zertrümmerten Tische vor den Geschäften, der in Rettungsfolien gehüllten Überlebenden, der notdürftig abgedeckten Toten.

Für das, was sich am Dienstagnachmittag in Trier ereignet hat, gibt es keine angemessenen Worte. Fünf Menschen, darunter der Vater des Babys, sind tot, 18 weitere, darunter die Mutter und der anderthalbjährige Bruder, sind zum Teil schwer verletzt. Das Ausmaß der seelischen Verletzungen bei Augenzeugen, Ersthelfern, Einsatzkräften ist noch gar nicht absehbar. Viele Menschen haben die Bilder der Zerstörung und das Leid der Familie sowie der anderen Opfer tief bewegt. Weil wir empathische Wesen sind, die mitfühlen können. Und weil uns unwillkürlich der Gedanke kommt: Das hätte auch uns selbst treffen können.

Ja, das hätte es. Diese Erkenntnis ist so banal wie verstörend. In einer freien Gesellschaft gibt es keinen 100-prozentigen Schutz gegen Amoktäter oder Terroristen. Wir werden unsere Fußgängerzonen nicht zu Hochsicherheitszonen ausbauen können, und wir werden das auch nicht wollen. Wer etwas so alltägliches wie ein Auto als Mordwerkzeug missbrauchen will, wird immer irgendwo Opfer finden. Falsche Zeit, falscher Ort – und das Schicksal schlägt erbarmungslos zu.

Zu Willkür gesellt sich Sinnlosigkeit

Das ist es, was den Umgang mit Amok-Fahrten wie der von Trier so schwer macht. Zu Monstrosität und Willkür gesellt sich eine unfassbare Sinnlosigkeit. Es gibt kein Muster, das man erkennen, kein Motiv, an dem man sich abarbeiten, noch nicht mal Hass, gegen den man ankämpfen könnte.

Nach Anschlägen durch faschistische oder religiöse Extremisten können wir uns wenigstens gemeinsam auflehnen. Wir können den Angreifern entgegenschreien, dass wir mehr sind, dass wir uns von ihnen nicht unser Leben diktieren lassen, dass sie uns nicht kleinkriegen. Aber was bitte schreit man einem offenbar psychisch labilen Einzeltäter entgegen?

Es gibt kaum Lehren, die man aus der Tat von Trier ziehen kann. Nach allem, was man bisher weiß, hat die Polizei blitzschnell reagiert und damit noch Schlimmeres verhindert. Auch der Einsatz der Rettungskräfte erfährt viel Lob. Man darf den Beamten und Helfern in diesen dunklen Stunden durchaus mal Danke sagen.

Genauer hinschauen, wenn Menschen ihr Leben entgleitet

Wenn es überhaupt etwas gibt, dass die Gesellschaft als Reaktion auf Trier ändern muss, dann womöglich den Umgang mit psychischen Krankheiten. Wir müssen genauer hinschauen, wenn Menschen ihr Leben entgleitet, wir müssen mehr Hilfsangebote schaffen, die medizinische Versorgung in diesem Bereich verbessern. Es ist nicht viel, aber wenigsten etwas, das wir tun können.

Die nächsten Schritte stehen bereits fest. Sie sind Teil eines eingeübten Rituals. Wir betrauern die Toten, wir kümmern uns um die Überlebenden, wir klären auf, wir machen dem Täter den Prozess. Man mag diesen ritualisierten Umgang mit Anschlägen und ihren Folgen pietät- oder würdelos finden, aber zur Wahrheit gehört, dass solche Rituale vielen Menschen Halt und Sicherheit geben – gerade in unübersichtlichen Zeiten wie diesen.

Und danach? Werden wir weitermachen. Wir werden die Angst, dass es uns selbst oder unsere Liebsten treffen könnte, beiseiteschieben. Auch weil wir keine Alternative haben. Wir werden das schaffen, so wie wir das nach den Anschlägen von Münster, Hanau oder Berlin auch geschafft haben.

Vielleicht liegt darin auch ein gewisser Trost – zumindest für die nicht unmittelbar Betroffenen. Für die Opfer hingegen wird es kaum einen Trost geben. Ihnen bleibt nur unser Mitgefühlen und unsere Solidarität.

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