Kommentar zum StreitWenn Karneval ausfällt, müssen auch Skigebiete pausieren

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Ischgl

Eine Schneekanone schießt Schnee auf die Piste in der Urlaubsregion Ischgl, die als Corona-Hotspot ausgemacht wurde.

  • Angela Merkel will zur Eindämmung des Coronavirus die Skigebiete dicht machen. Die Schweiz und Österreich stellen sich entschieden dagegen.
  • Wenn aber Karneval und Skigebiete als Hotspots identifiziert wurden, ist es nur konsequent, nach der Karnevalsabsage auch auf Winterurlaub zu verzichten.
  • Ein Kommentar.

In der Debatte um den nächsten Skiurlaub ist es Zeit für ein bisschen mehr Ehrlichkeit. Das Coronavirus, das sich im vergangenen Winter in Europa festsetzen konnte, mag seinen Ursprung in China haben. In Wahrheit aber ist es ein Virus, das sich in Europa von Norditalien und Österreich aus verbreitet hat und seine Chance in Deutschland im Karneval bekam.

Deshalb ist es konsequent, dass die Karnevalssession in Deutschland weitgehend abgeblasen wurde. Mit der Skisaison wird man nicht anders verfahren können. Alles andere wäre fahrlässig. Es würde erneut Tausende Menschen das Leben kosten und einen schweren Rückschlag im Kampf gegen das Virus verursachen.

Ischgl war das erste Superspreader-Event der Pandemie in Europa. Dort wurde die Saison im vergangenen Winter wider besseren Wissens durchgezogen. Ökonomische Interessen standen über gesundheitlichen Notwendigkeiten. Dass das Virus seitdem nur unter größten Entbehrungen immer wieder zurückgedrängt werden kann, ist auch eine Folge der Unvernunft von damals.

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Kurzsichtiger Blick auf die Pistengaudi-Industrie

Ischgl bleibt als Trauma. Das gilt insbesondere für Italien, wo das Virus wie kaum in einem anderen Land gewütet hat. Deshalb ist das Bestreben der Italiener in einer Allianz mit Frankreich und Deutschland, die Skisaison in Europa in diesem Jahr ausfallen zu lassen, nachvollziehbar.

Österreich hingegen blickt kurzsichtig auf die Interessen der eigenen Pistengaudi-Industrie. Überraschen kann diese Haltung der Österreicher eigentlich nicht. Denn die Regierung in Wien hat nie offen eine Schadensanalyse zu Ischgl betrieben. Das Superspreader-Ereignis wurde nicht aufgearbeitet und schlimmer noch: Man hat ganz offensichtlich auch nichts daraus gelernt.

Nun droht die Frage der Skiferien zum Spaltpilz in Europa zu werden. Österreich will seine Hotels und seine Pisten offen halten. Gleiches gilt für die Schweiz, die nicht zur EU gehört und sich umso freier fühlt, all jene Reiselustigen aufzunehmen, die innerhalb der Europäischen Union keinen Skiurlaub mehr buchen können.

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Vor dem Hintergrund, dass in der Schweiz die Intensivbetten bereits voll sind und die knappen Plätze dort schon nach Überlebenschancen der Patienten vergeben werden müssen, ist das einfach nur zynisch. Und auch wenn die Schweiz nicht an Verabredungen innerhalb der EU gebunden ist, wird man nicht so verfahren können, dass dort die Geschäfte mit dem Skispaß brummen, während Deutschland Patienten aus überfüllten Kliniken aufnimmt und gesund pflegt.

Die Gefahr der Nationalstaaterei

Die Alpenländer und ihre Anrainer müssen unbedingt einen Konsens für die Skisaison finden. Ansonsten drohen langfristige Schäden: gesundheitlich und diplomatisch. Für die Regierungen in Deutschland, Italien und Frankreich stehen ohne gemeinsame Lösungen weitere bittere einseitige Entscheidungen bevor. Bayern hat bereits verfügt, dass wer nach Österreich zum Skifahren reist, sich nach Rückkehr für zehn Tage in Quarantäne begeben muss – selbst wenn es nur ein Tagesausflug war.

Schon zu Beginn der Pandemie im März und April zeigte Europa die Tendenz, sich auf Nationalstaaterei zurückzuziehen. Das ist ohnehin der ernüchternde Befund für die EU: Ausgerechnet in Krisenzeiten, wenn Solidarität gefragt ist, bröckelt immer wieder der Zusammenhalt. Das war in der Flüchtlingskrise so. In der Pandemie ist das leider nicht anders.

Derweil blockieren Ungarn und Polen die europäischen Corona-Hilfen, um wiederum ihre eigenen Interessen in Fragen der Rechtsstaatlichkeit durchzusetzen. Je mehr Europa unter dem Druck der Pandemie auseinanderfällt, desto größer werden die langfristigen materiellen und ideellen Schäden sein, die das Coronavirus auf dem Kontinent hinterlässt. (RND)

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