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Kommentar zum KlimagipfelAuf den Pudding-Test kommt es jetzt an

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Selbst der russische Staatschef Putin war beim Klimagipfel digital anwesende.

Dem letzten US-Präsidenten, mit dem Angela Merkel so richtig gut konnte, rief sie bei dessem Abschiedsbesuch in Deutschland ein englisches Sprichwort zu, nachdem beide ausführlich den hervorragenden deutsch-amerikanischen Beziehungen gehuldigt hatten. „The proof of the pudding is the eating“, sagte die Bundeskanzlerin Angela Merkel zum scheidenden Barack Obama, auf Deutsch etwa: „Der Test für den Pudding ist das Verspeisen.“

Als Merkel nun an diesem Donnerstag dem neuen US-Präsidenten Joe Biden für einen Live-Auftritt zu dessen Online-Klimagipfel zugeschaltet wurde, hätte man sich denselben Satz noch einmal gewünscht. Denn über nichts wurde in den letzten 30 Jahren so ausführlich geredet wie über die Notwendigkeit des Klima- und Umweltschutzes. Der Präsident, der 1992 beim „Erdgipfel“ in Rio für die USA die erste internationale Klimakonvention unterzeichnete, hieß George Bush - senior! Nur die Älteren erinnern sich.

Seitdem hat die Staatengemeinschaft viel geschafft: Erstens immer neue Klimagipfel mit immer neuen Zusagen, den CO2-Ausstoß zu bremsen. Und zweitens eine kontinuierliche Steigerung ebendieser Emissionen.

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Nachdem die Staatenlenker 2015 in Paris den ersten verbindlichen Klimaschutzvertrag beschlossen hatten, sollen bei einigen Tränen geflossen sein. Angeblich vor Rührung. Sieben Jahre später ist denen, die weniger auf schöne Worten über den nachhaltigsten Pudding aller Zeiten achten und mehr darauf, wann er auf den Tisch kommt, auf jeden Fall zum Heulen zumute: Die Erdtemperatur liegt fast 1,2 Grad Celsius über dem vorindustriellen Zeitalter - und bei 1,5 Grad Plus beginnt das Weltklima zu kippen. Die folgenden Kosten und Einschränkungen dürften vielerorts mehr schmerzen als alles, was man jetzt für den Klimaschutz tun kann.

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Es ist gut, dass Joe Biden das verstanden hat und es mit dem Klimagipfel vor allem dem heimischen Publikum begreiflich machen will. Zwar erinnerte es an die Chuzpe seines Vorgängers Donald Trump, wie Biden - Präsident des zweitgrößten CO2-Produzenten der Erde - sich bei seinem Online-Event als führender Klimaretter inszenierte statt sicg bei jedem der zugeschalteten Staatschefs erst einmal für die Klimasünden und Untätigkeit der USA zu entschuldigen.

Aber sei's drum: Wenn das Preis dafür ist, den größten Klimasünder und zugleich größten Wirtschaftskonkurrenten der USA, China, das öffentliche Versprechen gemeinsamer Anstrengungen abzuringen; wenn Biden selbst die Werbetrommel dafür rührt, mehr Klimaschutz mit mehr Wirtschaftswachstum zu verbinden; wenn die EU ihr verbindliches CO2-Einsparungsgesetz als Modell vorführen kann und Frankreichs Präsident eine internationale CO2-Steuer fordern kann - dann bringt es die Welt eben doch einen Schritt weiter.

Worauf es nun trotzdem ankommt, ist der Test für den Pudding: Ohne die Lockdowns und Lieferschwierigkeiten durch Corona hätte auch der vermeintliche Musterschüler Deutschland die Klima-Etappenziele für 2020 verfehlt - die laut Klimaschützern noch nicht einmal gereicht hätten, die deutschen Zusagen im Paris-Abkommen zu erfüllen. Also müssen konkrete Umbau-Schritte für alle Sektoren von Verkehr bis Bausektor her.

In der Handelsdiplomatie müssen die schönen Vorschläge und der dringende Handlungsbedarf, die beim Biden-Gipfel zur Sprache kamen, eine zentrale Rolle spielen. Klima-Allianzen müssen Investitionen in Öko-Energie und grünes Wachstum zum Ziel haben. Nach der Corona-Krise müssen die Staaten der Wirtschaft ohnehin wieder auf die Füße helfen - sie dürfen die Chance nicht verstreichen lassen, dieses Staatsgeld ausschließlich für ökologisches Wachstum herzugeben.

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