Kommentar zum EU-GipfelMan kann sich die peinliche Sache schönreden

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Gipfel in Brüssel Kommentar

Staats- und Regierungschefs am Donnerstagabend in Brüssel

  • Beim Gipfel in Brüssel haben sich die EU-Staaten grundsätzlich auf das Ziel eines klimaneutralen Europas bis 2050 geeinigt.
  • Allerdings gibt es eine Ausnahme: Polen. Die großen Worte von der Leyens am Mittwoch hielten nur kurz. Die EU ist wieder im Klein-Klein angekommen.
  • Kaum ist die Brexit-Debatte so gut wie vom Tisch, brechen die alten Gräben in der EU wieder auf. Das Beinahe-Debakel von Brüssel sagt viel über den Zustand der EU aus.

Berlin – Man kann sich die peinliche Sache natürlich schönreden. So wie es der neue EU-Ratspräsident Charles Michel, die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Bundeskanzlerin Angela Merkel jetzt machen.

Die EU wolle bis zum Jahr 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent der Erde werden, sagen sie. Nur ein Land dieser EU brauche eben noch ein bisschen mehr Zeit. Wiedervorlage in einem halben Jahr.

Klimaneutralität 2050: Polen weigert sich

Also: Halb so schlimm, dass Polen sich in der Nacht zu Freitag beim EU-Gipfel in Brüssel dem ehrgeizigen Klimaziel verweigert hat.

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Aber in Wirklichkeit geht aus Brüssel kein besonders starkes Signal für den sogenannten „Green Deal“ aus, den von der Leyen noch am Mittwoch in seiner Bedeutung mit der Landung auf dem Mond verglichen hat. Das waren große Worte, die gerade einmal 36 Stunden durch den Äther hallten. Doch nun ist die EU wieder im alten Klein-Klein angekommen.

Alte Gräben brechen wieder auf

Kaum ist die Brexit-Debatte als einigender Faktor nach dem Wahlsieg von Boris Johnson so gut wie vom Tisch, brechen die alten Gräben in der EU wieder auf. Es wird über das Klima gestritten, übers Geld, bald wieder über die Migration. Ost gegen West, Nord gegen Süd. Dass auf Drängen Ungarns und Tschechiens in dem Brüsseler Gipfeldokument auch noch die Atomkraft als eine mögliche Alternative zur klimaschädlichen Kohle genannt wird, wird zum nächsten Streit führen.

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Polen bezieht derzeit mehr als 77 Prozent seiner Energie aus klimaschädlicher Kohle. Es ist also nachvollziehbar, dass Warschau für den Umbau seines Energiesektors auf möglichst viel Geld aus Brüssel hofft. Doch das Schachern wirkt angesichts der Bedrohung durch den Klimawandel bemerkenswert altbacken. Der Klimawandel wird keinen Bogen um Polen machen, und Klimaneutralität in der EU wird ohne Polen nicht zu erreichen sein.

Das Beinahe-Debakel von Brüssel sagt viel über den Zustand der EU aus. Er ist nicht gut. Denn die EU kann sich nicht einmal auf ein Ziel verständigen, das erst in mehr als einem Vierteljahrhundert erreicht werden soll.

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