Kommentar zum BundesgesundheitsministerJens Spahn muss endlich seinen Job machen

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Jens Spahn Bundestag

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn bei einer Befragung im Bundestag

  • Die vermasselte Einführung der Corona-Schnelltests ist der letzte Punkt auf einer Liste von Fehlern, die sich Jens Spahn im Kampf gegen die Corona-Pandemie geleistet hat.
  • Dem Gesundheitsminister ist seine persönliche Öffentlichkeitsarbeit wichtiger als der Kampf gegen die Pandemie.
  • Spahns Politikstil trägt zum Vertrauensverlust der Menschen in die Regierung bei.
  • Ein Kommentar.

Berlin – Wenn Jens Spahn schlechte Nachrichten zu verkünden hat, wechselt der Bundesgesundheitsminister gerne in die erste Person Plural. „Wir“ wähnten uns auf einem guten Weg. „Wir“ werden lernen müssen, mit dem Virus zu leben. „Wir“ werden einander noch viel verzeihen müssen.

„Wir“ statt „ich“, dieses Stilmittel nennen Rhetoriker „Pluralis modestiae“ – „Plural der Bescheidenheit“. Es ist ein cleverer Trick des CDU-Politikers. Das „Wir“ erweckt den Anschein persönlicher Zurückhaltung, als nähme er sich selbst nicht ganz so wichtig. Gleichzeitig verschleiert es die wahren Verantwortlichkeiten. Tragen „wir“ nicht alle zusammen die Schuld daran, dass die Lage so schlecht ist, wie sie ist?

Die Antwort auf diese Frage lautet nein. Auch wenn es in der Pandemiebekämpfung natürlich auf jeden Einzelnen ankommt, kommt es auf einige wenige ein ganzes Stück mehr an. Derjenige, auf den es am meisten ankommt, ist Jens Spahn, Bundesminister für Gesundheit.

Damit beginnen die Probleme, denn Spahn, dessen Corona-Politik lange Zeit von einer Mehrheit der Bevölkerung positiv bewertet worden war, hat die Lage erkennbar nicht im Griff. Im Gegenteil: Bei Lichte betrachtet stolpert der Minister seit Beginn der Pandemie von Fehler zu Fehler. Er nahm das Virus nicht ernst genug, versäumte den Einkauf von Schutzausrüstung, dachte nicht an die Reiserückkehrer, ließ die Impfstoffbeschaffung schleifen, reagierte zu spät auf die zweite Infektionswelle.

Und nun kommt auch noch die Posse um die vermasselte Einführung flächendeckender Corona-Schnelltests hinzu. Nachdem er bei den Tests viel zu lange auf der Bremse gestanden hatte, kündigte Spahn vergangene Woche mit großer Geste an, dass sich schon ab dem 1. März jede Bürgerin und jeder Bürger auf das Coronavirus testen lassen könnte. Kostenlos und so oft sie wollen.

Mit Details hält Jens Spahn sich nicht gerne auf

Mit den Details hielt der CDU-Mann sich nicht lange auf. Gibt es genügend Tests? Sind Apotheken und Arztpraxen auf den zu erwartenden Ansturm vorbereitet? Stehen die entsprechenden Räumlichkeiten zur Verfügung? Und wie teuer wird das alles werden?

Nichts davon hatte der Minister im Vorfeld geklärt. Auch Landesregierungen, Kabinettskollegen, Bundestag, selbst die mit den Tests zu betrauenden Ärzte und Apotheker waren nicht oder nur unzureichend eingebunden gewesen. Auf das Impfdebakel vom Jahresanfang drohte ein Testchaos zu folgen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel persönlich zog die Notbremse und kassierte das Testversprechen ihres Parteifreundes wieder ein. Es wird keine flächendeckenden Schnelltests ab dem 1. März geben, stattdessen will die Kanzlerin bei der Ministerpräsidentenkonferenz mit den Regierungschefs der Länder beraten, wie es in der Sache weitergeht. Gut möglich, dass bei zunehmender Verfügbarkeit der jetzt zugelassenen Selbsttests für Laien die flächendeckenden Testungen durch medizinisches Fachpersonal gar nicht mehr nötig werden.

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Zurück bleibt das Bild eines überforderten Ministers, dem die eigene Öffentlichkeitsarbeit wichtiger ist als das Lösen von Problemen. Für Spahn persönlich mag das bedauerlich sein, weil er so in wenigen Wochen vom möglichen Kanzlerkandidaten zu einem Minister wurde, der um sein Amt kämpfen muss.

Für das Land aber ist Spahns Politikstil hochgefährlich. Ausgerechnet in einer Zeit, in der sich die stark ansteckenden Virusmutationen immer stärker verbreiten, trägt er zum Vertrauensverlust von Politik und Regierung bei.

„Wir sind pandemiemüde“, sagte Spahn am Mittwoch im Bundestag. Das ist wahr. Vor allem aber sind „wir“ müde, einem Gesundheitsminister zuzusehen, der viel Zeit in persönliche PR und wenig in vorausschauende Pandemiepolitik investiert. Jens Spahn sollte einfach seinen Job machen. Dann müssten „wir“ ihm auch weniger verzeihen.

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